In ihrer Heimat leben Islandpferde meist draußen in Herdenverbänden. Auch deshalb gelten sie als robust, nervenstark, beweglich und abgehärtet. Und sie beherrschen mehr Gangarten als nur Schritt, Trab und Galopp.
"Es war der Tölt", sagt Annina Dressel. Der Tölt, diese spezielle Gangart, die fast nur noch den Islandpferden angeboren ist, und die den Reiter "so bequem wie auf einem Sofa sitzen lässt", wie Annina Dressel schwärmt. Die junge Frau lernte die Islandpferde und ihre spezielle Gangart in einem Reitstall auf der Ernstfarm kennen. "Wenn man erst mal Tölt geritten ist, will man nichts anderes mehr", schwärmt sie. Außerdem hätten die relativ kleinen Islandpferde "einfach einen coolen Charakter".
Warum das so ist, lässt sich auf der Homepage des Islandpferde Reiter- und Zuchtverbands Deutschland (IPZV) nachlesen: Islandpferde seien 1000 Jahre lang ohne Einkreuzungen von außen auf Island gezüchtet worden, heißt es da. "Islandpferde lebten in Island immer halbwild in großen Herdenverbänden. So entwickelten sich selbstbewusste Tiere mit intaktem Sozialverhalten, die von Geburt an auch mit schwierigstem Gelände fertigwerden mussten - beste Grundlagen für ein Reitpferd, das der harten Arbeit beim Schafabtrieb im Hochland, gefährlichen Transporten zu abgelegenen Höfen gewachsen sein musste."
Arbeiten in diesem Sinne müssen Annina Dressels Pferde nicht. Auch sie lässt ihre kleine Herde mit zehn Pferden mehr oder weniger draußen leben. Es gibt einen Offenstall, aber die Tiere können jederzeit auf großzügige Koppeln gehen. Wallache und Stuten haben zwar jeweils eigene Bereiche, sind aber nur durch Zaungurte voneinander getrennt.
Hier wachsen auch die beiden Jährlinge auf - die ersten Tiere aus Annina Dressels eigener Zucht, geboren im Sommer 2014. Die Mutter von Hengst Djankni kaufte sie tragend auf Island, die Mutter von Stute Gilja gehörte zu Dressels Herde. Nur Tiere, deren Stammbaum lückenlos auf in Island geborene Pferde zurückgeht, dürfen sich "Isländer" nennen. Dressels Pferde tragen den Nachnamen "vom Coburger Land".
Derzeit sind in Deutschland 43.793 Pferde beim Zuchtverband als Islandpferde eingetragen. Seit drei Jahren werde versucht, die Zahl der Islandpferde weltweit zu erfassen, erzählt IPZV-Sprecherin Charlotte Erdmann. Allerdings würden in Deutschland nur die Tiere registriert, die auch bei den Turnieren antreten oder für die Zucht gemeldet werden. Deshalb sei die Zahl der Islandpferde in Deutschland womöglich um 20 Prozent höher.
Die jungen Tiere haben viel Zeit, bis sie eingeritten werden. Erst mit viereinhalb Jahren will ihre Besitzerin mit der Ausbildung beginnen. Ausgewachsen seien die Tiere erst "mit sechs, sieben Jahren", erläutert Annina Dressel. Andere Pferderassen sind früher soweit, aber dafür werden Islandpferde im Durchschnitt auch älter und können längere geritten werden als andere Pferde.
Aber was hat es nun mit dem Tölt auf sich? "Der ist angeboren", erläutert Annina Dressel. Die Gangart ähnelt für den Laien einem schnellen Trab, aber das Pferd hat dabei immer einen Huf auf dem Boden. "Es gibt keine Spring- oder Flugphase", sagt Dressel. "Man sitzt erschütterungsfrei auf dem Pferd, das ist gut für Leute mit Rückenproblemen."
Den Tölt beherrschten früher vermutlich alle Pferde. Die mittelalterliche Bezeichnung "Zelter" für ein Damenpferd erinnert daran. Denn die Damen saßen seitwärts zu Pferd; traben oder Galopp reiten war da nicht möglich. Auch beim Reiten über lange Strecken wurde der Tölt bevorzugt.
Viele Isländer beherrschen außerdem den Rennpass. Den Passgang kennt man vom Kamel: Das Tier setzt gleichzeitig das rechte Vorder- und Hinterbein nach vorne, dann kommt die linke Seite. Der normale Schritt ist diagonal versetzt: Pferde, aber auch Hunde und Katzen laufen so. Der Rennpass ist die Spurtvariante des Passgangs und wird bei Wettbewerben über maximal 250 Meter geritten. "Wenn ich wieder züchte, dann nur mit einem Fünfgänger", sagt Annina Dressel. Denn auch den Isländern kommt bei der Zucht mal ein Gang abhanden. Manche zeigen den Tölt schon als Fohlen von ganz alleine, andere müssen ihn erst lernen.
Sensibel und kräftig
Abgesehen vom Tölt liebt Annina Dressel auch das Wesen ihrer Pferde: "Sie sind sehr sensibel und trotzdem sehr treu." Weil die Islandpferde ein sehr ausgeglichenes Wesen hätten, nicht allzu groß seien aber trotzdem sehr kräftig, seien sie auch beim therapeutischen Reiten sehr beliebt. Robust, wie sie sind, haben sie wenig gesundheitliche Probleme. Allerdings reagieren sie auf den Speichel der Griebelmücke, die es in Island nicht gibt, in unseren Breiten aber schon. Dann bilden sich Ekzeme, weshalb eins der Tiere auch einen Rundumschutz trägt.
Annina Dressel hat sich mit ihrer kleinen Herde einen Traum erfüllt. Auch ihren Berufsweg hatte sie noch bis vor kurzem aufs (Island-)Pferd ausgerichtet. Wegen eigener (angeborener) Knieprobleme hat sie die eigene Reitschule in Seßlach aber vorerst aufgegeben. "Es wäre ohnehin kein Job auf ewig gewesen", sagt sie. Derzeit arbeitet sie Teilzeit und gibt mobilen Reitunterricht.
Ihre kleine Herde pflegt sie mit Hilfe ihrer Mutter und einiger Helfer. Denn "du hast kein Wochenende, keinen Feiertag". Hündin Smilla und Kater Ruppi wollen ja außerdem noch versorgt werden.
Ein Video, in dem die Isländer beim Passgang und Tölt gezeigt werden, finden Sie
hier.
www.islandpferde-coburgerland.de stellt die Tiere von Annina Dressel vor.