Mehr Bio im Tank dank Coburg?

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Foto: dpa
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Oberfranken soll Modellregion der Kraftstoff-Forschung werden. Denn die Verbindung von Kraftstoff- und Motoren-Entwicklung bietet nur Coburg.

Diesel ist billig wie seit Jahren nicht. Schlechte Zeiten für Alternativkraftstoffe? Nein, meint Professor Jürgen Krahl, Geschäftsführer des Technologietransferzentrums Automotive der Hochschule Coburg (TAC) und Kraftstoffentwickler. Denn nach wie vor gilt das politische Ziel, dass bis 2020 zehn Prozent des verbrauchten Kraftstoffs aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt sein müssen. Gut zwei Drittel davon dürfen auf herkömmliche Weise erzeugt sein, also auf Basis pflanzlicher Öle, ein Drittel soll mithilfe neuer Verfahren gewonnen werden.
Krahl und sein Kraftstoffteam beim TAC haben Erfahrung mit solchen Mixturen. In einem Großversuch haben sie - mit Hilfe zahlreicher Firmen - bewiesen, dass sich auch ein Dieselkraftstoff herstellen lässt, der zu 33 Prozent aus erneuerbaren Stoffen besteht. An dem Versuch hatten sich in Coburg unter anderem die SÜC mit ihren Bussen und die HUK Coburg mit ihrer Fahrzeugflotte beteiligt.


Schon beim Start des Großversuchs 2013 habe er bei dem damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer angeregt, eine "Kraftstoff-Modellregion" auszuweisen, sagt der Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach (CSU). In einer Modellregion könnten Kraftstoffe im großen Stil getestet werden - so, wie es beim Großversuch R33 in Coburg geschah. Wer wollte, konnte den R33 während dieser Zeit bei einer Tankstelle für den Privatverbrauch zapfen.

Doch das ist vorbei - R33 wird derzeit nicht mehr in den Verkehr gebracht. Das hat mehrere Gründe - einen davon sieht Johannes Lehken, Marketingleiter von Neste, in der Tatsache, dass die Politik keine höhere Biokraftstoffquote festlegt. Neste war eine der Partnerfirmen im R33-Großversuch und stellt vor allem hydrierte Pflanzenöle (HVO) her. Ausgangsbasis sind Altspeisefette, zum Beispiel aus Restaurants, Filterrückstände aus der Lebensmittelherstellung oder Schlämme aus dem Abwasser von Lebensmittelbetrieben.


Mischen ist möglich

Lehken zufolge enthalten manche Dieselkraftstoffe mehr HVO als die geforderten sieben Prozent. "Dies bietet den Inverkehrbringern die Möglichkeit, in Regionen, wo der Aufwand der Beimischung geringer ist, mehr beizumischen, und so in anderen Regionen weniger oder nicht beizumischen." Oder aber die Inverkehrbringer mischen über einen gewissen Zeitraum mehr erneuerbaren Diesel bei und erfüllen so die Quote fürs gesamte Jahr innerhalb weniger Monate. Dass dies möglich ist, dafür habe der R33-Großversuch den Beweis erbracht.

Die beigemischten HVO bringen auch Vorteile für die Umwelt, wie Krahl und Lehken geltend machen: Mit R33 gab es zum Beispiel 17 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß im Vergleich zu herkömmlichem Diesel. Das sieht Hans Michelbach als ein gewichtiges Argument, warum die Forschungsanstrengungen hier mit staatlicher Hilfe verstärkt werden sollten. An der Hochschule Coburg entsteht derzeit für 8,5 Millionen das Zentrum für Mobilität und Energie (ZME) - da würde eine "Innovationsregion Kraftstoffe" gut passen, meint Michelbach.
Allerdings zeigt der derzeitige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Moment wenig Interesse an dem Thema, wie Michelbach einräumt. "Ich habe da noch keinen Erfolg, das muss ich offen eingestehen." Er wolle aber noch einen Vorstoß machen, denn beim Thema Abgase sei das Verkehrsministerium in der Verantwortung.

Die Hochschule hat bereits Anträge bei der Deutschen Forschungsgesellschaft gestellt, um Zuschüsse für drei moderne Prüfstände für das ZME zu erhalten. Außerdem wirbt Hans Michelbach bei verschiedenen politischen Entscheidungsträgern für eine Unterstützung des ZME und einer möglichen Innovationsregion Kraftstoffe. Demnächst werde er sich mit dem Staatssekretär im Forschungsministerium, Stefan Müller (CSU), treffen, sagt Michelbach.


Kraftstoffe maßschneidern

"Wenn man jetzt neue Kraftstoffe entwickelt, kann man sie auf künftige Motorengenerationen maßschneidern. Das ist kein Hinterherforschen mehr", sagt Krahl. Ihm zufolge könnte intelligentes Kraftstoffdesign einige Probleme des Verkehrs mit Verbrennungsmotoren mindern. Denn die Elektromobilität sei auf lange Sicht noch nicht in der Lage, die Otto- und Dieselmotoren in Autos, Lastwagen oder Maschinen abzulösen. Es gelte, die Forschung in diesem Bereich zu systematisieren und von vornherein alle zu beteiligen - also auch die Motoren- und Fahrzeugentwickler. "Es müssen alltagstaugliche Kraftstoffe entwickelt werden, die in jeden Motor passen und die in großer Menge produziert werden können. Die müssen mischbar sein, so dass man Bio und Normal bedenkenlos nacheinander tanken kann", fasst Krahl zusammen. Die derzeit niedrigen Diesel- und Benzinpreise werden nicht auf Dauer so bleiben, warnt er.

Die Verzahnung von Kraftstoff- und Motorenentwicklung sei ein Alleinstellungsmerkmal für den Forschungsstandort Coburg, sagt Michelbach. Nun wollen Krahl und er in Sachen Modellregion weiter vorankommen: Nächste Woche treffen sich in der Hochschule Vertreter von Fahrzeugteile-Herstellern, Zulieferern, Verbänden und der Landwirtschaft. Laut Krahl sollen sie diskutieren, wie diese Modellregion organisiert werden könnte.

Bis Sommer soll das Konzept für die Kraftstoff-Modellregion so weit stehen, dass damit bei den zuständigen Politikern geworben werden kann. "Oberfranken wäre die erste deutsche Kraftstoff-Modellregion. Das würde uns auch deutschlandweit positionieren", ist Krahl überzeugt.