Ayman Shanana verbringt den Heiligen Abend allein im Gästehaus der Firma Kaeser. Der junge Syrer lebt dort mit 24 ausländischen Auszubildenden.
Während sein Vater in Damaskus die Gärten der verlassenen herrschaftlichen Villen hütet und am Himmel die Tiefflieger in sicherem Abstand beobachtet, sitzt Ayman Shanana auf seinem Zimmer im Gästehaus der Firma Kaeser. Ihn plagen eine Grippe und Zahnschmerzen. Doch der junge Mann lächelt und wirkt zufrieden - auch, wenn er über Weihnachten andere Pläne hatte. Er wollte zusammen mit seinem Bruder seine Onkel und Cousins in Nürnberg besuchen.
Das muss jetzt erst noch warten. Der 22-jährige Syrier wird den Heiligen Abend allein verbringen. Denn seine Kollegen - allesamt junge, ausländische Auszubildende aus aller Welt - sind nach Hause gefahren oder feiern Weihnachten bei befreundeten Familien. Auch die anderen fünf unbegleiteten Jugendlichen, die nach Deutschland geflohen sind und bei Kaeser eine Chance bekommen haben, sind untergebracht.
Ayman Shanana versichert glaubwürdig, dass das für ihn so in Ordnung ist. Er fühlt sich wohl in Coburg. "Hier gibt es genug zu tun", meint er und freut sich, seine Freunde vom Theaterspielen zu treffen. Derzeit arbeitet er an einem neuen Stück in der Reithalle mit, das sich mit dem IS beschäftigt. Ayman übersetzt aus dem Arabischen und bringt sein Wissen und seine Erfahrungen ein. "Das macht mir viel Spaß," sagt er und erzählt von seiner Geschichte.
Vor drei Jahren hat er Syrien verlassen. Er wollte nicht zum Militärdienst eingezogen werden - zumal er dagegen demonstriert hatte, verhaftet und bis zur Unkenntlichkeit misshandelt wurde. Auch seine Eltern wollten ihren Sohn in Sicherheit wissen. Es verschlug ihn zunächst in die Türkei. "Doch dort kümmert sich keiner. Wir dürfen offiziell nicht arbeiten und bekommen keine Aufenthaltserlaubnis!" Nachdem auch sein jüngerer Bruder Ahmad (20) in die Türkei floh, entschieden sich die beiden nach Deutschland zu gehen.
Erfolgreiche Sprachkurse
Seit 2015 sind sie nun hier. Beide absolvierten erfolgreich die Sprachkurse im Berufsbildungszentrum und beide starteten im September ihre Ausbildung als Maschinen- und Anlageführer bei Kaeser. "Was die jungen Männer hier leisten, ist unglaublich," sagt Ausbilder Simon Kretschmer. Nach der Arbeit geht's mit einem gezielten Deutschunterricht, den das Unternehmen anbietet, weiter.
Das Zimmer von Ayman ist gespickt mit Vokabelzetteln. Einmal geht's um die deutschen Artikel, ein andermal um die Bedeutung. An der Wand hängt eine große Luftaufnahme von Damaskus. Ayman zeigt mit dem Finger auf das Haus seiner Eltern. "Wir wohnen nahe am Marktplatz und deshalb relativ sicher", erzählt er. Nur wenige Häuserblocks entfernt wohne der Präsident, deshalb habe er keine Angst um seine Eltern.
Zusammen mit Spaniern, Italienern, Polen, Rumänen, Afghanen, Pakistani und anderen Syrern hat Ayman in dem renovierten Gästehaus, das an das Ketschendorfer Schloss angrenzt, ein neues, vorübergehendes Zuhause gefunden.
Die Gebäude sind nun Eigentum des Coburger Druckluftsystem-Anbieters Kaeser Kompressoren. Der einstige Anbau, in dem sich früher ein Großteil der Zimmer für die Herbergsgäste befand, wurde zu Wohneinheiten für Auszubildende und Werksstudenten umgebaut.
Ein Zuhause für Jugendliche
Insgesamt entstehen 30 Zimmer vergleichbarer Größe und Ausstattung die zu Vierer- Fünfer- und einer Sechser-WGs zusammengefasst sind. Im obersten Stockwerk gibt es sogar eine Dachterrasse. Die Wohnungen sind unter anderem für junge Menschen vorgesehen, die Kaeser Kompressoren gerne aus dem europäischen Ausland nach Coburg holen möchte, um ihnen hier eine Ausbildung zu ermöglichen. Besonders Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit sind dabei im Fokus. Tina-Maria Vlantoussi-Kaeser, Vorstandsmitglied: "Wir möchten jungen Menschen eine Chance geben, eine fundierte Ausbildung zu erwerben. Wenn wir sie zu uns holen, sind sie mitunter noch sehr jung. Durch die neuen Wohnräume können wir ihnen auch ein Heim anbieten, in dem sie kostengünstig zusammen mit Gleichgesinnten leben können"
Kaeser ist es ein Anliegen, auch jungen Flüchtlingen eine Chance zu geben. In dem Wohnheim werden die jungen Männer nicht mehr betreut. Sie genießen dort ihre Privatsphäre. Das bedeutet aber auch, dass sie sich um alles selbst kümmern müssen. Also nach der Arbeit und dem Deutschunterricht steht Einkaufen, Kochen und Saubermachen auf dem Plan.
Für Ayman passt das alles so. Als Moslem ist Weihnachten für ihn kein religiöses Fest. "Aber wir feiern mit." Das bestätigt auch sein jüngerer Bruder, der sich auf seine Cousins in Nürnberg freut. Und natürlich auf seinen Bruder, der ein paar Tage später nachkommt. Dann wollen sie auch Aymans Geburtstag nachfeiern. Den hat er nämlich am 25. Dezember.