Landkreis Coburg ruft Jahr des Rollators aus

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Auf einem Parcours üben die Senioren alle möglichen Alltagssituationen. Am 20. Februar startet ein solcher Kurs in Sonnefeld. Foto: Christian Licha
Auf einem Parcours üben die Senioren alle möglichen Alltagssituationen. Am 20. Februar startet ein solcher Kurs in Sonnefeld.  Foto: Christian Licha
 
Gesundheitsmanagerin Beate Speyerer (Seniorenbüro Landratsamt)Christiane Lehmann
Gesundheitsmanagerin Beate Speyerer (Seniorenbüro Landratsamt)Christiane Lehmann
 
Anja Zietz (Aufgabenbereichsleiterin Senioren im Landratsamt Coburg) Christiane Lehmann
Anja Zietz  (Aufgabenbereichsleiterin Senioren im Landratsamt Coburg) Christiane Lehmann
 

Das Seniorenbüro des Landkreises möchte den Rollator aus der Tabuzone holen und wirbt für den richtigen Umgang. Es gibt verschiedene Kursangebote.

Vorsichtig setzt Gundula P. (Name von der Redaktion geändert) einen Fuß vor den anderen. Am rechten Arm stützt sie sich auf ihre Krücke, an der auch die Handtasche und der Einkaufsbeutel baumelt. Mit links balanciert sie sich aus. Der Weg zum Auto ist beschwerlich - und gefährlich. Ein falscher Schritt und sie stürzt.

Gundula P. ist 83 Jahre alt, doch für die Benutzung eines Rollators fühlt sie sich zu jung. "So ein Ding nehme ich nicht, was denken denn da die Leut'", sagt sie ein bisschen störrisch.

Beim Seniorenkaffeekränzchen trifft sie auf eine alte Schulfreundin Sibylle, die vor wenigen Wochen wieder nach Coburg gezogen ist. "Ich verstehe dich gut. Mir ging das lange auch so. Aber eins kann ich dir sagen: Ich ärgere mich, dass ich meinen Rollator nicht schon viel früher genommen habe. Ich bin jetzt viel schneller und sicherer unterwegs."

Jahr des Rollators ausgerufen

Den Rollator aus der Tabuzone zu holen, das haben sich auch Anja Zietz (Aufgabenbereichsleiterin Senioren) und Gesundheitsmanagerin Beate Speyerer (Seniorenbüro) vom Landratsamt auf die Fahne geschrieben. Das Jahr 2019 haben sie zum Jahr des Rollators ausgerufen. Ihnen zur Seite steht Wolfgang Hasselkus. Der Seniorenbeauftragte der Stadt Rödental ist für sein Engagement für die Gesundheit und Fitness der Senioren weit über den Landkreis hinaus bekannt.

Der Rollator sei als Hilfsmittel für die Bewegung der Älteren nicht mehr wegzudenken. "Ohne Rollator sind sie sturzgefährdet und bleiben zu Hause und mit ihm tauchen sie wieder in Dörfern und Städten auf den Gehsteigen auf. Sie gehen Einkaufen und setzen sich drauf und beobachten das Leben um sie herum", ermuntert der Mediziner die älteren Menschen.

Rollatorkurse starten

Aber das Gefährt müsse richtig genutzt werden und genau da setze das Jahr des Rollators an: Die richtige Höheneinstellung für eine nur leicht gebeugte Haltung - die richtige Technik, um den Bordstein zu überwinden - der wichtige Einsatz der Bremsen beim Hinsetzen - die Reparatur, wenn etwas klemmt oder wenn die Bremsen defekt sind. Auf all das müsse geachtet werden. "Wir planen verschiedene Aktionen und Projekte in den Kommunen des Landkreises", kündigt Beate Speyerer an. Dazu gehören unter anderem Rollator-Kurse. Der erste startet am Mittwoch, 20. Februar, 15 Uhr in Sonnefeld. Weiter geht's dann am Donnerstag, 21. März, in Weidhausen und am Dienstag, 26. März in Ebersdorf. "Uns ist wichtig, dass die Menschen sicher mit dem Rollator unterwegs sind und auch ihre Muskulatur richtig einsetzen", unterstreicht Anja Zietz.

Ein Stück Freiheit

Erhard Hackler, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Seniorenliga, sieht das genauso: "Ein Rollator gibt nicht nur Halt und Sicherheit, sondern schenkt Menschen mit eingeschränkter Mobilität auch ein Stück Freiheit. Wer schlecht sieht, setzt eine Brille auf - wer nicht gut zu Fuß ist, sollte ebenso selbstverständlich einen Rollator nutzen.

