Kabelwerker in Neustadt machen Ernst

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Die Frühschicht von Prysmian in Neustadt blieb gestern von 5.30 bis 7 Uhr im Rahmen eines Warnstreiks vor dem Werkstor. Fotos: Rainer Lutz
Die Frühschicht von Prysmian in Neustadt blieb gestern von 5.30 bis 7 Uhr im Rahmen eines Warnstreiks vor dem Werkstor. Fotos: Rainer Lutz
Erster Bevollmächtigter der IG-Metall, Jürgen Apfel.
Erster Bevollmächtigter der IG-Metall, Jürgen Apfel.
 

Die Frühschicht von Prysmian in Neustadt war gestern zum Warnstreik aufgerufen, um einen Anschluss an den Flächentarif zu erzwingen, den die Arbeitgeberseite bisher ablehnt. Heute wird in Berlin erneut verhandelt.

Die Mitarbeiter der Neustadter Prysmian Kabel & Systeme GmbH in Neustadt sind sauer. Sie fühlen sich vom Tarifvertrag der Metall- und Elektrobranche abgehängt. Die Frühschicht ging daher gestern nicht wie sonst geschlossen an ihren Arbeitsplatz. Gut 80 Beschäftigte folgten einem Aufruf der IG Metall zum Warnstreik und versammelten sich von 5.30 bis 7 Uhr vor dem Werkstor.

"Es geht uns um einen Anschlusstarifvertrag, der auf dem Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie von 2012 basiert", erklärt Jürgen Apfel als Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Coburg. Er informiert die Mitarbeiter per Megafon über die bereits unternommenen Schritte ihrer Vertretung und die Haltung der Arbeitgeber.

Alte Vereinbarungen

Als Mitglied der Tarifkommission, die zuletzt am 3.
Juni in Berlin mit der Arbeitgeberseite verhandelte, urteilt Matthias Knauer: "Wir haben uns durch das Angebot, das uns da unterbreitet wurde schon provoziert gefühlt." Knauer war schon dabei, als das Werk von Siemens an Pirelli ging. "Damals wurde ein Firmentarifvertrag geschlossen, der im Zeichen der Sanierung stand", erklärt er. Die Beschäftigten stimmten einer Verlängerung der Arbeitszeit von 35 auf 38 Stunden in der Woche zu.

Ihre Bezahlung wurde vom Flächentarif entkoppelt. Diese Maßnahme sollte in den Jahren 2004 bis 2006 zurückgeführt werden. Das geschah nicht. Die Firmenleitung, inzwischen ist es die der Prysmian Group, wolle davon aber nichts mehr wissen. Während die Arbeitnehmervertreter nun rückwirkend ab April dieses Jahres 4,3 Prozent mehr Gehalt verlangen und dafür bereit sind (bei einem Jahr Laufzeit), weiter 38 Stunden zu arbeiten, boten die Arbeitgeber etwas anderes. Sie wären bereit, vom 1. Juli an zwei Prozent mehr zu bezahlen. Im kommenden Jahr sollten dann weitere 2,3 Prozent Erhöhung erfolgen und in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 2,8 Prozent mehr.

"Das", findet Jürgen Apfel, "gleicht nicht einmal die Teuerungsrate aus." Weil heute die Tarifverhandlungen in Berlin fortgesetzt werden, sah es der Gewerkschafter als dringend erforderlich an, ein klares Signal zu setzen, dass die Beschäftigten sich mit diesen Bedingungen nicht abfinden wollen. Bei 150 zum Streik aufgerufenen Kollegen und einem Organisationsgrad von knapp unter 50 Prozent konnte die Gewerkschaft zufrieden sein. Es standen wohl alle ihre Mitglieder aus der Schicht vor dem Tor.

Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, ist Matthias Knauer sicher, lässt die geforderte Lohnerhöhung durchaus zu, auch wenn die Unternehmensführung stets betone, wie schwierig die Lage der Kabel-Branche sei. Immerhin, fügt Jürgen Apfel hinzu, habe Prysmian den Kabelhersteller Draka hinzukaufen können und agiere an den Standorten Neustadt, Schwerin und Berlin erfolgreich am Markt. Für die Draka-Beschäftigten gelte übrigens der Flächentarif einschließlich der 35-Stunden-Woche.

Bereit für weiteren Arbeitskampf

"Der Warnstreik ist unser Signal: Wir bleiben bei unseren Forderungen", betont Apfel. An die Beschäftigten gerichtet fügt er hinzu: "Es wird einfach nicht anerkannt, welche Leistung ihr hier täglich bringt." Apfel ist bereit zu weiteren Maßnahmen, sollten die Verhandlungen heute erneut scheitern. Die Mitarbeiter sind das auch. Das wird in Gesprächen vor dem Werkstor immer wieder unterstrichen.

Dabei sorgt auch für Unmut - und das nicht nur bei Prysmian, wie Apfel weiß - dass in den Unternehmen eine starke Tendenz hin zu immer mehr Planung, Kontrolle und Überwachung zu erkennen ist, verbunden mit einem Personalaufwand, der vielen Beschäftigten in der Produktion überzogen scheint. Angesichts des Eindrucks, dass immer mehr "Aufpasser" immer weniger "Schaffern" gegenüber stehen, leide die Stimmung in den Werken. Während sich die Sonne hinter dem Muppberg hervorschiebt, kommt Gewerkschafter Apfel in Fahrt: "Über Neustadt lacht die Sonne", ruft er den Streikenden zu, "aber über das Angebot der Arbeitgeber lacht niemand mehr."