"Känguru" in Wüstenahorn: fast vor dem Aus, jetzt ausgezeichnet

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Die Stadtteilmütter Elena Schinkaruk, Alena Vitkova und Ieva Lilienfelde (mit roten T-Shirts, von links) betreuen einen Stand beim Markt der Möglichkeiten. Foto: Caritas
Die Stadtteilmütter Elena Schinkaruk, Alena Vitkova und Ieva Lilienfelde (mit roten T-Shirts, von links) betreuen einen Stand beim Markt der Möglichkeiten. Foto: Caritas
Paul Spädt, Olena Grinko, Nadja Spädt, Amelie Welz, Nadja Merkel, Roza Koch, Dmitrij Merkel und Viktor Koch (von links) machte das Familienwochenende viel Spaß. Foto: Caritas
Paul Spädt, Olena Grinko, Nadja Spädt, Amelie Welz, Nadja Merkel, Roza Koch, Dmitrij Merkel und Viktor Koch (von links) machte das Familienwochenende viel Spaß. Foto: Caritas
 
Die Stadtteilmütter Viktoria Schreiber, ihr Sohn, Oksana Khachikyan und ihre Kinder Elina, Narina und David (von links) beim Fest zur internationalen Woche in Coburg. Foto: Caritas
Die Stadtteilmütter Viktoria Schreiber, ihr Sohn, Oksana Khachikyan und ihre Kinder Elina, Narina und David (von links) beim Fest zur internationalen Woche in Coburg. Foto: Caritas
 

Beifall für engagierte Frauen: Das Stadtteilmütter-Projekt wurde mit dem Integrationspreis der Regierung von Oberfranken ausgezeichnet.

"Es sind vor allem die Frauen, die Großartiges für die Integration leisten", sagt Richard Reich, Geschäftsführer des Caritasverbands Coburg. Deshalb ist es für ihn logisch, dass die Stadtteilmütter des Projekts "Känguru" in Wüstenahorn mit dem Integrationspreis 2016 der Regierung von Oberfranken ausgezeichnet werden. Gestern nahmen sie ihn in Bayreuth entgegen.

In Coburg wurde die Arbeit der Frauen von Anfang an geschätzt. Seit 2011 bringen sie die in Wüstenahorn lebenden Familien deutscher und nichtdeutscher Herkunft miteinander in Kontakt, unterstützen Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder, fördern ihre Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit.


Mittel "Soziale Stadt" gekürzt

Trotzdem stand das Projekt 2013 auf der Kippe.
Damals wurden die Mittel für das Förderprogramm "Soziale Stadt" von Bund und Ländern, das auch in Wüstenahorn umgesetzt wird, rapide gekürzt. Weil "Känguru" Teil dieses Programms ist, mussten die Frauen damit rechnen, dass ihre Arbeit nicht weiter finanziert wird. Es kam anders. Zunächst gab es eine Förderzusage für weitere zwei Jahre, 2015 wurde das Ganze um drei weitere Jahre bis 2018 verlängert. Und nun der Preis - eine gute Voraussetzung dafür, dass die Stadtteilmütter auch über 2018 hinaus aktiv sein können.


Von Nachbarn zu Nachbarn

Für das Projekt "Känguru" werden arbeitslose Mütter oder Mütter in Elternzeit - egal, ob deutscher Herkunft, Migratinnen oder auch anerkannte Flüchtlingsfrauen - ausgebildet. Sie arbeiten ehrenamtlich beim Caritasverband und werden regelmäßig, fünf Mal im Monat, zu den Themen Erziehung, Bildung, Gesundheit und Sprache geschult. Dieses Wissen geben sie bei Hausbesuchen und offenen Treffs an die Familien und Kinder weiter. "Die Frauen sind Türöffner, führen Gespräche auf Augenhöhe und werden dadurch zu Vertrauenspersonen", erläutert Richard Reich. "Sie schaffen es, dass sich die Menschen im Stadtteil größtenteils mit Achtung und Toleranz begegnen." Dass alles von Nachbarn zu Nachbarn geschieht, dass man sich kennt und grüßt, mache es einfach, die Kontakte zu erhalten.

Das bestätigt auch Roza Koch, die Projektkoordinatorin. Es gebe keine Konflikte etwa zwischen Russen und Ukrainern oder auch zwischen denen, die schon länger in Deutschland leben, und den Neuankömmlingen aus Syrien, Afghanistan und anderen Fluchtländern. "Einige der Stadtteilmütter erinnern sich noch an ihre Ankunft in Deutschland. Sie hätten damals gern diese Unterstützung gehabt. Deshalb geben sie ihre Erfahrungen heute gern weiter", erzählt Roza Koch. Die Frauen gehen bei Bedarf mit den Müttern zu Elternabenden in den Kindereinrichtungen und Schulen, zu Elterngesprächen, zu Lehrern und Erziehern sowie in Ämter und Institutionen. Dabei fungieren sie zum einen als Dolmetscherinnen, aber auch als erfahrerne Begleiterinnen. Denn sich in einem Land mit fremder Kultur und Sprache zu orientieren, ist für die meisten Neuankömmlinge schwierig. Damit sie sich nicht ganz ins Private zurückziehen und keinen Anteil am gesellschaftlichen Leben nehmen, reichen ihnen die Stadtteilmütter die Hand. "Wir sind mit vielen anderen Organisationen, die mit Integration zu tun haben, vernetzt", erläutert Roza Koch.

"Was hier geleistet wird, ist enorm", lobt Richard Reich. Immerhin betreuen die aktuell acht Stadtteilmütter 135 bis 140 Familien. Darüber hinaus organisieren sie unter anderem das Stadtteilfrühstück, im August gab es ein Familienwochenende, die Stadtteilmütter beteiligen sich am Markt der Möglichkeiten und an der internationalen Woche in Coburg. "Für mich ist das gelebte Integration", sagt Richard Reich. Und dafür sei der Preis der Regierung von Oberfranken eine angemessene Anerkennung.