Der Freistaat fördert Ärzte, die sich in ländlichen Gebieten niederlassen. Aber Creidlitz gehört zur Stadt Coburg und ist damit nicht ländlich genug.
Das Thema beschäftigt Michael Ernst schon wegen der Familiengeschichte: Sein Großvater gründete 1949 die Praxis für Geburtshilfe und Allgemeinmedizin in Creidlitz. Michael Ernst hätte ebenfalls Arzt werden können, aber da war auch noch die Apotheke seiner Mutter in Creidlitz. Die führt heute Michael Ernst mit seiner Frau Barbara.
Gegenüber befand sich die Praxis der Nachfolger seines Großvaters. Bis März 2014: Dann löste sich die darin bestehende Praxisgemeinschaft auf. Der Arzt, der alleine zurückblieb, beschloss, die Räume in Creidlitz komplett zu schließen und in die vorherige Filiale in Untersiemau zu ziehen. "Da hat die Gemeinde ein modernes großzügiges Praxishaus gebaut", sagt Michael Ernst. Der Standort in Creidlitz habe da nicht mithalten können.
Praxen nehmen niemand auf
Michael Ernst hat die leerstehenden Räume ständig vor Augen, und er kennt die Nöte seiner Kunden. Die können zwar, sofern sie vorher Patienten der Creidlitzer Praxis waren, weiterhin nach Untersiemau zu ihrem Arzt fahren. Aber gerade für die älteren Leute sei das beschwerlich, sagt Ernst. Untersiemau liegt außerdem nicht mehr im Coburger Stadtbusgebiet.
Bei einem anderen Arzt unterzukommen sei schwierig: "Mit Ausnahmen nimmt die Niederfüllbacher Praxis nur noch Niederfüllbacher, die Ahorner Praxis Ahorner und die Untersiemauer Praxis Untersiemauer Patienten an", sagt Ernst. Der von Creidlitz aus nächstgelegene Arzt im Coburger Stadtgebiet habe seine Praxisräume in der Goethestraße.
Stadt sucht Nachfolger
Die Stadt Coburg habe sich durchaus um Nachfolger für den Standort Creidlitz bemüht, sagen Dritter Bürgermeister Thomas Nowak (SPD) und Stephan Horn, Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Wifög). Doch trotz Gesprächen mit "mindestens vier oder fünf Ärzten" (Horn) bewarb sich keiner um den Standort in Creidlitz. Einen Grund dafür sehen Nowak und Horn im Förderprogramm der bayerischen Staatsregierung. Ärzte, die sich in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern niederlassen, können bis zu 60 000 Euro erhalten. "Das Programm ist absolut unfair. Das sind keine gleichwertigen Wettbewerbsvoraussetzungen", sagt Thomas Nowak. Stephan Horn zufolge hat sich die Stadt sogar schon an die zuständige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gewandt und um eine Art Sonderregelung für Creidlitz gebeten - ohne Erfolg.
Horn sieht allerdings auch noch andere Faktoren, die Ärzte davon abhalten, eine eigene Praxis zu gründen: "Unsere Erfahrung ist, dass die Ärzte ein wirtschaftliches Konstrukt suchen, innerhalb dessen sie ihre Arbeit machen können" - sie wollen als Mediziner tätig sein, sich aber nicht um das Kaufmännische kümmern müssen.
Stadt darf nicht subventionieren
Mit Existenzgründerzentren hat die Wifög Erfahrung. Aber eine Art "Ärztezentrum" sei aus verschiedenen Gründen für die Wifög nicht machbar, sagt Horn. Nicht zuletzt wegen des fehlenden Geldes. "Wenn so etwas rentabel wäre, hätten sich längst Investoren gefunden." Direkt subventionieren dürfe die Stadt die Ansiedlung von Ärzten jedenfalls nicht - das ist vom Gesetz her nicht erlaubt.
Apotheker Michael Ernst befriedigen solche Auskünfte nicht: "Eine Kommune findet irgendwo eine Möglichkeit", meint er. Die Ansiedlung neuer Hausärzte sei überdies nicht nur ein Thema für die Patienten, sondern auch für die jetzigen Praxisinhaber: Der Verkauf der Praxis an einen Nachfolger sei Teil von deren Alterssicherung.
Rechtlicher Hintergrund
Stadt und Landkreis (ohne das Gebiet von Neustadt) sind ein gemeinsamer Planungsraum. Laut Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) sind hier acht Hausarztstellen frei, auf die sich ein Arzt bewerben könnte und der dann wohl auch die Kassenzulassung erhalten würde. Allerdings dürfen sich die Ärzte im Planungsraum niederlassen, wo sie möchten.
Der Freistaat Bayern fördert die Ansiedlung von Ärzten in Kommunen mit weniger als 20000 Einwohnern mit bis zu 60000 Euro pro Praxis. Die KVB gewährt Zuschüsse für Ansiedlungen in unterversorgten Gebieten, aber dazu gehört Coburg (noch) nicht. Hier liegt der rechnerische Versorgungsgrad bei 98,8 Prozent.
Die KVB hat in ihrem
Versorgungsatlasaufgelistet, wie es um die Zahl der Ärzte in den bayerischen Landkreisen bestellt ist. Der Planungsraum ist ab Seite 100 zu finden.
@Suedstaedter1
Die im Bericht genannte Kassenärztliche Vereinigung (KVB) ist keine den Krankenkassen zugehörige Organisation.
Die KVB über sich selbst: "Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) vertritt die Interessen der rund 24.000 niedergelassenen Vertragsärzte und Psychotherapeuten in Bayern."
Nachzulesen z.B. in den Meta-Daten der KVB-Homepage.
Interessant ist auch folgende Aussage: "Die zweite Kernaufgabe: Die Sicherstellung der ambulanten Patientenversorgung: Rund um die Uhr und, im Sinne des Gewährleistungsauftrages, qualitätsgesichert."
Quelle: https://www.kvb.de/ueber-uns/
Danke! Klingt für mich wie Hohn, oder? Qualitätsgesichert.... Überlastete Ärzte, minimalstversorgte Patienten. so zumindest meine Erfahrungen.
Theoretisch sind 98,8 % Versorgungsgrad erreicht. Das mag für sich gesehen stimmen. Aber! Was ist mit den restlichen 1,2 %? Diese fallen durch das Raster? Warum?
Und neben der theoretischen Fast-Vollversorgung werden da wohl kaum die Wartezeiten berücksichtigt. Sich den Arzt frei heraussuchen? Träumt weiter, liebe Planer. Ober der Arzt sich gut kümmert oder das Minimalprogramm abzieht - der Patient ist nun auf Gedeih und Verderb an den Gott in weiß gebunden.
Danke, liebe Regierung, danke, liebe Kassen. Für alles und jeden ist in unserem Staat Geld da, nur nicht für die, die wirklich Hilfe benötigen.