Der Heimatpfleger der Stadt bringt eine weitere Persönlichkeit ins Gespräch, nach der die Hindenburgstraße benannt werden könnte.
In die Diskussion um eine mögliche Umbenennung der Hindenburgstraße schaltet sich jetzt auch der Kultur- und Museumswissenschaftler Hubertus Habel ein, der zugleich Heimatpfleger der Stadt Coburg ist. Er beginnt mit der Aufzählung einiger Fakten: "Am 1. Mai 1945 wurden eine Reihe von Straßennamen ,entnazifiziert', darunter auch die nach Erich Ludendorff benannte frühere und heutige Löwenstraße. Dieser war Hindenburgs engster Mitarbeiter während der Militärdiktatur des Ersten Weltkriegs und seit den 1920er Jahren Mitkämpfer Hitlers. Allein die Hindenburgstraße hat man nicht neu benannt, weil man sich der fatalen Rolle dieses Reichspräsidenten, die er im Winter 1933 gespielt hatte, noch nicht bewusst war."
Weiter schreibt Habel: "Im Frühjahr 1932 unterstützte die SPD zähneknirschend Hindenburg in der Reichspräsidentenwahl, weil er für sie das geringste Übel neben den Kandidaten Thälmann (KPD) und Hitler (NSDAP) war und sie annahm, dass er die Verfassung nicht brechen würde. Doch darin täuschte sie sich: Hindenburg hat zur Überraschung aller - auch des angesichts der 1932 schwindenden NSDAP-Wahlergebnisse depressiv gewordenen "Führers" - und ohne Not, aber per Notverordnung (Artikel 48 Weimarer Verfassung) Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Er hat die von den Nazis am Folgetag des Reichstagsbrandes vom 27. Februar 1933 im Kabinett verabschiedete ,Reichstagsbrandverordnung' durch seine Unterschrift in Kraft und somit die wesentlichen Grundrechte außer Kraft gesetzt.
Die Nazis begannen umgehend mit der Ausschaltung von Oppositionellen und zuvörderst der für den Brand verantwortlich gemachten KPD. Daher war die nur fünf Tage später stattfindende Reichstagswahl mitnichten frei und demokratisch. Nur so konnte die NSDAP mit knapp 44 Prozent stärkste Fraktion werden, die Hindenburg dann mit der Regierungsbildung beauftragte. Diese Wahl als demokratischen Regeln entsprechend zu bezeichnen, verfälscht die Geschichte in fragwürdiger Tendenz. Schließlich haben die Nazis mit Hindenburgs Unterstützung vor der Wahl die KPD- und SPD-Aktiven und -Kandidaten inhaftiert, Wahlveranstaltungen verboten und deren Parteizeitungen eingestellt."
Nur SPD stimmte dagegen Habel verweist schließlich auf das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, gegen das allein die SPD gestimmt habe und durch das die Aufhebung der Gewaltenteilung die diktatorische Allmacht der Regierung Hitler "perfekt" geworden sei. Auch dieses Gesetz habe Hindenburg per Unterschrift in Kraft gesetzt. Habel stellt deshalb die Frage: "Kann es sein, dass durch das Postulat der angeblich demokratisch verlaufenen Reichstagswahl vom 5. März 1933 diese Fakten und die Grundrechtsstreichungen als wesentliche Mittel der frühen NS-Diktatur als tolerabel bewertet werden sollen?"
Und Habel hat dann auch noch einen Vorschlag: "Mein Vorschlag für einen neuen Namen der Hindenburgstraße fällt auf einen Coburger, der bereits 1931 die reichsweite Relevanz der Modellfunktion Coburgs für die Machtergreifung der Nazis erkannt, in den Jahren vor 1933 mit Zivilcourage und aus Verantwortung für das ihm anvertraute Amt gegen die Nazis im Rathaus gekämpft hat: Konrad Soergel, der schließlich von den Nazis aus dem Amt gemobbte Direktor der Sparkasse, versuchte die Ausplünderung der Liquiditätsreserve der Coburger Sparkasse zu verhindern, mit der die NSDAP die Rettung konkursbedrohter NS-Partei-Firmen in München und Dresden bewerkstelligen wollte."
Nach Ansicht von Habel ist davon auszugehen, dass die Neonazis bei ihrer Demo durch Coburg am 20. Oktober dieses Jahres auch ganz bewusst wegen der Unterstützung der NS-Diktatur durch Hindenburg die nach ihm benannte Straße entlang marschiert sind.