Regisseur Michael Götz mit Kohlhaas zurück am Landestheater

4 Min
Michael Götz inszeniert wieder in Coburg. Foto: Jochen Berger
Michael Götz inszeniert wieder in Coburg.  Foto: Jochen Berger

Als Gast kehrt der junge Regisseur Michael Götz ans Landestheater Coburg zurück. Im Gepäck: Die Geschichte eines radikalen Kämpfers für Gerechtigkeit - die Novelle "Michael Kohlhaas" von Heinrich von Kleist.

"Einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Männer seiner Zeit" - so stellt Kleist den Titelhelden seiner Novelle "Michael Kohlhaas" vor. Jetzt kommt dieser Kohlhaas auf die Bühne der Coburger Reithalle. Wie aus einem Prosatext ein Schauspiel wird, verrät Gastregisseur Michael Götz, der bis Ende der vergangenen Saison fest am Landes theater engagiert war und nun freischaffend arbeitet.

Wie macht man aus einer umfangreichen Erzählung mit zahlreichen Personen ein Kammerspiel für die Reithalle?
Das ist super schwierig. Ich habe seit Sommer intensiv an der Textfassung gearbeitet, während ich parallel dazu "Tom Sawyer" für Wiesbaden bearbeitet habe. Die "Kohlhaas"-Fassung habe ich dann zwei Wochen vor Probenbeginn fertig gehabt. Das Schwierige dabei ist ja, geschriebenen Text in gesprochenen Text zu verwandeln. Das ist sehr spannend. Wir versuchen, am Ende wirklich sehr viel Kleist auf der Bühne zu haben.
Ich bin mit einer fertigen Textfassung zur Probe gekommen, aber mir war natürlich von vornherein klar, dass wir noch an einigen Stellen Änderungen vornehmen müssen. Manche Darsteller müssen auf offener Bühne von einer Figur in die andere wechseln. In meiner Textfassung gibt es rund eineinhalb Dutzend Personen, aber wir haben insgesamt nur vier Darsteller. Niklaus Scheibli zum Beispiel muss in einer Szene als Luther einen Brief schreiben, den er in der gleichen Szene als Kurfürst entgegennimmt. Das ist wirklich schwierig.

Wie zeitgemäß ist ein Stoff, der im 16. Jahrhundert spielt?
Für mich ist "Kohlhaas" wahnsinnig modern - global modern, nicht nur für Deutschland modern. Natürlich ist "Kohlhaas" zunächst eine sehr deutsche Geschichte. Aber wenn man sich die aktuellen Debatten über Gerechtigkeit in aller Welt betrachtet, wenn man an den arabischen Frühling denkt, wenn man das sieht, was gerade in der Ukraine passiert, dann merkt man, wie aktuell dieser Stoff ist - auch wenn Michael Kohlhaas zunächst eigentlich privat handelt. Letztlich geht es darum, dass Recht und Gerechtigkeit oft nichts miteinander zu tun haben.

Wie sehen Sie die Titelfigur?
Am Anfang geht man total mit ihm mit, aber wenn er dann in der sechsten Szene Kinder aus dem Fenster schmeißen lässt, sage ich "Stopp!" Es gibt einen Strudel, wenn man das System verlässt. Zunächst versucht Kohlhaas ja, eine Klage einzureichen. Als das aber scheitert und die ersten Menschen ums Leben kommen, kippt die Geschichte. In der Literatur über "Kohlhaas" gibt es Stimmen, die sagen, dass das im Grunde ein autobiografisches Werk ist. Ist Michael Kohlhaas nicht jemand, der seinen Tod bewusst in Kauf nimmt, um sein Recht zu kriegen?

Wie fühlt es sich an, den gleichen Vornamen zu tragen wie die Titelfigur?
Das ist witzig, dass diese Frage kommt. Ich hatte jedenfalls noch nie vorher bei einer Inszenierung die Situation, dass eine Bühnenfigur wie ich Michael heißt. Es gibt ja eine historische Figur, den Hans Kohlhase. Und es ist sicher kein Zufall, dass Kleist daraus einen Michael gemacht hat. Schließlich bedeutet der Name im Hebräischen "Wer ist wie Gott?" und Kohlhaas sieht sich als Statthalter des Erzengels Michael.

Bei Kleist spielt die Geschichte im 16. Jahrhundert. Wann und wo spielt Sie bei Ihnen?
Wir spielen den "Kohlhaas" nicht historisch. Ich hasse es ja eigentlich, wenn man sagt, "zeitlos", aber im Grunde ist es so. Das liegt ein wenig in der Natur der Sache. Wenn man eineinhalb Dutzend Figuren, aber nur vier Darsteller hat, wird ansonsten ganz schnell ein Kinderfasching daraus, wenn man dann noch dauernd beispielsweise die Kopfbedeckungen wechseln muss.

