Für Europa werben: Dafür ging Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag in Coburg auch die AfD frontal an.
Für Europa werben - "damit die ,normalen Demokraten‘ zur Wahl gehen" am 26. Mai: Das war der Appell von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitagabend im "Münchner Hofbräu". Auf Einladung des Europe-Direct-Zentrums der VHS Coburg war der Minister zum "Bürgerdialog" gekommen.
Der Einladung waren allerdings nicht so viele Coburger gefolgt, dass der große Saal der Gaststätte voll geworden wäre. "Weil die Handwerker jetzt noch mit der Bürokratie kämpfen", wie eine Rednerin in der Diskussion mutmaßte. "Wir haben die Tendenz, dass alles auf Europa geschoben wird", erwiderte Hermann, der in den knapp eineinhalb Stunden zuvor immer wieder die Vorzüge des geeinten Europa gerühmt hatte.
Vorzüge für Deutschland und die übrigen Partner: Nur gemeinsam hätten die Länder Europas weltpolitisch noch Gewicht, ob es nun um Strafzölle der USA gehe oder um Konflikte im Nahen Osten, betonte Herrmann.
Der Friede, der Wohlstand, die Freiheiten: Das sichert die europäischen Einheit den Mitgliedstaaten. Aber zu befürchten sei, dass bei einer schwachen Wahlbeteiligung die Europaskeptiker eine Mehrheit im EU-Parlament gewinnen. "Die AfD redet den Leuten dummes Zeug ein", sagte Herrmann unumwunden. "Da muss man den Mut haben und sagen: Das ist Blödsinn, bei aller Toleranz und Meinungsfreiheit".
Auch deshalb finden die "Bürgerdialoge" statt, wo Vertreter der pro-europäischen Parteien für die Demokratie werben, zu der Meinungsunterschiede und Mehrheitsentscheidungen gehören, wie Joachim Herrmann deutlich machte. "Wir müssen die klare Position vertreten: Dieses Europa ist im Interesse der Menschen in unserem Land", sagte Herrmann. Ähnlich hatte sich zuvor Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) geäußert: "Europa ist doch für alle Nationen ein Geschenk."
Auch auf Dinge wie den internationalen Terrorismus oder Migration könnten die europäischen Länder nur gemeinsam reagieren, sagte Herrmann. Inzwischen sei vereinbart, dass an ein EU-weites elektronisches Ein- und Ausreiseregister eingeführt werde, mit Fingerabdrücken und Kontrolle, ob fristgerecht wieder ausgereist werde. "Wir brauchen eine Kontrolle, wer kommt und wer da ist. Das ist international ganz normal", sagte Herrmann, der auch betonte, dass die Asylproblematik nicht mehr die gleiche sei wie 2015. Inzwischen werde jeder Asylbewerber erfasst. Es gelte, die Fluchtursachen zu bekämpfen, betonte der Innenminister. "Wir müssen den Menschen in Afrika, dem Nahen Osten und anderswo mehr Perspektiven in ihrer Heimat vor Ort bieten." Auch das könne Europa nur gemeinsam leisten.
Das klingt ja alles ganz schön, was uns der Herr Hermann da so erzählt, aber irgendwie bleibt mir doch in Erinnerung, daß ich von der CSU in Bezug auf Europa und die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten schon ganz andere Töne vernommen habe und das ist noch gar nicht lange her. Ich nehme der CSU also ihren jetzt so vehement vorgetragenen europafreundlichen Kurs nicht ab, denn wer noch bis vor Kurzem ein guter Freund der Herren Orbàn und Kaczynski und von deren geradezu antieuropäischer Politik war, ist nicht geeignet jetzt auf einmal den überzeugten Europäer zu geben. Es sollte natürlich von einem geradezu elementaren Interesse für alle Bürger sein, an der Wahl zum europäischen Parlament teilzunehmen und Parteien zu wählen, die für eine Vertiefung des europäischen Gedankens und für eine Demokratisierung und damit für eine größere Bürgernähe der europäischen Institutionen eintreten - wer das aber will, darf nicht CSU wählen. Ich jedenfalls werde das aus den genannten Gründen ganz gewiß nicht tun.
