Lieber tolerant als ignorant - internationale Woche in Coburg

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Von der Wirkung des Einwanderungsdenkmals sind Dagmar Forkel, Integrationsbeauftragter Rainer Klein und Ahmet Özer (von links) überzeugt. Fotos: Helke Renner
Von der Wirkung des Einwanderungsdenkmals sind Dagmar Forkel, Integrationsbeauftragter Rainer Klein und Ahmet Özer (von links) überzeugt. Fotos: Helke Renner
Dorothea Jahn erläutert Denica Iudzhova die Nähmaschine. Ehemann Emil Angelov fotografiert sie dabei (von links).
Dorothea Jahn erläutert Denica Iudzhova die Nähmaschine. Ehemann Emil Angelov fotografiert sie dabei (von links).
 
Auch Klement Mönnich und Alina wollen mit am Band der Gemeinsamkeit nähen. Sie werden von Gabriele Raab (Zweite von links) und Dorothea Jahn unterstützt.
Auch Klement Mönnich und Alina wollen mit am Band der Gemeinsamkeit nähen. Sie werden von Gabriele Raab (Zweite von links) und Dorothea Jahn unterstützt.
 

Einmal im Jahr ist das Miteinander der Kulturen in Coburg besonders intensiv: in der internationalen Woche. Am Sonntag geht sie zu Ende. Bis dahin weist ein ungewöhnliches Denkmal darauf hin. Coburger und Gäste nähen außerdem seit Donnerstag an einem "Band der Gemeinsamkeit".

Ahmet Özer, selbst Sohn eines Einwanderers, hat erreicht, was er wollte. Als er den kleinen Handwagen mit dem seltsamen Aufbau zur Omnibushaltestelle am Theaterplatz fährt, folgen ihm interessierte Blicke von Passanten und Fahrgästen, die auf ihren Bus warten. "Was bedeutet das denn?", fragt auch gleich einer. "Einwanderung" steht auf einem Kinderwagen, den der Schöpfer der Installation auf den Handwagen montiert hat.

Das lässt ahnen, welche Intention dahintersteckt. Ein Paar Damenschuhe, ein Paar Stiefel, ein alter Koffer mit einem Krimi in türkischer Sprache und einem Wörterbuch, ein Kasten mit frischem Gras und eine Weltkugel sind für Ahmet Özer Symbole für die Einwanderer, die seit Ende des Krieges auch nach Coburg gekommen sind. Der Handwagen stehe für die Menschen, die nach 1945 in in Deutschland Zuflucht und die Chance auf einen Neuanfang gesucht haben, erläutert er.
"Der Kinderwagen symbolisiert die Bewegung in den 70er Jahren. Damals wurden gezielt ausländische Arbeitnehmer angeworben. Es gab schon ein bisschen mehr Wohlstand."

Das frische Gras soll sagen, dass auch heute noch alles im Fließen ist, dass weiterhin Menschen nach Deutschland einwandern, aber auch auswandern, dass unter den Einwanderern solche sind, die Asyl suchen, also Hilfe brauchen. Die Weltkugel bedeutet: Das ist überall so. "Wer mein temporäres Denkmal durch eigene Gegenstände ergänzen möchte, kann das gern tun", sagt Ahmet Özer. Heute und morgen wäre dazu noch Gelegenheit.

Festes Denkmal?

Dann ist das Einwanderungsdenkmal Geschichte. Oder auch nicht. "Damit neue Mitbürgerinnen und Mitbürger sich in einer neuen Heimat gut einleben können, müssen sie auch willkommen geheißen werden, und das fehlt mir hier in Deutschland ein wenig. Ich habe das Gefühl, hier wird eher nach den - sicher auch auftretenden - Konflikten geschaut, aber das Positive wird nicht richtig wahrgenommen", stellt Ahmet Özer fest und hofft, dass es in Coburg irgendwann auch einmal ein festes Denkmal für die Einwanderer geben wird, denn: "Sie haben mit dazu beigetragen, dass Deutschland sich gut entwickelt." Am Nachmittag war Ahmet Özers Denkmal von der Bushaltestelle über die Straße zum Rand des Josiasgartens gewandert. In der Nachbarschaft wird in einem kleinen Pavillon genäht. Und was hat das mit der internationalen Woche zu tun?

