St. Augustin ist auferstanden in Coburg

4 Min
St. Augustin nach der Generalsanierung: Ein neuer Platz für religiöses, soziales, städtisches Leben ist entstanden Fotos: Carolin Herrmann
St. Augustin nach der Generalsanierung: Ein neuer Platz für religiöses, soziales, städtisches Leben ist entstanden Fotos: Carolin Herrmann
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Pfarrkirche wurde nicht einfach saniert. Am Festungsberg ist ein neues Zentrum entstanden. Der Innenraum ist geheilt.

Hier, mitten in der Stadt Coburg, durchaus in ihrem Herzen sozusagen, ist etwas Besonderes geschehen. Es geht keineswegs nur um die Katholiken, die sich über ihre generalsanierte Pfarrkirche St. Augustin freuen. - Bewegen wir uns einmal bewusst auf dieses in seiner Wirkung neue Zentrum von Kult und Kunst zu:

Wo sich bis vor zwei Jahren ein düsterer, verschmuddelter, trotzdem noch immer wie aus der Vergangenheit drohender Brocken an den Fuß des Festungsbergs drückte, ist jetzt eine neue architektonische Lebenssituation entstanden. Die schmal aufragende neugotische Fassade schließt nun wie ein wertvolles Schmuckstück die um den Berg gelegte Auf- und Abfahrt zur Veste.

Das hat die elegant geschwungene, modern ergänzende Mauerführung der restaurierten Freitreppe erreicht, die an den Seiten in sanft geschwungener Linie endet. Es hat etwas Zärtliches, wie hier ein Ort umspielt, wie von Wellen umspühlt wird, an dem sich Generation um Generation in Schicksalsmomenten wie in alltäglicher Lebensbewältigung zusammengefunden hat.

Wo früher alte Garagen kau erten, schließt sich an der Seite zum Hofgarten ein neuer, ein verblüffender Platz an, nicht groß, aber Weite schaffend, das historische Gebäude in seiner jetzt ganz anders zu empfindenden Wucht und mit seiner nun dunkel umrahmten, modernen Torsituation vereinend mit dem neuen Kapellenanbau.


Neue Lebensraum

Als ob man in eine andere Stadt einträte, losgelöst zwischen alter Geschichte und Zeitlosigkeit. Hier möchte, hier muss man sich niedersetzen, schauen, südwestlich hinüber auf die Stadt, auf den Turm von St. Moriz.

Die im Mauerwerk elegant gezeichneten Kuben des Neubaus fügen sich so genial schlicht wie stark und schützend aufnehmend an die große Kirche, selbstbewusst das Heute an die Seite der jetzt viel freundlicher blickenden historischen Monumentalität stellend. Oben drüber, zum Pfarramt hin, ist übrigens noch ein wunderbarer kleiner Platz entstanden.

Die Kapelle für den kleinen Gottesdienst, für die Kinder, für Ruhemomente im Alltag, für den Einzelnen... ist im Inneren, zwischen Dunkelheit und Lichtdurchflutung, erst Recht ein Erlebnis, ob sich für Spiritualität öffnend oder auschließlich die architektonische Kunst von Architekt Thorsten Will und des Tirschenreuther Büros Brückner und Brückner erfahrend. Die zwei riesigen Torflügel in der Fassade lassen sich zum Platz hin öffnen - und schon kann wieder Überraschendes geschehen.

Der kleine Eingang daneben führt zur Lourdes-Grotte, zu intimer Meditation einladend. Der Kapellenzugang selbst bewahrt mit der Kreuzigungsgruppe, dem Rest des in den 60er Jahren brutal abgerissenen, historischen Hochaltars und den Bildern der Seitenaltäre, die Erinnerung an die ursprüngliche Ausstattung der 1860 eingeweihten Kirche.

Der befreite Raum erhebt den spirituell Suchenden

Und was geschah im Inneren von St. Augustin? Auch schlicht wunderbar zu Nennendes. Versetzen wir uns zurück in die letzten Jahrzehnte, was gar nicht so einfach ist, denn jetzt wirkt im hohen Kirchenschiff St. Augustins alles, als könne es gar nicht anders sein. Was das größte Kompliment für die Gestaltung eines Raumes ist.
Seit der zerstörerischen Sanierung in den 60er Jahren stimmte hier nichts mehr. Um Andacht zu gewinnen, musste man die Kirche eigentlich aus dem Bewusstsein ausblenden, statt dass die Architektur den Suchenden hätte erheben können. Um die Basis für einen Neuanfang zu finden, musste man mutig ausräumen, wie Pfarrer Roland Huth den durchaus erschreckenden Findungsprozess beschreibt, virtuell zurückfinden zum leeren, ursprünglichen Raum. "Wir wollten kein weiteres Herumdoktern, nicht einfach nur sanieren."

