Auch am Gedenkstein, der an die Angehörigen der Flüchtlinge erinnert, die in der Heimat gestorben sind, steht eine frisch gepflanzte Schale. In Scheuerfeld wurden nach dem Krieg viele Flüchtlinge und Vertriebene aufgenommen, die mittlerweile auch eigene Gräber haben.
"Es gibt immer weniger Einzel- und Familiengräber", erklärt der Pfarrer. Das Urnenfeld ist mittlerweile der beliebteste Platz. Das bestätigt auch Bestatter Roland Schneider. "Im ganzen Landkreis ist das der Trend." Die Menschen wollen ihren Angehörigen keine Arbeit machen, wollen ihre Sachen vorher schon geregelt wissen, sagt der Seelsorger. Immer mehr suchen sich ihren Ort schon vorher aus. "Am liebsten würden sie auch gleich alles bezahlen." Die Kinder sind weit weg oder haben keinen Sinn oder keine Zeit mehr für die Grabpflege. So sei das eben. Deshalb würden auch Baumbestattungen immer beliebter. In Scheuerfeld hat man deshalb einen angrenzenden Streifen Land gekauft, wo das möglich gemacht werden soll.
Hund und Herrchen
Braune-Bezold, der im Februar ausscheidet, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er hätte es gern, wenn auf dem Friedhof in Scheuerfeld auch Tiere mit beerdigt werden könnten. "Hunde und Katzen sind oft echte Familienmitglieder." Anders als in früheren Zeiten sei die Bindung viel enger und wichtiger. Deshalb wäre es doch auch schön, wenn der Hund neben dem Herrchen liegen könnte. Vor Jahren sei er mit diesem Vorschlag im Kirchenvorstand kläglich gescheitert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Pfarrer Braune-Bezold: "Es hat ein Umdenken stattgefunden."
Gedanken von Christiane Lehmann
Der letzte Platz hat seine Tücken
Kein Jahr ohne Tod. Irgendwie begegnet er uns immer. Wer oder was wird nächstes Jahr nicht mehr sein: Die Oma? Der Hund? Die Nachbarin? Der alte Schulfreund? Das Sterben und die Trauer sind viel gegenwärtiger als wir glauben.
Wenn dann noch die Mitteilung ins Haus flattert, dass das Familiengrab jetzt aufgelöst oder für die nächsten 30 Jahre verlängert werden kann, werden Erinnerungen wach und Zukunftsfragen gestellt.
Ein Grab weniger bedeutet eine Aufgabe weniger. Hegen und pflegen kostet Zeit und Geld. Auf einem Dorffriedhof steht man unter Beobachtung. Es geht also um mehr. Es geht auch ums Ansehen.
Ein Grab weniger heißt aber, dass der Ort, an dem du dich getröstet hast, an dem du das Gespräch mit deinen Verstorbenen gesucht hast, an dem du dich erinnert und getrauert hast, nicht mehr da ist.
Und was wird aus dem Grabstein? Schließlich stehen da all die vertrauten Namen drauf... Zu schade für den Container, aber auch ganz schön schwer für den Abtransport in den eigenen Garten.
30 Jahre Grabpflege kann für die Angehörigen eine Bürde sein. Früher hat man sich da weniger Gedanken gemacht. Da war es einfach so! Schließlich waren ja die Kinder und Kindeskinder auch in der Nähe.
Das hat sich verändert. Die Globalisierung jagt die Menschen um den Erdball. Immer mehr Senioren sterben allein und einsam. Kein Wunder also, dass Urnenplatten auf der grünen Wiese so beliebt sind. Keine Pflege - keine Verantwortung.
Und doch ist da eine Sehnsucht in den Menschen, die durch die Veränderungen in dieser Welt immer stärker wird: Die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Gemeinschaft und einer Heimat. Wo Menschen dies nicht mehr geben können, kommt Hund und Katz ins Spiel. Früher dienten sie als Haus- und Hofwächter , Mäuse- und Rattenfänger, heute sind sie echte Gefährten, Familienmitglieder und Partnerersatz. Mit treuen Seelen und bedingungsloser Liebe. Provokante Zungen könnten von einem Rollentausch sprechen: Der Mensch funktioniert, das Tier "empathisiert". Warum sollte also das Frauchen nicht neben ihrem Kater begraben werden? Warum darf der Hund nicht mit ins Familiengrab?