Lesung: Streitbarer Historiker in Coburg

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Der Transport von Verwundeten durch Coburg auf Pritschenwagen am 10. Dezember 1916 (links). Vom Güterbahnhof aus werden im August 1914 Munitions-, Küchen - und Gepäckwagen zum Kriegsschauplatz gebracht.
Der Transport von Verwundeten durch Coburg auf Pritschenwagen am 10. Dezember 1916 (links). Vom Güterbahnhof aus werden im August 1914 Munitions-, Küchen - und Gepäckwagen zum Kriegsschauplatz gebracht.
 
 
Frauen beim Landwehr-Abschied am 10. August 1914 in Coburg (links). Christopher M. Clark hat untersucht, wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Fotos: Initiative Stadtmuseum/Wikipedia
Frauen beim Landwehr-Abschied am 10. August 1914 in Coburg (links). Christopher M. Clark hat untersucht, wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog.  Fotos: Initiative Stadtmuseum/Wikipedia
 

Die einen sprechen von bahnbrechenden Erkenntnissen, andere werfen Christopher M. Clark vor, er wolle Deutschland von der Schuld am Ersten Weltkrieg freisprechen. Am 24. Oktober liest der Bestseller-Autor im Saal von St. Augustin.

Es geht um "Die Schlafwandler". Es sei bedrückend, wie aktuell dieses Buch angesichts der momentanen Situation ist, sagt Rupert Appeltshauser, Vorsitzender der Initiative Stadtmuseum. Der Verein lädt zusammen mit der Buchhandlung Riemann zur Begegnung mit Christopher M. Clark ein. Er wird am Mittwoch, 24. September, um 20 Uhr im Saal des Gemeindezentrums St. Augustin zunächst aus seinem Buch lesen und anschließend - nach einer kurzen Pause - zur Diskussion darüber einladen.

Der in Sydney geborene und in Cambridge lebende Professor spreche sehr gut deutsch, sodass es zumindest keine sprachli chen Hürden für ein Gespräch geben werde, verspricht Rupert Appeltshauser.
Auf Diskussion hofft der Vorsitzende aber schon - und auf ein großes Interesse an der Veranstaltung. "Wir haben nicht erwartet, dass ein Autor mit einem solchen Renommee nach Coburg kommen wird", sagt er.
Es gelang durch die Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Riemann. "Ich habe beim Verlag angerufen und sofort eine Zusage bekommen", erzählt Irmgard Clausen, die Leiterin der Buchhandlung. Ihrer Ansicht nach spreche das auch für Coburg.

Zur Intention der Initiative Stadtmuseum erläutert Rupert Appeltshauser: "Der Erste Weltkrieg ist ein Schlüsseldatum in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, das relativ wenig Beachtung findet. Wir haben eine besondere Form des Gedenkens gewählt und Christopher M. Clark eingeladen."

Wissenschaftlicher Disput

Was ist das Besondere an diesem Autor und dessen Buch "Die Schlafwandler"? "Er beschäftigt sich auf eine neue Art mit der Kriegsschuldfrage, und dabei sind ihm auch Details wichtig. Da ist er vorbildlich. Deshalb dachten wir uns: Der muss hierher nach Coburg kommen", sagt Rupert Appeltshauser. Mit seinem wissenschaftlich fundierten Buch hat der Autor eine neue Debatte um die Ursachen des Ersten Weltkriegs entfacht - weil er es ablehnt, die Alleinschuld am Kriegsausbruch bei Deutschland zu sehen. Vielmehr seien auch alle anderen im Vorfeld daran Beteiligten in der Verantwortung. Das löste heftige Proteste aus, unter anderem auch den Vorwurf, Christopher M. Clark spiele nationalistischen, rechten und rechtsradikalen Kreisen den Ball zu.

Für Stadtheimatpfleger Hubertus Habel begibt sich der Autor auf dünnes Eis, wenn er die Gegenwart - etwa das Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 - mit einbezieht. Diese und andere Themen können nun im Gespräch mit dem Autor diskutiert werden.

Für Schüler geeignet

" Die Veranstaltung ist durchaus auch für Laien geeignet", stellt Irmgard Clausen fest und Rupert Appeltshauser ergänzt: "Das Buch ist nicht rein wissenschaftlich." Darin gebe es, besonders am Anfang, auch schreckliche Mord- und Schlafzimmergeschichten. Und der ehemalige Lehrer Appeltshauser ist außerdem der Ansicht, dass sich die Veranstaltung sehr gut für Schüler der Oberstufe eignet. Irmgard Clausen hält für sie ein kleines Kontingent an Schülerkarten bereit.

Lesung und Diskussion sollen eine Art Auftakt für weitere Veranstaltungen der Initiative Stadtmuseum zum Thema "Erster Weltkrieg" sein. Für 2015/2016 planen die Mitglieder eine Ausstellung, bei der es vorrangig um die Auswirkungen des Krieges auf die Region geht. "Vom Staatsarchiv haben wir schon eine Zusage bekommen, nun hoffen wir, dass uns auch die Stadt unterstützt."