Band am Morizkirchturm

"Wir arbeiten hier an einem ,Band der Gemeinsamkeit', erzählt die Schneiderin Dorothea Jahn. Passanten - Frauen, Männer, Kinder -, die Lust am Mitnähen haben, werden kurz eingewiesen und schon geht es los. Denica Iudzhova aus Bulgarien zum Beispiel sucht sich ein Stück aus der Stoffkiste aus und steuert ihren Teil zum Band bei. Ihr Mann Emil Angelov fotografiert sie dabei. "Wir sind hier, um uns das Schloss der Vorfahren des bulgarischen Zaren Simeon Sakskoburggotski anzusehen."

Alina aus dem Landkreis ist eigentlich nach Coburg gekommen, um mit ihrem Onkel ein Eis zu essen. Auch sie näht ein 20 mal 20 Zentimeter großes Stoffstück an das Band. Klement Mönnich schiebt gerade sein Fahrrad vorbei und reiht sich ebenfalls ein. Selbst Mark McClain, Ballettdirektor des Landestheaters, setzt sich an die Nähmaschine. "Über 20 Meter ist das Band jetzt schon lang. Wir hoffen, dass noch viele Meter dazukommen. Dann möchten wir es gern am Morizkirchturm aufhängen", erläutert Ahmet Özer, der zusammen mit seinem Partner vom Projekt "Radio Influenza", Hannes Titze, die Idee für das "Band der Gemeinsamkeit" hatte.

Fußball und Folklore

Seinen offizielle Abschluss erlebt die internationale Woche nun schon zum dritten Mal mit einem Fußballspiel auf dem Gelände des FC Anadoluspor in der Falkeneggstraße mit Blick auf den Goldbergsee. "Dabei geht es uns nicht vordergründig um Fußball, sondern vor allem darum, dass die unterschiedlichen Nationalitäten zusammen und sich näher kommen", sagt Dagmar Forkel, eine der Organisatorinnen der internationalen Woche. Das heißt konkret: Die Mannschaften, die sich für das Spiel angemeldet haben, kicken mit- und gegeneinander. Es gibt aber auch reichlich Gelegenheit, sich bei türkischen Spezialitäten, Live-Musik, Folklore und vielem mehr besser kennenzulernen. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und BRK sind auch dabei. Ahmet Özer wird die Veranstaltung moderieren.
Eine Neuerung gibt es bei der Einteilung der Fußballmannschaften. "Damit es nicht ungerecht wird, wenn trainierte Spieler aus Vereinen gegen untrainierte antreten, haben wir die Mannschaften in zwei Gruppen eingeteilt, die Hobby- und die ,Profi'-Gruppe", erzählt Dagmar Forkel. Bei den "Profis" spielen Anadoluspor, Trabzon Spor (eigens für das Turnier gegründet) und ISS (International Super Stars aus Cortendorf mit ihrem tunesischenTrainer Hichem Razgallah) gegeneinander. Bei den Hobby-Sportlern treten eine Mannschaft der Stadt, die Jungen Coburger, eine Mannschaft aus Vätern der jungen Besucher des Kinder- und Jugendzentrums Wüstenahorn, die Outsider und Corumspor, die sich ebenfalls extra für das Turnier gegründet haben, an. Neu ist auch, dass alle teilnehmenden Mannschaften einen Pokal bekommen, nicht nur die Sieger. Der Pokal besteht aus Glas und wurde in Ilmenau hergestellt (siehe links).
Bis es so weit ist, kann man noch die eine oder andere Veranstaltung im Rahmen der internationalen Woche erleben. Wer kein Programmheftchen hat, findet sie auch unter www.coburg.de/veranstaltungen.
Michael Böhm, Koordinator Stadtmarketing und einer der Organisatoren, bringt auf den Punkt, warum Menschen ausländischer Herkunft in Coburg willkommen sind: "Wir brauchen die Fachkräfte und sollten deshalb viel Toleranz zeigen. Und wir brauchen Sympathieträger, dies diesen Gedanken in die Herzen tragen."