Privat geht's bei Coburger Ärzten wirklich schneller

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Wie lange muss ein Patient auf einen Termin warten? Welche Rolle spielt es dabei, privat oder gesetzlich versichert zu sein? Fünf Coburger Facharztpraxen unter der Lupe - die Ergebnisse machen den Unterschied deutlich. Doch die Ärzte widersprechen dem Vorwurf einer Ungleichbehandlung.

Brechdurchfall! Neu in der Stadt. Ich muss zum Arzt. Bin ich Privatpatient, habe ich Glück und kann gleich vorbeikommen. Bin ich gesetzlich versichert, bekomme ich keinen Termin. Der ausgewählte Hausarzt nimmt angeblich keine neue Patienten mehr. Diese Erfahrung mussten unsere beiden Test-Patienten machen, die bei fünf Coburger Facharztpraxen angerufen haben, um einen Termin zu bekommen. Ist der Kassenpatient wirklich ein Patient zweiter Klasse?


Zwei Lockvögel

Moritz Knoch (Redaktionspraktikant Moritz Brückner), 24 Jahre alt, Student, privat versichert, gab sich überall als Neubürger aus, der bisher noch keinen Hausarzt hier hat. Yvonne Meusel (Redaktionssekretärin Nicole Schaffer), 36 Jahre alt, wohnhaft in Rödental und gesetzlich versichert, erläuterte am Telefon ihre unterschiedlichen Krankheitsbilder.

Anschließend konfrontierten wir die Ärzte mit den Ergebnissen, die in jedem Fall zugunsten der Privatpatienten ausfielen. Die Reaktionen reichten von: "Das entspricht nicht unserem Geschäftsgebaren bis hin zu "Ich kann mir das nicht erklären".

Hier nun der Test im Detail.


Beim Augenarzt

Aufgewacht mit einem Schleier vor dem rechten Auge und getrübtem Blick, gaben sich Moritz Knoch und Yvonne Meusel am Telefon der Augenarztpraxis sehr beunruhigt und baten um einen Termin. Sie waren sich auch nicht sicher, ob sie Auto fahren könnten.

Moritz hätte ohne Termin sofort in die Notfallsprechstunde kommen können, wie ihm die Sprechstundenhilfe vorschlug. Yvonne dagegen muss fünf Tage auf einen Termin warten.

Im anschließenden Gespräch konnte sich der Augenarzt das gar nicht vorstellen. "Wir sind völlig eindeutig organisiert. Das entspricht nicht unseren Geschäftsgebaren", sagte er gegenüber dem Tageblatt. Schon an der Anmeldung würden die Symptome aufgeführt, die in einer Notfallsprechstunde behandelt werden.



Beim Orthopäden

Auf täglich zehn bis 20 Notfallbehandlungen (ohne Termin) verweist auch der Orthopäde, der dem Privatpatienten sofort einen Termin gegeben hat. Er erläutert, warum: "Wir haben zu unserer Praxis noch eine Privatpraxis, in der wir Termine frei haben."

Gesetzlich Versicherte warten in der Regel etwa eine Woche auf einen Termin. Unsere beiden Pseudo-Patienten hatten sich mit Knieschmerzen gemeldet.


Beim Allgemeinarzt

Mit den seit zwei Tagen anhaltenden Magen-Darm-Beschwerden wird Kassenpatientin Yvonne von Allgemeinarzt an einen Internisten verwiesen. Dessen Telefonnummer bekommt sie gleich dazu.

Die eigene Patientenkartei sei voll, heißt es, es werden keine Termine an Neupatienten vergeben. Es spielt keine Rolle, dass sie bereits seit zwei Tagen kaum noch was in sich behält.

Bei Moritz reagiert die Frau am Telefon anders: Wenn's wirklich akut sei, solle er sofort vorbeikommen - ansonsten könnte sie ihm noch am gleichen Tag zwei Termine anbieten.

Der Allgemeinmediziner zeigt sich überrascht. Generell habe seine Praxis Aufnahmestopp. "Wenn ein Hausarzt nach dem anderen schließt, können wir das nicht auffangen", erläutert er sein Problem.

Er betont, es gebe keinerlei Anweisungen, Privatpatienten zu bevorzugen. Alle werden gleich behandelt, und darauf lege er auch großen Wert. Kurzum: Er könne es sich nicht erklären. Wir sollten doch lieber mal darüber berichten, was die Krankenkassen im Quartal für eine Arztbehandlung bezahlen.


Beim Neurologen

Fünf Tage Wartezeit stehen sieben Wochen gegenüber. Beim Neurologen gaben unsere beiden "Lockvögel" Schmerzen und Taubheitsgefühle in den Extremitäten an.

Moritz sagte bei der Terminanfrage sofort, dass er Privatpatient ist, bei Yvonne war das kein Thema. Der Termin am 5. November, den man ihr angeboten hat, wurde "reingeschoben", weil der Fall akut sei. Ansonsten hätte sie noch länger darauf warten müssen. Moritz dagegen kann am 21. September vorbei kommen.

"Ein Problem der Politik, das auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird", gibt der betroffene Neurologe zu. Es sei Ende des Monats. Da könne es schon mal vorkommen, das ein Patient ins nächste Quartal geschoben wird. Wer da noch neue Patienten aufnehme, werde womöglich regresspflichtig, erzählt der Neurologe. Er verweist auf den Fachärzteverband, der dieser Problematik gerne aufgreife.