Und was bietet die Ausstattung für "Michael Kohlhaas" ?
Es gibt nur vier Kisten - das ist alles.

Wie sehen die Pläne für weitere Gastinszenierungen in Coburg aus?
Da ist noch gar nichts besprochen. Das müssen wir sehen. Immerhin ist der "Kohlhaas" ja schon meine siebte Inszenierung in Coburg.

Wie fühlt es sich an, als Gast ans Landestheater Coburg zurück zu kehren?
Eigentlich gar nicht viel anders - ich bin ja noch nicht lange weg vom Landestheater und wohne im Moment auch noch in Coburg.

Wie stellt sich das Leben als freischaffender Regisseur dar?
Man sagt ja immer: Der Schritt vom Assistenten zum Regisseur ist der schwierigste Schritt - schwieriger noch als der Schritt von der Ausbildung zum Assistenten. Es gibt in diesem Metier keine Gesetzmäßigkeiten, wie man an Jobs kommt. Daran muss man sich natürlich gewöhnen. Aber für mich war es auf jeden Fall richtig, diesen Schritt zu machen. Noch länger Assistent zu bleiben, wäre wirklich nicht gegangen. Natürlich merke ich, wie schwer es ist. Aber zum Glück sagt mir aus meiner Familie niemand: "Hättest Du was Gescheites gelernt."

In ihrer letzten Saison am Landestheater waren Sie Assistent bei der Inszenierung von Mozarts "Don Giovanni". Würden Sie irgendwann einmal gerne eine Oper inszenieren?
Das würde ich natürlich gerne machen. Ich bin auch sehr froh, dass ich bei "Don Giovanni" assistieren konnte. Aber wenn ich eine Oper inszenieren würde, bräuchte ich am Anfang sicher jemanden an meiner Seite - zum Beispiel einen Generalmusikdirektor, der sich viel Zeit nimmt.

Was ist das Positive am Leben als freier Regisseur?
Ich merke, man hat mehr Zeit, in die Hintergründe eines Stückes einzusteigen. Ich habe endlich auch mehr Zeit, ins Theater zu gehen, Stücke zu lesen.

In Ihren Inszenierungen hat die Musik bislang meist eine sehr wichtige Rolle gespielt. Wie sieht das bei Ihrer Version des "Kohlhaas" aus?
Es gibt Musik des Elektro-Cellisten Wolfram Huschke - Musik, die ich eigentlich schon länger einmal benutzen wollte, bislang aber doch noch nicht in meine Inszenierungen eingebaut habe. Bei "Kohlhaas" passt es jetzt - wir müssen nur noch die richtigen Stellen finden, an denen ich sie einfügen kann.

Das Gespräch führte Jochen Berger.

Premieren-Tipp Kleist "Michael Kohlhaas" - Freitag, 10. Januar, 20 Uhr, Theater in der Reithalle; weitere Aufführungen im Januar: 12., 15., 16., 20 Uhr

Produktionsteam Inszenierung: Michael Götz; Bühnenbild und Kostüme: Michael Frommwieser

Darsteller Nils Liebscher (Michael Kohlhaas), Eva-Marianne Berger, Niklaus Scheibli, Butz Buse

Michael Kohlhaas erschien als Fragment erstmals in Kleists Literaturzeitschrift "Phöbus" im Juni 1808. Die erste Buchausgabe folgte im Jahr 1810.

Darum geht's Die Geschichte basiert auf einer realen Vorlage, spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts und erzählt vom Pferdehändler Michael Kohlhaas, dem ein Unrecht zugefügt wird. Nachdem seine Versuche scheitern, vor Gericht zu seinem Recht zu kommen, greift er zur Selbstjustiz und verübt dabei Straftaten.

Michael Götz, 1982 in Würzburg geboren, studierte an der Akademie der Darstellenden Kunst in Ulm. Als Regieassistent war er zwei Jahre am Staatstheater Wiesbaden und am Berliner Ensemble engagiert, wo er Altmeistern wie Robert Wilson und Claus Peymann das Probenbuch geführt hat. Von 2010 bis zum Sommer 2013 war er als Regieassistent am Landestheater Coburg engagiert, wo er nicht nur gemeinsam mit Georg Mellert die Reihe "Freistaat Coburg" ins Leben rief, sondern zudem mehrfach erfolgreich Regie führte. Seit Sommer 2013 arbeitet Götz als freiberuflicher Regisseur.