Der Ebersdorfer Standesbeamte Harald Kutscher hat in 48 Dienstjahren viel erlebt. Im Ruhestand kann er zurückblicken.
Unzählige Beurkundungen hat Harald Kutscher in der Gemeinde Ebersdorf vorgenommen und eine Vielzahl von Ehen geschlossen. Nach 48 Dienstjahren, 43 davon in Ebersdorf, geht nun der Leiter des Standesamtes zum 31. Januar in den Ruhestand. Dem ranghöchsten und dienstältesten Beamten wurde die Versetzungsurkunde bei der offiziellen Verabschiedung überreicht.
Allein die Tatsache, dass Harald Kutscher viele Trauungen mit Brautleuten unterschiedlicher Nationalitäten aus fast allen Erdteilen schloss, lässt erahnen, dass er einige Anekdoten erzählen kann, die ein ganzes Buch füllen würden.
Spontan fällt ihm da das etwas ältere Brautpaar ein. Dieses wollte weder den Nachnamen des Bräutigams noch den der Braut führen, sondern "Mai" heißen. Auf Nachfrage des Standesbeamten erklärten die beiden, dass Mai schöner sei. "Diesen Wunsch konnte ich natürlich nicht ermöglichen", so der Verwaltungsamtsrat.
Keine kalten Füße
Auch wenn er in all den Jahren kein Brautpaar vor sich hatte, das kalte Füße bekam, wäre es bei einer Eheschließung fast dazu gekommen. An einem Samstagvormittag hatte Harald Kutscher zwei junge Leute getraut, die Mitglieder in einem Motorrad-Club waren. Vor dem Rathaus standen rund 100 Motorräder, und nach der Trauung gab es ein großes Hallo. Als er dann am Montagmorgen kaum auf seinem Stuhl saß, rief die noch am Samstag so glückliche Ehefrau an und fragte, ob die Trauung rückgängig gemacht werden könne, da sie erst auf der Feier erfahren habe, welchen "schrägen Vogel" sie da geheiratet hätte. Obendrein war dieser auch noch hochverschuldet. Dies war zwar kein Grund für eine Rückgängigmachung, allerdings wurde die Ehe schon nach kurzer Zeit wieder geschieden.
Ein Ereignis aus den 1980er-Jahren hat ihn auch menschlich emotional stark berührt, als er für eine junge Frau eine Geburtsurkunde für ihre beabsichtigte Eheschließung benötigte. Kurz nachdem sie sich von Harald Kutscher verabschiedet hatte, klopfte es und die Frau stand etwas verstört erneut in seiner Tür. Auf seine Nachfrage, ob etwas nicht stimme, erklärte sie, dass in der Urkunde der Name ihres Vaters falsch sei. Die junge Frau war, wie es damals noch hieß, "unehelich" geboren. Als ihre Mutter später einen anderen Mann heiratete, erhielt auch das Stiefkind dessen Nachnamen. Bis zu dem Tag, an dem sich die damals 19-Jährige die Geburtsurkunde ausstellen ließ, hatten ihr die Eltern verschwiegen, dass sie einen anderen biologischen Vater hat. "In diesem Moment hatte ich mit der Frau großes Mitleid", erzählt Harald Kutscher weiter.
Seit 1972 im Ebersdorfer Rathaus
Nach der Lehre zum Verwaltungsangestellten im Landratsamt Lichtenfels wechselte Harald Kutscher 1970 in den mittleren Beamtendienst der Regierung von Oberfranken und absolvierte dort seine Ausbildung gemeinsam mit seinem Freund und ehemaligen Coburger Landrat Karl Zeitler. 1972 wechselte er ins Ebersdorfer Rathaus. Dort war er Ansprechpartner für die Bürger und setzte sich für deren Belange engagiert ein. Damals hatte die Gemeinde etwas mehr als 4400 Einwohner. Heute sind es knapp mehr als 5900. Besonders werden von den Bürgern sein "offenes Ohr", seine Hilfsbereitschaft und sein menschlicher Umgang geschätzt.
"Den Schritt nach Ebersdorf in die Kommunalverwaltung zu wechseln, habe ich bis heute nicht bereut", versichert der Neuensorger. Dort war er anfänglich in der Hauptverwaltung tätig. Nach erfolgten Aufstieg in den gehobenen Beamtendienst leitete er mit viel Freude die Abteilungen und Sachgebiete Standesamt, Haupt- und Ordnungsamt. Dabei hat er immer nach dem Motto gehandelt: "Verwaltung darf nicht Selbstzweck sein, Verwaltung muss den Menschen dienen - ohne Ansehen der Person!"
Aufbauhelfer nach der Wende
Harald Kutscher fungierte bei zahlreichen Wahlen als Gemeindewahlleiter und brachte sein umfangreiches Fachwissen nach der Wende auch in den neuen Bundesländern als Aufbauhelfer in den Verwaltungen ein.
Auch außerhalb des Dienstes engagierte sich Harald Kutscher für die Allgemeinheit. Als Hobby-Chronist erarbeitete er die Gemeindechronik zum 750. Jubiläum Ebersdorfs. Zwischen 1978 bis 1990 war er Gemeinderat Weidhausen und hat den TSV Neuensorg wie kein anderer geprägt. Unter anderem führte er diesen mit Umsicht 33 Jahre als Vorsitzender.
"Mein lieber Freund Harald, du warst stets ein kollegialen Mitarbeiter, den ich heute verabschieden muss. Du bist ein Urgestein unseres Rathauses, ein liebenswerter Mensch, guter Arbeitskollege und Historiker", betonte Bürgermeister Bernd Reisenweber (BG) und überreichte ihm neben der Gemeindeuhr mit einem Augenzwinkern die Einbürgerungsurkunde der "United States of Aberschdarf" (U.S.A.), mit dem ihm die Bürgerrechte wie kostenfreier Zugang zum Naherholungsgebiet der Gemeinde, zuerkannt werden.
"Eine lebende Legende"
"Eine lebende Legende verlässt das Haus", leitete Personalratsvorsitzender Hartmut Seiler seine Abschiedsrede ein und erinnerte daran, dass seine Ehe von Harald Kutscher geschlossen wurde. Geschäftsleiter Stefan Kemnitzer sprach von einer stets guten Zusammenarbeit und dankte für manchen väterlichen Rat.
"Es war eine herrliche Zeit in Ebersdorf, ich werde öfters kommen. Bitte setzt euch weiter für die Gemeinde ein", bat Kutscher schließlich seine Kollegen, die ihm Präsente überreichten.
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