HSC gegen THW Kiel: Tolles Handballfest in Coburg
Autor: Ralph Bilek
Coburg, Mittwoch, 28. Oktober 2015
Trotz der 23:27-Niederlage gegen das Spitzenteam vom THW Kiel kamen mehr als 3500 Zuschauer in der ausverkauften HUK-Arena am Mittwochabend voll auf ihre Kosten.
Knapp 90 Minuten vor dem Anwurf, kurz vor dem Einlass der ersten Fans, die schon zu Hunderten vor den Türen warteten, drehte ein einzelner Mann eine Runde auf dem Spielfeld der HUK-Coburg Arena. Aus dem Kabinengang kommend nach rechts und dann mehr oder weniger der Außenlinie entlang. Sonnenbrille auf den Kopf gesteckt, locker, gut gelaunt, irgendwie nachdenklich, konzentriert und völlig entspannt - Alfred Gislason.
Eigentlich wäre der Rundgang gar nicht nötig gewesen, denn der hatte vor knapp drei Monaten die Halle ja bereits bei einem Freundschaftsspiel kennen gelernt. Groß aufregen brauchte er sich auch in der Partie nicht. Lediglich in den ersten 15 Minuten und in der Schlussphase. Coburg blieb auf Tuchfühlung führte sogar mehrmals, doch am Ende setzte sich die Effektivität des Bundesliga-Siebten durch, der zum ungefährdeten 27:23 (16:9)-Sieg kam.
Mit zwei verwandelten Strafwürfen ging es in die Partei. Ungewöhnlich war auf dem Weg zum 1:2 dann der Ballverlust des THW, was Florian Billek zur erneuten HSC-Führung nutzte. Auch nächste Spielzug der Coburger war sehenswert und brachte Sebastian Kirchner in eine freie Wurfposition, die sich der Linksaußen nicht entgehen ließ. Erst nach achteinhalb Minuten bracht ein vorausgegangener Fehlpass von Kirveliavicius den Favoriten per Konter erstmals in Führung.
Doch die HSCler legten wenig später selbst noch einmal zum 6:5 vor, hatten aber immer wieder Probleme mit der offensiven Kieler Abwehr und der Tatsache, dass man mit einem "falschen" Halbspieler auf der rechten Rückraumposition spielen musste. Doch Rechtshänder Till Riehn machte seine Sache gut.
Es dauerte 28 Minuten bis Oliver Krechel den ersten Ball zu fassen bekam. Genau das machte den Unterschied aus - sechs Prozent gehaltener Bälle standen für den HSC zu Buche, 40 für Kiel, die Wurfquote hatte dadurch ein Verhältnis von 43 zu 70. Da wäre mehr möglich gewesen - doch Kiel war an Effizienz nicht zu toppen. Da konnte man es sich sogar leisten, den Franken auf Kieler Seite Steffen Weinhold, in Fürth geboren, lange auf der Bank zu lassen.
Kirchner war es, der zum 11:16 (35.) Katsigiannis mit einem geschickten Heber überwand. Das trotz Behinderung von Christian Sprenger, der dafür sogar eine Zeitstrafe kassierte. Überhaupt gehörte auch der Beginn des zweiten Durchgangs den Coburgern, die sogar die Möglichkeit hatten auf vier Tore heranzukommen und in Unterzahl einen bemerkenswerten Spielzug zeigten. Doch bis zur 45. Minute (15:22) bekam auch Oliver Krechel deutlich mehr Bälle zu fassen als vor der Pause und Gislason wirkte nun doch etwas unruhiger. Denn weiter absetzen konnte sich sein Team nicht, nutzte aber Fehler des HSC eiskalt aus.
Doch recht zufrieden war der Kieler Trainer auch nach 54 Minuten nicht, nahm eine Auszeit, denn bis dato lag sein Team in Halbzeit Zwei sogar einen Treffer in Rückstand. Am Ende war der Erfolg des THW Kiel ungefährdet und der deutsche Rekordmeister folgte sechs Erstligisten (Göppingen, Rhein-Neckar Löwen, Melsungen, Magdeburg, Flensburg, und Bergischer HC) ins Viertelfinale. Alleine Zweitliga-Spitzenreiter TSV GWD Minden brach mit einem 28:22-Sieg im ligainternen Duell beim ersatzgeschwächten EHV Aue in die Phalanx der Erstligisten ein.