Branchenexperten schätzen, dass es bis 2022 bis zu sechs Millionen Rollatoren in Deutschland geben könnte. Allein 2013 seien etwa 500000 Stück verkauft worden, sagt der Rollator-Hersteller Thomas Appel.

Die Gründe für diesen Boom liegen auf der Hand: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gibt es immer mehr ältere Menschen, die einen Rollator nutzen und den Imagewandel schon allein zahlenmäßig vorantreiben. Hinzu kommt, dass die rollende Gehhilfe in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt wurde - nicht zuletzt dank optischer und technischer Innovationen einiger Hersteller, die die Wünsche ihrer Kunden nach Sicherheit, Komfort und einem moderneren Design aufgegriffen und umgesetzt haben. "Der Rollator ist in der Gesellschaft angekommen und hat sich im Straßenbild einen festen Platz erobert!", heißt es in einer Pressemitteilung der Deutsche Seniorenliga.

Gundula P. sieht das anders. Sie hat einen Beitrag über die Gefahren der Rollator-Benutzung gelesen. Der hat sie bestärkt. Seitdem wackelt sie noch selbstbewusster über den Asphalt. Zu schnell gewöhne man sich an dieses Hilfsmittel. Eine Entwöhnung sei schwierig. Häufig bleibe der Rollator ein Begleiter bis zum Lebensende, obwohl dafür medizinisch längst keine Notwendigkeit mehr besteht. Der Patient befinde sich damit in einem Teufelskreis: Wer längere Zeit den Rollator benutzt, verlernt das normale Gehen, weil sich der Körper an die Gangart gewöhnt, die er nun ausübt, mit einer zusätzlichen Stütze. Die erhöht wiederum das Verletzungsrisiko.

Genau deshalb bietet das Landratsamt auch Rollatorkurse an. Dabei werden die Handhabung geschult, aber eben auch die Haltung. Im Laufe des Jahres sollen in allen Kommunen Kurse stattfinden. "Wir wollen auch versuchen, Sportvereine zu gewinnen, die mit den Senioren regelmäßig die Muskulatur trainieren, die zum Fahren eines Rollators notwendig ist", sagt Beate Speyerer, die sich um die Aquise kümmert.

Das interessiert Gundula P. nicht. Sie benutzt schließlich keinen. Selbst die gut gemeinten Worte ihres Neffen, der als Notfallsanitäter arbeitet, haben bisher nicht gefruchtet. Mehrmals in der Woche werde er zu Einsätzen gerufen, bei denen jemand gestürzt ist und sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hat.

Vielleicht kann sie irgendwann das Angebot eines Rollator-Tanzkurses locken. Die 83-Jährige liebt Musik. Bundesweit werden solche Kurse angeboten. Der deutsche Tanzlehrerverband hat seit 2011 hunderte von Rollator-Kursleiter ausgebildet. Einer davon ist Sylvia Scheerer. Ihr Lockruf ist der Ragtime Jim, "ein locker-lässiger Foxtrott, der regelrecht zum Mitschwingen animiert."

Pro und Contra Rollator

Hilfsmittel

Ein Rollator hilft Menschen mit leichten Gleichgewichtsstörungen, sich auf kurzen Wegen von A nach B zu bewegen. Ein Gehstock hingegen kann keine Sicherheit bieten.

Ein Rollator bietet dazu immer auch eine Sitzgelegenheit, sodass man sich kurzfristig an jedem Ort und zu jeder Zeit setzen kann. Der Rollator bleibt eine Stütze, weil er immer vor einem, standsicher auf vier Rädern griffbereit steht.

Die Sitzfläche dient zudem als Ablage für Taschen oder Geldbörsen. Der Transport von Einkaufstüten, ja selbst schwere Wasserflaschen lassen sich bequem und ganz ohne Kraftaufwand transportieren. Dieses ist ein ganz wesentlicher und entscheidender Vorteil - vor allem im Hinblick auf Unabhängigkeit.

Gefahrenquelle

Ein Rollator ist für Personen mit einer Gehbehinderung nur schwer oder gar nicht die Stufen einer Treppe im Hausflur oder in der Wohnung hinauf zu tragen. Dafür ist es immer ratsam eine Stockhalterung am Rollator installiert zu haben.

Wer viel mit Bus und Bahn unterwegs ist, für den könnte ein Rollator ebenfalls zu einer Behinderung werden. Daher sollte man bei Kauf eines Rollators auf ein möglichst geringes Eigengewicht achten.

Wer längere Zeit den Rollator benutzt, verlernt das normale Gehen, weil sich der Körper an die Gangart gewöhnt, die er nun ausübt, mit einer zusätzlichen Stütze. Die erhöht wiederum das Verletzungsrisiko. Wer mit Rollator stürzt, verletzt sich meist schwerer, weil er durch den Rollator am Abfangen gehindert wird .