Plötzlich kam "Mambo" mit einer Axt...

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Jürgen W. Heike weiß noch genau, wo er der Axt des Angreifers auswich. Zwischen Außenlinie und Strafraum trieb ein "falscher Neuner" 1985 sein Unwesen. Was anfangs harmlos begann, endete später fast in einer Tragödie und schließlich vor Gericht. "Mambo" bedrohte den Staatssekretär a. D. und wollte auf ihn einschlagen. Das Neustadter Original musste sich wegen Mordanschlages verantworten. Foto: Christoph Böger
Jürgen W. Heike weiß noch genau, wo er der Axt des Angreifers auswich. Zwischen Außenlinie und Strafraum trieb ein "falscher Neuner" 1985 sein Unwesen. Was anfangs harmlos begann, endete später fast in einer Tragödie und schließlich vor Gericht. "Mambo" bedrohte den Staatssekretär a. D. und wollte auf ihn einschlagen. Das Neustadter Original musste sich wegen Mordanschlages verantworten.  Foto: Christoph Böger
 

Wie der ehemalige Staatssekretär Jürgen W. Heike 1985 auf dem Areal der heutigen Freisportanlage nur knapp einem Mordanschlag entkam.

Tatort war die heutige Freisportanlage. Schon Mitte der achtziger Jahre ein gefährliches Pflaster. Nicht etwa weil die alten Haudegen Fischer und Kirchner von der Leichtathletik-Abteilung mit Speer, Kugel und Hammer um sich warfen, sondern weil an diesem finsteren Novemberabend "Mambo" um das Areal schlich.

"Mambo": So nannten nicht nur die Fußballer den amtsbekannten Neustadter, der mit einem Handwagen unterwegs war und gerne Leute auf der Straße anpöbelte. Mit einer Bierflasche in der Hand und einem - zumindest seiner Meinung nach - niegel-nagel-neuen Trachtenhut auf dem Kopf störte er an diesem Abend beharrlich das Fußballtraining auf dem Ausweichplatz.

"Falscher Neuner" im Strafraum

Immer wieder lief "Mambo" durch den Strafraum. Trainer Emil Kirchner und seine Bezirksliga-Kicker hatten anfangs noch Spaß mit dem "falschen Neuner", bis sich schließlich der damalige Abteilungsleiter und spätere Staatssekretär Jürgen W. Heike einmischte. Er nahm "Mambo" die Bierflasche ab und stellte sie hinters Tor. Dann schubste Heike den "Mittelstürmer" kurzerhand mit einem Rempler ("mein Arm war angelegt"/O-Ton Heike, der zu dieser Zeit auch Fußball-Schiedsrichter war...) aus der Gefahrenzone.

Ein "Foul" mit Folgen! Denn "Mambos" Hut fiel in den Dreck. Wutentbrannt verschwand er mit seinem Handwagen durch die angrenzende Gartenkolonie. Aber nur deshalb, weil er - wie der Angeklagte später vor Gericht aussagte - Angst vor dem "Riesen-Viech" hatte.

Angst vor dem "Riesen-Viech"

"Mambo" schlich sich einige Zeit später erneut an. Nicht einmal das "Riesen-Viech", also Heikes hüfthoher Bobtail namens Wuschel, bemerkte den heimtückischen Angriff auf sein Herrchen. Es war dunkel, längst brannte das Flutlicht. Trotzdem sah der spätere Landtagsabgeordnete (von 1994 bis 2018) im Augenwinkel eine Axt aufblitzen: "Intuitiv bin ich ein Stück zur Seite gesprungen. Er hätte mich getroffen", erinnert sich Jürgen W. Heike noch ganz genau an diesen brisanten Moment. Die Kicker nahmen dem Angreifer schnell die Waffe ab. Und spätestens jetzt war Schluss mit lustig!

Gut eine Stunde später - die Polizei war benachrichtigt und war dem Übeltäter bereits auf der Spur - tauchte "Mambo" ein drittes Mal bei den Fußballern auf. Dieses Mal im Geschäftszimmer des VfL Neustadt: "Er wollte sein Beil zurück. Wir hielten ihn auf und ich alarmierte schnell die Polizei", schildert Heike 35 Jahre danach diese aufregenden Momente.