Doch alles in allem hatte auch der HSC ein begeisterndes Spiel gezeigt und viele Nadelstiche gegen einen übermächtigen Gegner gesetzt.
HSC 2000 Coburg gegen THW Kiel 23:27 (9:16) HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek, Oliver Krechel; Lukas Wucherpfennig (2), Nicola Franke, Dominic Kelm (1), Matthias Gerlich (7/5), Sebastian Kirchner (3), Jiri Vitek, Tomas Riha, Steffen Coßbau, Florian Billek (3), Till Riehn (3), Adnan Harmandic (1), Romas Kirveliavicius (3). - Trainer: Jan Gorr.
THW Kiel: Nikolas Katsigiannis, Niklas Landin; Domagoj Duvnjak (2), Rene Toft Hansen (1), Erlend Mamelund (1), Christian Sprenger (4), Steffen Weinhold (4), Niclas Ekberg, Igor Anic (2), Christian Dissinger, Joan Canellas (6/5), Rune Dahmke (1), Alexander Williams, Marko Vujin (4), Dragos Oprea (2). - Trainer: Alfred Gislason.
SR: Thomas Hörath / Timo Hofmann (beide Bamberg)
Zuschauer: 3520.
Strafminuten: 2 (Riha) - 8 (Toft Hansen, Mamelund 4, Sprenger).
Siebenmeter: 5/6 - 4/4.
Der Kommentar
von Christoph Böger
"Scheißegal"
"Das Spiel gegen Kiel ist so was von scheißegal!" Kleine Kinder und Besoffene sagen bekanntlich oft die Wahrheit - manchmal aber auch enttäuschte Handballer. Erst recht, wenn sie so wütend sind wie Florian Billek nach der Friesenheim-Pleite am Sonntagabend.
Der flinke Rechtsaußen wählte einfache Vokabeln, für die er sich im nächsten Atemzug gar nicht hätte entschuldigen müssen. Mit seinem derben Tacheles-Spruch brachte er nur das auf den Punkt, was vielen seiner Mitstreiter im Vorfeld des Pokalkrachers durch den Kopf ging.
Das ungleiche Duell gegen den Deutschen Meister war für die "Gelben" nämlich alles andere als eine günstige Gelegenheit, um sich zu rehabilitieren oder gar verärgerte Fans zu versöhnen. Dafür ist Kiel schlichtweg eine Nummer zu groß.
Dennoch zeigten Billek und seine Kollegen in der Partie gegen den Champions-League-Teilnehmer eine äußerst engagierte Leistung. Bis zur 12. Minute lagen sie sogar 6:5 in Führung. Die zweite Halbzeit gewann der HSC mit drei Toren (14:11)! Von wegen "scheißegal" - der HSC begeisterte. Der Schulterschluss mit den Fans gelang eindrucksvoll.
Das Spiel war aber nicht nur ein ganz besonderes Schmankerl für alle Handballfreunde in der Region, sondern vor allem auch ein Kassenschlager für den HSC. 18 Euro kostete ein reguläres Ticket - offiziell kamen 3520 Zuschauer.
Aus sportlicher Sicht bleibt zu hoffen, dass diese intensive Einheit nicht zu viel Kraft gekostet hat und keine weiteren Verletzten zu beklagen sind. Denn Kiel war gestern - Hamm ist übermorgen.
Manager Wolfgang Heyder und Trainer Jan Gorr müssen jetzt schnellstens das Pokalfieber senken und ihre Truppe wieder heiß auf Meisterschaftspunkte machen. Denn bei einer Niederlage am Samstag - es wäre die vierte in Folge in der Liga - droht der Mannschaft das Abrutschen ins Niemandsland. Und das kann den Spielern dann sicher nicht mehr "scheißegal" sein.