Und tatsächlich, der Raum ist geheilt, sogar gewachsen in seiner Klarheit und Ausstrahlung zwischen Historischem und sehr zurückhaltender moderner Kunstsprache. Die schmutzig wirkenden Wände mussten mühsam abgewaschen werden. Der betonte Kontrast zwischen den wie aus dem Himmel Licht leitenden Fenstern und den jetzt wieder (entsprechend der ursprünglichen Ausstattung) dunklen Holzbänken erweckt die Kraft, sich aus sicherer Bodenverbundenheit und Schwere zu erheben.

Die neue Orgel hat in der dunklen farblichen Anpassung unglaubliche Präsenz gewonnen. Die südliche Tür wurde der nördlichen nachgebildet. Die Beleuchtung kommt von sechs zweieinhalb Meter hohen, kerzenartigen Zylindern, die nichts verstellen. Die wohltuende Symmetrie setzt sich im Chorraum entscheidend fort.


Nichts Trennendes mehr

Der hat viel von seiner schwerfälligen Düsternis verloren, die seit dem Einbau der grell-roten Glasmosaike in die drei gotischen Fensterbögen herrschte. Eigentlich hatte jede feierliche Handlung gegen diese verschlingende Düsternis hinter dem Altar anzukämpfen.

Dass der gesamt Boden, der sperrige Altaraufbau, abgesenkt wurde, nimmt man gar nicht wahr. Doch stimmen jetzt die Proportionen zu Chor und Kreuzbögen und Fenstern. Alles Trennende wurde eliminiert, selbstverständlich auch das gigantische, zwischen Gemeinde- und Altarraum von oben herab drohende, schwarze Kruzifix. Und stattdessen?

In enger Rücksprache mit den Projektgruppen aus Gemeindemitgliedern und Architekturbüro hat der Eichstätter Künstler Rudolf Ackermann, der die Ausschreibung gewann, eine zunächst zurückhaltende, dem Raum dienende, dabei aber ungemein machtvolle Ausstattung geschaffen. Altar, Ambo und symmetrisch gegenüber gesetzt ein weitere Stele, auf der "das Wort" präsentiert wird, sind geradlinige Blöcke aus schlesischem Sandstein. Zum Leben bringt sie wie das runde Taufbecken vor dem Chorraum und die Stelen für Tabernakel und Osterkerze die feine Lineatur, die Ackermann mit der Hand in den Stein gezogen hat, eine ewig fließende, beruhigende Wellenbewegung.

Das kleine Kruzifix bietet mit einem ebenfalls sehr zurückhaltenden, abstrahierten Corpus einen Fixpunkt für den stillen Betrachter außerhalb des Gottesdienstes.

Die Symmetrie zentriert sich an der Rückwand in einem schlichten, aber hinter den sieben Kerzen leuchtenden Goldband. Womöglich wirken jetzt sogar - warten wir auf die Sonne - die übermächtigen bunten Fenster gar nicht mehr so widersinnig drückend.

Ja, diese Weite und Freiheit und Offenheit für das Andere, die muss man "lernen". Wer sich bisher ausschließlich an konkreten Bildern festgehalten hat, wird ein bisschen brauchen, bis er spürt, dass dieser kunstvolle Raum ihn sehr wohl bewahrt, erst dorthin bringt, wohin wir in Religiosität und Ritus aufbrechen wollen.

Auf dem Goldband hinter dem Altar steht ganz bewusst der Augustin-Satz: "Du hast meine Fesseln gesprengt". Das stimmt für die Entwicklung dieses Bauwerkes im Zentrum Coburgs. Er ist auch programmatisch gemeint für die Zukunft des christlichen Lebens an diesem Ort.

Bausünden beseitigt

Hintergrund
Die 1860 eingeweihte Pfarrkirche St. Augustin wurde von 2014 bis 2016 generalsaniert und am 13. März wiedereröffnet. Anliegen war es neben der rein baulichen Restaurierung die dem Zeitgeist der 60er Jahre geschuldeten Gestaltungsfehler, regelrechte Bausünden, zu revidieren. Für Planung und Ausführung zeichnet das Tirschenreuther Architekturbüro Brückner und Brückner verantwortlich, hier vor allem der Architekt Thorsten Will. Die künstlerische Ausgestaltung oblag dem Eichstätter Bildhauer Rudolf Ackermann. Der mit insgesamt 5,3 Millionen Euro veranschlagte Kostenrahmen wurde eingehalten.

Infomaterial An Pfingsten kommt eine Festschrift zur Generalsanierung heraus. Auch soll es einen schriftlichen "spirituellen Führer" geben, der das Gestaltungskonzept im einzelnen erklärt.