Grandiose Darsteller ziehen in Bann

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"Genius": Colin Firth und Jude Law im Wettbewerbs-Beitrag von Michael Grandage. Foto: Marc Brenner/Pinewood Films
"Genius": Colin Firth und Jude Law im Wettbewerbs-Beitrag von Michael Grandage. Foto: Marc Brenner/Pinewood Films

Wie sich das große Hollywood-Kino in diesem Jahr im Wettbewerb der Berlinale präsentiert.

Auf der Zielgeraden des Festivals ist nun endlich auch das große Hollywood-Kino richtig im Wettbewerb der 66. Internationalen Filmfestspiele in Berlin angekommen. Nachdem das Kriegsdrama "Jeder stirbt für sich allein" im Vergleich zu vielen anderen Produktionen überaus schwächlich daher stolperte, kam "Genius" mit Colin Firth und Jude Law beim Publikum erheblich besser an.


Die Geschichte von "Genius" (der erste Kinofilm des x-fach ausgezeichneten Bühnen-Regisseurs Michael Grandage) ist natürlich wie geschaffen für ein Filmfest-Publikum: Alles dreht sich um den genial-exzentrischen Autoren Thomas Wolfe (brillant: Jude Law), der in den Zwanziger Jahren wie ein Wirbelsturm durch die Literaturszene jagte, aber leider auch mit 38 Jahren viel zu früh verstarb. Und es geht um den Mann hinter Wolfe, den kaum weniger legendären Lektor Maxwell Perkins. Ihm wird heute noch attestiert, Wolfes Manuskripte um Tausende von Seiten gekürzt und damit erst druckreif gemacht zu haben.


"Genius" als Bären-Kandidat?

Den wahren Erlebnissen diesen ungleichen Erfolgsduos folgend, schildert "Genius" die Entstehungsgeschichte von Wolfes ersten beiden Romanen, "Schau heimwärts, Engel" und "Von Zeit und Strom" - ein ewiges Ringen um das richtige Maß, das von Perkins (mehr) und Wolfe (weniger) große Opferbereitschaft verlangte. "Genius" lebt von den grandiosen Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller. Insbesondere Colin Firth ("The King's Speech") ist in der Rolle des Maxwell Perkins der ruhende Pol an der Seite des in jeder Hinsicht überschäumenden Thomas Wolfe, eine wenig überraschend sehr dankbare Rolle für Jude Law. Insgesamt: Ein mehr als guter Film, der bei der Vergabe des goldenen und der silbernen Bären am kommenden Samstag sicher eine Rolle spielen dürfe. Wann er in Deutschland in die Kinos kommt, steht noch nicht fest.


Außerhalb des Wettbewerbes feierte in der Nacht auf Mittwoch der neue Film von Spike Lee seine von Fans vielumjubelte Deutschlandpremiere: "Chi-Raq". Lee - der mit dem monumentalen Biopic "Malcolm X" schon 1993 Berlinale-Geschichte schrieb - hat diesmal einen quicklebendigen Musikfilm gedreht. Der Plot für "Chi-Raq" ist freilich uralt: Es ist die um 400 vor Christus entstandene griechische Komödie von Lysistrata, der Anführerin der Frauen und Athen und Sparta, die ihre Männer mit Liebesentzug so lange erpressen, bis diese das Krieg führen und gegenseitige Morden beenden.


Erster Amazon-Film

Lee verlagert die Geschichte sinnigerweise ins heutige Chicago, wo in den vergangenen 15 Jahren mehr Amerikaner erschossen wurden als bei den Kampf-Einsätzen im Iran und Afghanistan zusammen.


Lees in den USA aufgrund seines Titels ("Chi-Raq" ist eine Mischung aus Chicago und Iraq, der US-Schreibweise für den Irak) nicht unumstrittener Film sprüht vor Elan im Kampf gegen die Kriege, die heutzutage auf den amerikanischen Straßen stattfinden.


Mit der Ausnahme von John Cusack als mächtig gegen die Banden zeternder Pfarrer sind alle wichtigen Figuren mit schwarzen Schauspielern besetzt. Ein wichtige Rolle spielt auch die Rap-Musik, was diesem im Herzen zutiefst pazifistischen Film den Zugang zum deutschen Markt allerdings sehr erschweren dürfte.


Interessanter Hintergrund: "Chi-Raq" ist der erste Film, der von der Online-Plattform Amazon produziert wurde. Das heißt, dass der Film schon unmittelbar nach seinem Start in ausgewählten US-Kinos auf der Download-Plattform "Amazon Prime" verfügbar war.


Ende der Kino-Zeiten?

Für viele Traditionalisten ist dies der Anfang von Ende der goldenen Kino-Zeiten. Eine arg pessimistische Sicht der Dinge, denn kein Beamer und schon gar kein Fernseher dieser Welt kommt an das Erlebnis eines Kinobesuches heran.