Mit geklautem Lamm auf dem Rad

"Mambo" wurde verhaftet und musste sich später wegen "Mordversuches" vor Gericht verantworten. Richter Fuchs beließ es bei einer Bewährung, doch der Angeklagte war in dieser Zeit uneinsichtig: Schon kurze Zeit nach seiner Verurteilung klaute er nämlich aus einem Areal beim Obsthändler "Zettl" ein kleines Schaf.

Beim Abtransport mit dem Fahrrad schrie das Lamm jämmerlich, weil ein Huf zwischen die Speichen geriet. Jeglicher Widerstand des Diebes gegen die Polizeibeamten war vergebens. Das "Neustadter Original" wurde erneut verhaftet und musste eine Zeitlang hinter Gitter. Die anschließende Resozialisierung verlief erfolgreich, denn nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis bekam "Mambo" die Kurve.

Heike: "Er verdient meinen allerhöchsten Respekt" Fast hätte es geklappt: 35 Jahre nach der Tat wollte das Tageblatt die beiden Protagonisten von damals wieder zusammenbringen.

Doch in schwierigen Corona-Zeiten scheiterte ein geplantes "Versöhnungsfoto" auf dem Sandplatz der Freisportanlage dann doch. Verständlich, denn sowohl Jürgen W. Heike (71) als auch sein Kontrahent von damals gehören zu der Gruppe der Risiko-Patienten. Der inzwischen 86-Jährige lebt bei seiner Tochter und seinem Schwiegersohn in Lautertal in geordneten Verhältnissen.

Mit 86 glücklich mit den Enkeln

Er genießt seine Zeit mit den Enkelkindern und will nach Angaben seines Schwiegersohnes die Neustadter Vergangenheit ruhen lassen. Er habe seinen inneren Frieden gefunden und diese aufregende Zeit hinter sich gebracht. Dennoch reichten sich die beiden "Streithähne" von 1985 zumindest symbolisch die Hand, denn trotz des Straußes, den sie juristisch miteinander ausgefochten haben, zollt Heike inzwischen große Hochachtung:

Erfolgreiche Resozialisierung

"Er und seine Familie verdienen meinen allerhöchsten Respekt. Hier ist die Resozialisierung voll gelungen."oph

Neue Serie:

Skurrile Storys Emotional ging es schon immer auf Neustadts Fußballplätzen zu. Spontan fallen vor allem unseren älteren Lesern sicher die ruhmreichen Zeiten des VfL Neustadt ein. In den fünfziger und sechziger Jahren lieferten sich die "Löwen" im Stadion an der Sonneberger Straße große Schlachten.

Fast-Nationalspieler Pohl, der "Brüxer" - Wirbelwind auf Linksaußen -, Knoch oder "Atze" Bauer bliesen damals in der 2. Division Topteams aus Deutschland den Marsch. 1955 gastierte sogar der FC Bayern München in Neustadt. Und Weltmeister Fritz Walter war einst Trainer des VfL.

In unserer neuen Serie "Skurrile Sportplatz-Storys" geht es aber nicht nur um die großen sportlichen Triumphe oder Tragödien, die sich auf den Fußballfeldern der Bayerischen Puppenstadt abspielten, sondern viel mehr um außergewöhnliche Ereignisse. Dabei stehen nicht die errungenen Meisterschaften oder Pokal-Sensationen der Kleinen gegen die Großen im Vordergrund, sondern Insider und Betroffene plaudern für das Tageblatt aus dem Nähkästchen.

Den Anfang macht heute Jürgen W. Heike. Der ehemalige Staatssekretär wurde vor fast 35 Jahren auf dem Areal der heutigen Freisportanlage von einem amtbekannten Neustadter angegriffen und mit einer Axt bedroht. Die Tat sorgte damals für viel Wirbel weit über die Grenzen Neustadts hinaus. Inzwischen zollt Heike dem Täter von damals aber Respekt, weil der sein Leben neu ordnete und seit 1998 glücklich mit seiner Familie in Lautertal wohnt.

Freuen Sie sich also unter anderem auch auf einen bei Flutlicht an den Torpfosten gefesselten Vorsitzenden und viele andere skurrile Storys.

c.boeger@infranken.de