Landestheater: Das Drama dreht sich im Kreis

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Amir (Frederik Leberle) blickt auf seinen zerborstenen amerikanischen Traum. Sebastian Buff
Amir (Frederik Leberle) blickt auf seinen zerborstenen amerikanischen Traum. Sebastian Buff
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

"Geächtet" von Ayad Akhtar bringt am Landestheater Coburg nicht die angekündigte tiefsinnige Komödie. Im Gegenteil.

Wenn Komödie angekündigt ist, darf man Komödie erwarten. Wenn stattdessen eine (in Teilen) schwerfällige Tragödie - soll man dann sagen untergejubelt wird, darf man verärgert sein. Der Dank zur Premiere von Ayad Akhtars Schauspiel "Geächtet" am Landestheater Coburg gilt den Schauspielern für ihr Engagement in schwierigem Umfeld.
Das Stück des amerikanischen Autors pakistanischer Herkunft bringt dessen eigene Problematik der Integration und Akzeptanz von muslimischen Einwanderer-Nachkömmlingen in theatrale Form. Es zeigt, wie der aufstrebende und begabte Anwalt Amir Kapoor im Grunde mit Gewalt und gegen seine tiefste Überzeugung zurückgedrängt wird in die Schemata und Grenzen seiner familiären Herkunft, und zwar in geradezu tragischer Ausweglosigkeit. Ein brisantes, ein sehr aktuelles Thema also.
In der ersten Hälfte allerdings verschwafelt sich das Stück in amerikanischem Gesellschaftsgetue mit diversem kunsthistorischem Blabla. Amirs Frau Emily ist Künstlerin, die mit wohlfeiler Provokation und gegen jedes tiefere Verständnis ihres Mannes die Ästhetik der muslimischen Kultur isoliert propagiert.


Das Raumkonzept versagt

Für die Amerikaner mag das ein entlarvender Spiegel sein, in dem sie als Einwanderungsnation mit dem für sie besonders bedrängenden Problem der Identitätsfrage konfrontiert werden, speziell nach den Terroranschlägen von 2001. Deswegen wohl auch der Pulitzerpreis (der von Journalisten, also vor allem politisch-gesellschaftlich Orientierten, vergeben wird.) In Coburg nervt es. Zumal vieles rein akustisch unverständlich bleibt. Denn das eigentlich spannende räumliche Experiment von Gastregisseur Andreas Nathusius und seines Ausstatters Till Kuhnert funktioniert nicht. Gespielt wird auf der Drehbühne; die Zuschauer sind bis tief in die Hinterbühne drum herum arrangiert; mit einem aufwändigen Tribünenbau ist der neue Aufführungsort zum eigentlichen Zuschauerraum des Großen Hauses abgeblockt.


Kein Ringkampf in der Arena

Das Stück ist aber kein Ringkampf in der Arena, den das Publikum so in unmittelbarerer Nähe erleben könnte. Es ist ein Kammerspiel, in dem Frederik Leberle als Amir, Alexandra Weis als Emily, Nils Liebscher als der jüdische Kunstfachmann Isaac und Charity Laufer als dessen Frau Jory, die zudem Anwaltskollegin von Amir ist, sowie dem Jungen Abe (Valentin Kleinschmidt) die Seelen zwischen individuellem Streben und gesellschaftlichem Verfangensein zeigen sollen. Sie wären in der Intimität der Reithalle bestens aufgehoben.
Auf der sich unablässig drehenden Bühne, in dessen Mitte auch noch dauerhaft Goldblättchen herab flittern, verlieren sie sich im Raum, verbrauchen einen Teil ihrer Kraft damit, das nicht vorhandene Mobiliar zu assoziieren und laufen beim Abendessen mit ihren Salatschüsseln in der Gegend herum.
Nicht wenige Zuschauer beklagten nach den anderthalb Stunden Aufführungsdauer einen flauen, leicht schwindeligen Zustand. Der kam sicher nicht davon, dass man eindrucksvoll mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert worden wäre, wie das Regiekonzept vorsah.
Dass die Konstruktion des Stückes dann auch noch ziemlich unvermittelt in einer eher billigen Betrugsstory endet, in der sich die vorherige große Liebe von Amir und Emily sofort in Luft auflöst, gibt dem Ganzen den Rest.

Die Produktion Landestheater Coburg, "Geächtet", Schauspiel von Ayad Akhtar. Inszenierung Andreas Nathusius, Bühnenbild und Kostüme Till Kuhnert, Dramaturgie Carola von Gradulewski. Darsteller: Frederik Leberle, Alexandra Weis, Valentin Kleinschmidt, Nils Liebscher, Charity Laufer

Weitere Termine , 12., 19., 27. April, 19.30 Uhr im Großen Haus

Ayad Akhtar, geboren 1970 in New York City, ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Theaterschauspieler. Er wuchs als Sohn pakistanischer Einwanderer in Milwaukee auf und studierte Theater an der Brown University. Sein erster Roman "American Dervish" erschien 2012. Das Konversationsstück "Disgraced" gewann unter anderem 2013 den Pulitzer-Theaterpreis.