Daß Sie ziemlich linkslastig sind, haben Sie schon an anderer Stelle bekundet, auch daß Sie ein gutes Auskommen haben unterstelle ich Ihnen mal. Aber es kann die Welt nicht auf Deutschlands Kosten genesen ! Wir haben es mit einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten zu tun. Deutschland kann nicht Lokomotive für alle sein. Die EU ist viel zu aufgebläht, die Last für Deutschland so groß, daß wir schon jetzt herunter gezogen werden. Alleine die Zinspolitik der Europäischen Notenbank läßt schon heute viele Sparer verarmen, weil andere deren Geld ausgeben.
Heinrich Heine hat konstatiert: "Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat." – und damit hat er gewiß nicht das reflexartige Nachplappern von wohlfeil-populisitschem Geblubber gemeint ...
Da wäre aber doch einiges zu klären, lieber oder liebe "alusru": Deutschland ist - vielleicht wissen Sie das nicht ? - ein ganz eindeutiger Nutznießer einer europäischen Einigung, wenn nicht sogar DER Nutznießer schlechthin. Wie kommen Sie dann also bitte auf den Gedanken, das andere auf Kosten Deutschlands genesen sollten ? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: was glauben Sie denn wohl, was - auch in Coburg übrigens - passierte, wenn Deutschland nicht in so hohem Maße in die Länder der EU exportieren würde ? "Wir" werden "heruntergezogen" ? Ich denke, das ist doch wohl die falsche Sichtweise, denn wenn überhaupt jemand "heruntergezogen" wird, dann ganz sicherlich nicht Deutschland. Was die Politik der EZB anbelangt haben Sie durchaus recht: die Leistungen von Sparern werden entwertet, aber auch nicht nur in Deutschland. Das Problem bei der Politik der EZB ist doch nicht, das "wir" für andere zahlen müßten, sondern das die kleinen Leute überall zugunsten von Staaten und der Wirtschaft förmlich geschröpft werden. Das hat aber überhaupt nichts mit einer angeblichen Belastung Deutschlands zu tun - die es nebenbei auch nicht gibt - aber sehr viel damit, das Politik auf dem Rücken der "normalen" Bevölkerung gemacht wird und die sich das unverständlicherweise auch noch gefallen läßt. Also: wenn Ihnen die Richtung nicht paßt - das ist Ihre Sache - dann greifen Sie aber auch die richtigen Verantwortlichen an und die lassen sich ganz schnell ausmachen: eine neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik und ihre vielen Nutznießer in Wirtschaft und Verwaltung.
Wie kann dies "im Interesse der Menschen" sein:
"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." – Jean-Claude Juncker in Die Brüsseler Republik, Der Spiegel, 27. Dezember 1999.
Solange die EU nicht tiefergehend demokratisch legitimiert wird, ist all das, was z. B. ein Herr Hermann zu solchen Gelegenheiten sagt, hohles Geschwätz von abgehobenen Apparatschiks, die den Brexit-Schuß ebensowenig wahrnehmen wollen, wie die um sich greifenden national(istisch)en Umtriebe in der EU.
Franz Grillparzers Vierzeiler von 1849 ist heute aktueller denn je – aber keiner, der etwas bewegen könnte, schert sich auch nur einen Deut darum:
Der Weg der neuern Bildung geht
Von Humanität
Durch Nationalität
Zur Bestialität.
Wenn nicht alles schon mal so gekommen wäre – geschenkt!
Aber so bleibt nur, sich resignierend eines geflügelten Wortes von "Irmtraud" (Erni Singerl), der Haushälterin vom Monaco Franze zu erinnern: "Macht's nur so weiter!"