Der Arzt macht aber auch deutlich, dass es sich bei den Fällen von Moritz und Yvonne nicht um Notfälle gehandelt habe. Die würden selbstverständlich immer und sofort behandelt. Sowohl das Krankheitsbild spiele bei der Terminvergabe eine Rolle als auch, wer anrufe. Sollte der Hausarzt den Termin vermitteln, sind die Erfolgsaussichten auf jeden Fall besser, sagt der Neurologe.


Beim Hautarzt

Ein roter juckender Hautausschlag am Hals beziehungsweise im Gesicht ist der Grund für den Anruf in der Hautarztpraxis. Die Kassenpatientin Yvonne legt nach ein paar Minuten wütend den Hörer auf: Sie hat keinen Termin bekommen. Bis Dezember sei alles voll. Sie solle doch einen Kollegen ausprobieren.

Moritz wird explizit danach gefragt, wie er versichert sei. Der Privatpatient bekommt mit seinem juckenden Hautausschlag schließlich einen Termin für 28. Oktober - mit dem Hinweis, die Praxis sei sehr ausgeplant.

Eine Nachfrage beim Hautarzt scheitert an der Erreichbarkeit. 20 Versuche enden in der musikalischen Warteschleife.

Wie komme ich zum Termin?

Über die Krankenkasse
Einen Termin beim Facharzt zu ergattern ist für viele Patienten eine lästige und unerfreuliche Angelegenheit. Manche Krankenkassen bieten ihren Mitgliedern einen Terminservice an. "Einen Arzttermin vereinbaren? Wir erledigen das für Sie!" So wirbt etwa die TKK auf ihrer Website. Wie gut sind diese Service-Versprechen? Dieser Frage ist die Stiftung Warentest nachgegangen und hat insgesamt 80 Testpatienten bei 16 Krankenkassen, die den Service anbieten, nach Hilfe suchen lassen. Der Stiftung zufolge bieten zwölf der 16 getesteten Krankenkassen auf ihrer Website den Dienst ohne jegliche Einschränkungen an - also ohne Überweisung vom Hausarzt und ohne bereits vorhandenen Termin. Allerdings konnten nur drei dieser Kassen allen fünf Testpatienten einen Termin beim Facharzt vermitteln. Das waren die DAK Gesundheit, die mhplus sowie die Siemens BKK. Die restlichen neun Kassen ließen manche der Testpatienten trotz Versprechen auflaufen und verlangten am Telefon entweder eine Überweisung vom Hausarzt oder einen bereits vorhandenen Termin. So konnten einige Krankenkassen wie etwa die Deutsche BKK oder die Novitas BKK sowie die TKK oder die IKK Südwest nicht allen fünf Tespatienten einen Facharzttermin vermitteln. Dennoch fällt das Fazit der Prüfer insgesamt positiv aus. In 42 von 60 Fällen kam die Vermittlung eines Termins beim Facharzt zustande.

Hausarztvertrag (HzV) Der Hausarzt als erster Ansprechpartner hilft dem Patienten mit seinen allgemeinärztlichen Möglichkeiten und kümmert sich darüber hinaus in einer Art "Lotsen"-Rolle im Dschungel der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten für den Patienten den geeignetsten Facharzt zu finden.
Die Krankenkassen versprechen sich durch diese gezielten, da ärztlich entschiedenen Überweisungen, Kosteneinsparungen durch Einsparung von Ressourcen, wie auch vermeidbare Mehrfachuntersuchungen. Diese Einsparungen haben die privaten Versicherungsunternehmer längst evaluiert: Die Versicherungsprämie der Hausarztvariante einer Privatversicherung ist deutlich günstiger. HzV-Verträge sind eine politisch gewollte Voraussetzung für eine Aufwertung des Hausarztberufes durch eine systematische Stärkung und Sicherstellung der wohnortnahen hausärztlichen Versorgungsstrukturen - gerade für die vielen älteren Patienten.

Kassenärztliche Vereinigung Zuständig für die Terminvermittlung sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sein. Der Internist Peter Schmied ist der regionale Vorstandsbeauftragte der KV in Oberfranken. Sein Urteil: "Hier sollte man stark differenzieren. Ich bin mir sicher, dass Notfälle immer rasch behandelt werden. Doch ich sehe auch das Problem, dass Patienten nicht immer angemessen reagieren."
Seiner Meinung nach seien deren Ansprüche oft zu hoch. "Viele erwarten Termine nach nur wenigen Tagen. Doch das ist nicht machbar", fügt Schmied an. Er sieht in den kommenden Jahren sogar eine Verschärfung auf die Region Oberfranken zukommen. "Vor allem rund um Kronach, Hof oder im Hinterland von Coburg wird die Versorgung mit Fachärzten schwieriger", ergänzt Schmied. Die Lage in und um Bamberg dagegen beurteilt er besser: "Die Stadt befindet sich weiter im Wachstum und damit siedeln sich auch genügend Mediziner an." Sollten aber Patienten das Gefühl haben, zu lange auf einen Arzttermin warten zu müssen, rät Schmied, die Kassenärztliche Vereinigung zu kontaktieren: "Wir haben bei der KV Oberfranken auch eine Beschwerdestelle, die solchen Hinweisen auf den Grund geht."
Denn eines ist klar: Verhältnisse wie in Italien, wo Menschen bis zu sechs Monate auf Termine warten müssen, will niemand haben. Denn gute Medizin ist schließlich auch das beste Argument für Städte und Landkreise. Geht die verloren, dann verlassen auch die Bürger die Region. ct