Die aus Coburg stammende Karin Drechsel inszeniert am Landestheater Tschechows Schauspiel "Drei Schwestern".
Eine kleine Grenzstadt mit Soldaten eher im Abseits. Drei Schwestern wollen weg, wollen vor allem auch aus ihrem bisherigen Leben heraus. Sie sprechen von ihren Wünschen und Sehnsüchten, aber nicht unbedingt miteinander, sondern vielfach aneinander vorbei. Eine Reihe weiterer Personen kommt von außen hinzu, sie wirken oder wirken nicht. Die Zeit verfließt.
Die festhängende Welt von Tschechows "Drei Schwestern" um die Wende zum 20. Jahrhundert, ein unproduktiv gewordenes Bürgertum im Wartemodus, der Feuersturm der Revolution wetterleuchtet am Horizont - diese Stimmung erinnert die aus Coburg stammende Regisseurin Karin Drechsel sehr: an das Coburg ihrer Jugend vor der Wende.
Offensichtliche Parallelen
Niemand rechnet mit der Grenzöffnung. Zum Wettrüsten der Supermächte kommt Tschernobyl. Dann auch noch die Aids-Welle. "Jetzt haben wir mit der bevorstehenden Klimakatastrophe auch wieder eine solche Dystopie vor uns. Etwas soll sich ändern, doch keiner weiß wie." Die Stimmung, die Situation wirken "schlagend parallel" zu Tschechows Text, sagt Karin Drechsel im Gespräch mit dem Tageblatt.
Erstmals inszeniert die bundesweit renommierte Regisseurin jetzt in ihrer Heimatstadt: Tschechows Schauspiel "Drei Schwestern" hat am Samstag , 2. März, Premiere im Großen Haus des Landestheaters.
Drechsel lässt die drei Schwestern Irina, Mascha und Olga von heute aus zurückblicken in die 80er Jahre. Sie sind nicht weggekommen "nach Moskau", wie das Sehnsuchts-Mantra lautete. Sie blieben in ihrem Bemühen, dem Leben etwas Glück und Sinn abzuringen, etwas Liebe, in der Illusion stecken, dabei übersehend, "dass jeder ein Stück Moskau, Glückspotenzial in sich selbst trägt", so Drechsel. Die Frage, warum es den Menschen nicht gelingt, ihrem Leben eine Wendung zu geben, steht für sie im Mittelpunkt ihrer Interpretation.
Das Leiden der Figuren, wie es bis heute in der psychologisch nachempfindenden Inszenierungstradition von Konstantin Stanislawski (Uraufführung 1901 am Moskauer Künstlertheater) gerne zelebriert wird, "interessiert mich nicht", wirkt die Coburger Regisseurin fast drastisch. Deshalb hat sie auch die Tschechow-Nachdichtung von Per Olov Enquist gewählt. "Enquist ist nicht so elegisch wie die anderen Übersetzer, bei denen immer so viel gelitten wird."
Wogegen sich übrigens auch Tschechow selbst schon gewehrt hat, der sein Stück eher als Tragikomödie sah. Der direktere, härtere Ton bei Enquist wirke am Ende noch verzweifelter, ist Drechsel überzeugt.