Das Bild vom himmlischen Coburg

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Der Stadtplan aus dem 13. Jahrhundert zeigt, dass die Henneberger Grafen Coburg nach dem Stadtbrand so anlegen ließen wie das "himmlische Jerusalem" in der Offenbarung des Johannes. Repro: Hubertus Habel
Der Stadtplan aus dem 13. Jahrhundert zeigt, dass die Henneberger Grafen Coburg nach dem Stadtbrand so anlegen ließen wie das "himmlische Jerusalem" in der Offenbarung des Johannes. Repro: Hubertus Habel
Die Abbildung zeigt das vorgelagerte innere Ketschentor, das heute nicht mehr existiert.
Die Abbildung zeigt das vorgelagerte innere Ketschentor, das heute nicht mehr existiert.
 

Coburg wurde nach dem Vorbild des "himmlischen Jerusalems" erbaut. Heimatpfleger Hubertus Habel hat den Beleg dafür in Brüssel entdeckt: einen Stadtplan aus dem 13. Jahrhundert.

Am Palmsonntag, also an diesem Wochenende, wird des Einzugs Jesu Christi in Jerusalem gedacht. Und was, bitte schön, hat das mit Coburg zu tun? Mehr als erwartet, findet Stadtheimatpfleger Hubertus Habel. Seit er vor Jahren einen Stadtplan von Coburg aus dem 13. Jahrhundert gefunden hat, beschäftigt ihn das Thema. "Es handelt sich dabei um einen Pilgerplan aus der Spätzeit der Kreuzzüge, den Ausschnitt aus einer Weltkarte. Das Original liegt in der Nationalbibliothek in Brüssel", erzählt er. Die Anlage nach biblischem Vorbild hat Coburg den Henneberger Grafen zu verdanken. Nach dem Aussterben der Herzöge von Andechs-Meranien und dem Vertrag von Oberlangenstadt (1260) fiel deren Besitz in und um Coburg an das Haus Henneberg.
"Nach einem Stadtbrand, dessen Datum man aber nicht genau kennt, haben sie alles planiert und durch Aufschüttungen die Ketschenvorstadt auf das gleiche Niveau wie den Rest der damals noch kleinen Stadt gebracht."

Tore in allen Himmelsrichtungen

Und sie haben sich am Plan für das "himmlische Jerusalem" orientiert, der in wichtigen Zügen auch dem des irdischen Jerusalems entspricht. Form und Ausmaße sind im neutestamentlichen Buch der Offenbarung des Johannes zu finden. "Ein Engel beschreibt darin Johannes den idealen Stadtstaat am Ende der Apokalypse. Es ist eine Vision, aber sehr konkret", sagt Hubertus Habel. Zum Beispiel die Ausmaße. Die Stadt soll ebenmäßig sein und jeweils 12 000 Stadien (ein Stadion misst etwa 185 Meter) lang und breit sein. Eine große Mauer soll sie umgeben, an der in jeder Himmelsrichtung drei Tore stehen. Diese Anforderung wurde erfüllt. Die vier Coburger Stadttore, das Steintor, das Judentor, das Ketschen- und das Spitaltor hatten vorgelagerte Tore mit zwei Türmen, drei Türme insgesamt. In Jerusalems Mitte befindet sich ein zentraler Platz - in Coburg der Marktplatz. Von ihm verlaufen gerade Straßen zu den Toren. Von Osten kommend, befindet sich auf der linken Seite die doppelt urmige Hauptkirche - in Jerusalem ist es die Golgatha-Kirche, in Coburg St. Moriz. "Es ist anzunehmen, dass an der Stelle, an der heute die Morizkirche steht, früher mal ein kleines Kirchlein stand. Die Reste eines Friedhofs, die dort gefunden wurden, weisen darauf hin", erläutert Hubertus Habel.

Die Form des "himmlischen Jerusalems" ist rechteckig, aber die geforderte "Ebenmäßigkeit" bietet auch der Kreis. "Im Falle Coburgs handelt es sich eher um ein gequetschtes Ei." Schwierig war es, die vorgegebenen Ausmaße einzuhalten. 12 000 Stadien wären 2200 Kilometer Seitenlängen. "In Coburg hat man die Maße eingedampft. Als Grundlage wurden 1200 Fuß genommen." Daraus ergibt sich entsprechend dem Coburger Fuß mit 30,38 Zentimetern eine Ausdehnung von 364,56 Metern. Tatsächlich messe die Distanz vom einstigen inneren Ketschentor bis zum Spitaltor etwa 364 Meter. "Vom Steintor zum Judentor ist es etwas weiter", sagt Hubertus Habel. A ber die Zahl zwölf müsse sein. "Sie hat symbolischen Wert und steht zum Beispiel für die zwölf Apostel, die zwölf Stämme Israels oder die zwölf Monate." Tausend sei etwas nur schwer Fassbares und damit gut geeignet für die im übertragenen Sinne unvorstellbare Größe des Reichs Gottes.

Warum die Henneberger Coburg nach dem Vorbild des "himmlischen Jerusalems" angelegt haben, kann Hubertus Habel nur vermuten: "Wahrscheinlich wollten sie anhand der Architektur zeigen, dass es sich hier um eine christliche Stadt handelt, in der der Friede Gottes herrscht."

Jerusalem-Lied

Doch es gibt noch eine weitere Verbindung zwischen Coburg und der heiligen Stadt: Johann Matthäus Meyfart, der von 1617 bis 1623 am akademischen Gymnasium (Casimirianum) zunächst als Gymnasialprofessor, später als Rektor tätig war, hat das geistliche Lied "Jerusalem, du hochgebaute Stadt" geschrieben. Die Melodie dazu stammt von Melchior Franck.

Zwar bedient sich Meyfart in erster Linie der biblischen Bilderwelt, aber an einer Stelle nimmt er auch Bezug auf Coburg: "O Ehrenburg, nun sei gegrüßet mir, tu' auf der Gnaden Pfort! Wie große Zeit hat mich verlangt nach dir, eh ich bin kommen fort."