Landestheater Coburg: "Carmen" müsste "Don José" heißen
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 21. Mai 2019
Wie Gastregisseur und Bühnenbildner Alexander Müller-Elmau die Oper "Carmen" von Georges Bizet" am Landestheater Coburg inszenieren will.
Die Geschichte dieser Oper ist eine Geschichte voller Missverständnisse, voller Klischees und voller nachträglicher Veränderungen. "Carmen" - schon der Titel ist eigentlich ein Missverständnis. Darin sind sich der Regisseur und der Dirigent der Coburger Neuinszenierung einig.
Denn eigentlich müsste "Carmen" besser "Don José" heißen, sind Alexander Müller-Elmau und Roland Kluttig überzeugt. Denn Don José ist aus Sicht des Regisseurs, der zugleich sein eigener Bühnenbildner ist, die viel interessantere Figur als die Titelheldin Carmen.
Der Kern der Geschichte
Wie aber entgeht eine Neuinszenierung im Jahr 2019 jenen zahllosen Spanien-Klischees, die das Werk seit der Uraufführung 1875 haben? Alexander Müller-Elmau, der erstmals am Landestheater Coburg inszeniert, sucht eine Lösung, die den Kern der Geschichte freilegt, ohne dabei freilich dem Publikum alle liebgewonnenen Szenen und Details rauben zu wollen. "Ich bin ein bisschen geschädigt von vielen schlechten Inszenierungen, die ich schon gesehen habe", beschreibt Müller-Elmau sein Bestreben, einen unverstellten Blick auf das Werk bieten zu wollen.
Ein Soldat wird zum Mörder
Sein Ansatz wird bestimmt von dem Versuch, die verschiedenen Orte des Geschehens in einem Ort zu bündeln. Seine Szene, so Müller-Elmau, ist zugleich "Gefängnis, Stierkampfarena und Marktplatz". Sie liefert den Rahmen, um die Geschichte des am Ende zum Mörder werdenden Soldaten Don José und der verführerischen Carmen ganz aus der Perspektive des Mannes und damit zugleich im Rückblick zu erzählen. Damit geht Regisseur Müller-Elmau ganz bewusst zurück zur Novelle von Prosper Merimée, die ebenfalls aus der Perspektive Don Josés erzählt ist.
Viele Änderungen
Kompliziert ist nicht nur die Geschichte der szenischen Rezeption von Bizets "Carmen". Kompliziert und verworren ist auch die Geschichte der Partitur, die schon zu Bizets Lebzeiten viele Veränderungen, Streichungen und Ergänzungen erlebte. Die Partitur - sie ist aus Roland Kluttigs Sicht "ein Konvolut", aus dem sich jeder Dirigent letztlich seine eigene Fassung schaffen muss. Kluttig ist überzeugt, eine sehr stringente Fassung" gefunden zu haben - eine Fassung, in der die große Bandbreite an stilistischen Einflüssen bewahrt bleibe, die Bizet in seiner Partitur vereint hat.
Zwei Carmen-Darstellerinnen
"Es ist faszinierend, wie Bizet mit wenigen Pinselstrichen eine riesige Szene entwirft", schwärmt Kluttig. Und er schwärmt von der Möglichkeit, fast sämtliche Rollen dieser Opéra comique aus dem eigenen Ensemble besetzen zu können: "Wir haben gleich zwei Carmen-Darstellerinnen im Ensemble, beide verkörpern keine Klischee-Carmen": Emily Lorini und Kora Pavelic.