Jazz brodelte in Coburg

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Wilder Saxophonist in Coburg: Mulo Francel, hier mit Sven Faller am Bass. Carolin Herrmann
Wilder Saxophonist in Coburg: Mulo Francel, hier mit Sven Faller am Bass. Carolin Herrmann
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mulo Francel and Friends boten bei Leise am Markt mit anspruchsvollen Eigenkompositionen ein forderndes und weit reichendes Musikerlebnis.

Dieser Kaffee war ganz schön wild am Brodeln. "Mocca Swing" heißt harmlos klingend das Programm, mit dem Mulo Francel "and Friends" zum zweiten Mal bei Leise am Markt wirbelten. Der Münchner Weltmusiker ist hier im Raum gut bekannt von den Weltenbummlern Quadro Nuevo. Seinen vielseitigen musikalischen Interessen entsprechend agiert er aber auch mit diversen anderen Ensembles. Im intimen Rahmen von Leise am Markt wollte Francel offensichtlich seiner exzessiven Seite keinen Zwang antun. Am Sonntag ließ er den innovativen, wilden Jazzer raus.
Zu erleben war ein ungemein wendiger Saxophonist, dessen virtuosen Läufen in den einzelnen, trotzdem präzise gesetzten Tönen kaum mehr zu folgen war, was dann aber auch bis in die schrillende Auflösung getrieben wurde. Ob Tenor- oder Sopransax, die vielen kleinen verrückten Töne flirrten in "Südlichere Tage", nach einem Rilke-Gedicht. Selbst ruhigere Stücke zog es schnell immer wieder im Wirbel davon.
Wenn sich die Eigenkompositionen zu den anderen Instrumenten des Quartettes verlagerten, waren drei weitere Meister ihres Faches zu erleben: Der einfallsreiche, durchaus fordernde, aber sich nicht in den Vordergrund drängende Schlagzeuger Robert Kainar. Der wendige Bassist Sven Faller, dessen treffende eigene Komposition "Autobahn" in Coburg als Uraufführung zu erleben war. Und in gleicher Maßgeblichkeit neben Mulo Francel der Crossover-Pianist David Gasarov, der auch schon Solist bei den Bamberger Symphonikern war. Der Hatz der wilden Läufe mit dem Saxophon gab er sich mit entsprechender Fingerfertigkeit genüsslich hin.
Gasarov ist anerkannter Klassiker wie Jazzer. In einer seiner Eigenkompositionen führte er ein Chopin'sches Endzeitstück jazzig aus der Depression. Allerdings musste man sich Gasarovs feine Modulationskunst eher vorstellen, denn sie wurde von dem stumpf und hart tönenden E-Flügel vor Ort verschluckt.
Eine bitter-süße Melodie fügte Sven Fallers Stück auf die Liebe seiner Oma, deren jüdischer Geliebter 1938 fliehen musste, in das komplexe musikalische Netz dieses (frühen) Abends.
Eine kompositorisch so anspruchsvolle wie reiche Erfahrung brachte das dramatisch-expressive Gemälde auf den letzten Inkakönig, Atahualpa.
In einer der Zugaben bot das technisch herausragende Quartett dem geforderten, bis hierher aber trotzdem begeistert gefolgten Publikum auch noch "was Schönes", wie Mulo Francel ironisch aufs gesamte Programm bezogen ankündigte, eine ruhigere Jazzballade aus den 30er Jahren.