Rundgang durch die Tristesse

2 Min
Aus der Finsternis der einstigen Kegelbahn im Felsenkeller der "Jägersruh" tauchen die Reste der Aufstellmaschine für die Kegel im Schein der Lampe auf. Foto: Christoph Winter
Aus der Finsternis der einstigen Kegelbahn im Felsenkeller der "Jägersruh" tauchen die Reste der Aufstellmaschine für die Kegel im Schein der Lampe auf. Foto: Christoph Winter
Das "Jägersruh"-Schützenhaus in der Sonneberger Straße präsentiert sich immer noch als imposantes Gebäude, auch wenn der Verfall immer deutlicher wird. Foto: Christoph Winter
Das "Jägersruh"-Schützenhaus in der Sonneberger Straße präsentiert sich immer noch als imposantes Gebäude, auch wenn der Verfall immer deutlicher wird. Foto: Christoph Winter
 
Abstellkammer: Der Saal in der "Jägersruh" lässt den Glanz und die Aura früherer Tage noch ein wenig erahnen. Foto: Christoph Winter
Abstellkammer: Der Saal in der "Jägersruh" lässt den Glanz und die Aura früherer Tage noch ein wenig erahnen.  Foto: Christoph Winter
 

Das Lokal und Schützenhaus in der Sonneberger Straße in Neustadt dämmert seit 2009 vor sich hin.

Der scharfe Lichtstrahl der Taschenlampe verliert sich nach wenigen Metern in der Dunkelheit. Nur schemenhaft lässt sich ein Gewirr von irgendetwas am Ende des Tunnels erahnen, über das der Lampenschein irrlichtert. Nach etwa einem Dutzend vorsichtig und tastend gegangenen Metern taucht ein Gewirr von Seilen, Metallteilen und Holzstücken auf.

Es ist feuchtkalt, die Luft abgestanden und muffig, unter den Schuhsohlen knirscht Putz. "Vor jeder Manipulation am Automat ist der Hauptschalter des Elektrokastens auszuschalten. Für Unfälle haftet der Wirt nicht." Das ist auf einem roten Warnschild zu lesen. Es sind die Reste der Kegelbahn im Felsenkeller der "Jägersruh". Holzkegel stecken in den verrosteten Metallhalterungen, Seile der Aufstellmaschine sind entzwei.

Stille - schon seit zwölf Jahren

Vor zwölf Jahren, im Sommer 2009, endete in der Sonneberger Straße ein Kapitel Neustadter Gaststätten-Tradition. Damals schloss das Schützenhaus "Jägersruh". Seit dieser Zeit steht das prägnante Gebäude leer. Verwaist sind die Gastzimmer, die Neben- und Vorratsräume. Im großen Saal, der immer noch die Pracht und den Glanz vergangener Zeiten verströmt, lagern Bettgestelle, Werkzeuge und Baumaterialien sowie eine Schultafel. Ein Bratwurstrost mit Asche und Holzresten, Fahrräder sowie Tische und Stühle überdauern die Tage. Überhaupt Stühle: Auf der Empore des Saals, vor der Bühne, in den Räumen daneben und im hinteren Teil des Saales stapeln sich die Sitzmöbel. Darauf saßen einst die Gäste von Abitur- und Faschingsbällen, Hochzeits- und Geburtstagsgäste, Konzertbesucher und die Teilnehmer von Schützen-Festtafeln.

Im schmalen Gang hinter der Bühne ein Flügel. Dem Instrument fehlen die Beine, und der schwarze Resonanzkörper ist kurzerhand hochkant an die Wand gelehnt worden. Der rote Vorhang vor den "Brettern, die die Welt bedeuten" sollen, ist schon lange nicht mehr bewegt worden. Der Mechanismus mit dem Seilzug und der Handkurbel funktioniert nicht.

Ein Trauerflor, ein letzter Gruß

Von der Empore des Saals führt der Weg ins das Zimmer der Jägersruh-Schützen. Ein Trauerflor wurde außen an die Türe gehängt, ein letzter Gruß. Drinnen noch Überbleibsel des Auszugs: eine Gedächtnis-Schützenscheibe, ein Teil einer Königsscheibe, Bürostuhl und PC-Tastatur, Putzmittel und ein Feuerlöscher.

Tristesse an den Wänden. Die hellen Flecken verraten, wo einst Schützenscheiben hingen. Auf dem Ofen in der Ecke ein leerer Topf. Ausgeräumt auch der niedrige Schießstand direkt unter dem Dach. Ein schmale und steile Treppe führt dort hinauf.

Vergessen im Durchgang zum Treppenhaus

Auf der Theke in der Gaststätte finden sich noch Rechnungen über die Reinigung der Bierleitung und das Betriebsbuch. Die Speisekarten sind leer, so wie Kühltheke und Gläserschränke. Pakete mit Dämmplatten versperren den Weg. Bröselnder Putz und zwei Kühltruhen bestimmen das Bild der sonst leeren Küche. Einige ovale Spiegel stapeln sich, während der Sicherungskasten offen und funktionslos an der Wand hängt. Eine einsame Kugel aus der Kegelbahn hat sich verirrt und liegt vergessen im Durchgang zum Treppenhaus.

In der Wohnung im zweiten Stockwerk vermögen auch die knalligen Farben an den Wänden nicht über den Zustand des Gebäudes hinwegzutrösten. Die gelbe Tapete mit den grünen Streifen in einem Raum hängt herunter, froschgrüne Wände mit Kreisen erinnern an früheren Wohngeschmack. An einigen Stellen hat Feuchtigkeit den Deckenputz herabfallen lassen, Risse und Schäden am Mauerwerk sind sind nicht zu übersehen.

Sanierung, schleichender Verfall oder Abriss: Die Zukunft der "Jägersruh" bleibt ungewiss.