Mit 23 zu sieben Stimmen beschließen die Ratsmitglieder, dass die Stadt sich bis Ende 2025 an die Projektgesellschaft für den Neubau eines Verkehrslandeplatzes bei Neida bindet. In der Debatte ging es aber weniger ums Thema als um Anstand und Moral.
Es war in mehrerlei Hinsicht eine denkwürdige Stadtratssitzung. Sie wurde außer der Reihe einberufen, um sicherheitshalber einen Beschluss des Feriensenats zu bestätigen, obwohl noch nicht klar ist, ob dieser Beschluss gültig ist oder nicht. Es dürfte die erste Sitzung gewesen sein, die per Verwaltungsgericht verhindert werden sollte. Und: In sehr deutlichen Worten warf Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) einigen Ratsmitgliedern verantwortungsloses Verhalten vor.
Gericht machte den Weg frei
Der erste Beschluss fiel etwa eine Dreiviertelstunde, bevor der Stadtrat zusammentrat: Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth entschied, dass die Stadtratssitzung stattfinden dürfe. Denn der Stadtrat sollte (unter anderem) beschließen, dass die Stadt sich bis zum Jahresende 2025 an die Projektgesellschaft Verkehrslandeplatz Coburg (PGVC) bindet. Die PGVC soll einen neuen Flugplatz bei Neida bauen. Die Stadt ist dort Mehrheitsgesellschafter.
Die geänderte Satzung sieht vor, dass die Gesellschafter erst nach dem 31. Dezember 2025 austreten können. Per Bürgerbegehren sollte erreicht werden, dass die Stadt sofort austritt und sich auch nicht finanziell am Bau eines neuen Verkehrslandeplatzes bei Neida beteiligt. Dann wäre es wohl schwer geworden, ein öffentliches Interesse am Neubau eines Verkehrslandeplatzes zu begründen.
Der Landkreis muss nach einem entsprechenden Bürgerentscheid die PGVC verlassen. Damit auch die Bürger der Stadt darüber abstimmen können, hätte der gestrige Stadtratsbeschluss verhindert werden müssen. Deshalb hatten die Unterstützer des Bürgerbegehrens "Für den Erhalt der Brandensteinsebene" das Verwaltungsgericht Bayreuth angerufen.
Vergeblich: Es sei noch nicht formal geklärt, ob der Bürgerentscheid stattfinden könne, erklärten die Richter unter Vorsitz von Verwaltungsgerichspräsident Thomas Boese. Die Stützunterschriften seien zwar eingereicht, aber noch nicht geprüft worden - genauso wie das Anliegen des Bürgerbegehrens selbst. Unter diesen Umständen sei es nicht gerechtfertigt, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht einzuengen. In dem Moment, wo ein Bürgerbegehren für zulässig erklärt ist, darf ein Gemeinderat nichts mehr beschließen, was dieses Bürgerbegehren aushebeln würde. Aber über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens kann der Stadtrat frühestens in seiner Sitzung am 22. Oktober entscheiden.
Das Gericht hatte die Sitzung erlaubt, und die Stadtratsmehrheit wollte auch abstimmen: Dem Antrag von Martina Benzel-Weyh (Grüne), den einzigen Tagesordnungspunkt der öffentlichen Sitzung abzusetzen, folgten nur fünf weitere Stadträte. Benzel-Weyh und Klaus Klumpers (ÖDP) sind auch Vertreter des Bürgerbegehrens.
Wirtschaft will Sicherheit
Es folgte eine etwa halbstündige Debatte, bei der es nur zum Teil um das eigentliche Anliegen ging: Die PGVC wurde gegründet, um einen neuen Verkehrslandeplatz zu bauen, nachdem der vorhandene auf der Brandensteinsebene für die Maschinen Coburger Unternehmen nur sehr eingeschränkt bis gar nicht nutzbar ist. Die Firmen Brose Fahrzeugteile, Kapp Werkzeugmaschinen und Schumacher Packaging haben dort ihre Firmenflugzeuge stationiert und sind ebenfalls Gesellschafter der PGVC.
Friedrich Herdan (CSU) machte deutlich, dass die Partner in der PGVC eine langfristige Bindung brauchen, um eine verlässliche Perspektive zu haben. "Wir brauchen den Nachweis, dass die Finanzierung sicher ist." 15 Millionen Euro will die Staatsregierung geben, 15 Millionen Euro soll die PGVC aufbringen, "und die Wirtschaft übernimmt den Löwenanteil", nämlich 9,5 Millionen Euro. Die Stadt trägt 5,5 Millionen.
Wenn die Stadt aus der Planung für den neuen Flugplatz aussteige, bestehe die Gefahr, dass die Brandensteinsebene sofort die Zulassung für den Instrumentenflug verliere, machte Bettina Lesch-Lasaridis (SPD) deutlich.
Die Gegner des Flugplatzneubaus vertreten die Auffassung, dass die Brandensteinsebene ausreiche oder ertüchtigt werden könne. Dem widersprach Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD): "Sie selber haben am 26. Juni 2008 der Auffassung zugestimmt, dass ein Ausbau nicht möglich ist", hielt er den Grünen-Vertretern Wolf-Rüdiger Benzel, Angela Platsch und Wolfgang Weiß sowie Klaus-Klumpers (ÖDP) vor. Damals hatte der Stadtrat einstimmig den Ausbau der Brandensteinsebene abgelehnt, "weil dies technisch nur sehr schwer zu verwirklichen ist und die Investitionen wirtschaftlich nicht zu vertreten sind", steht im Protokoll. "Vor diesem Hintergrund immer wieder zu wiederholen, die Brandensteinsebene sei ausbaufähig, sei "verantwortungslos", wetterte Tessmer.
Schwer getroffen reagierte der OB auf den Vorwurf von Martina Benzel-Weyh, ein Oberbürgermeister dürfe die Bevölkerung nicht spalten. "Ich habe immer versucht, Kontrahenten zusammenzuführen", betonte Tessmer. "In der Demokratie muss es Konflikte geben, aber ich darf dem, der eine andere Meinung hat, nicht die Lauterkeit seines Handelns absprechen. Man wird mit Dreck beworfen in der Hoffnung, dass was hängen bleibt."
"Verantwortungslos!"
Tessmer wandte sich auch gegen die Vermutung der Grünen, dass es Erfolgsprämien gebe, wenn er Flugplatz gebaut werde. "Zeigt mir die Stelle in der Finanzplanung oder in Verträgen, wo die Prämie abgebildet ist - es gibt keine", betonte er. "Solche Gerüchte in die Welt zu setzen ist verantwortungslos." Auch von einem Mangel an Transparenz könne keine Rede sein - bei den monatlichen (nichtöffentlichen) Besprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden werde ausführlich informiert, betonte der OB.
Am Ende stimmten 23 der anwesenden Stadtratsmitglieder für die geänderte Satzung der PGVC und damit für den Verbleib der Stadt in der Gesellschaft bis mindestens zum Jahresende 2025. Sieben waren dagegen: Die vier Grünen-Vertreter Wolf-Rüdiger Benzel, Martina Benzel-Weyh, Angela Platsch und Wolfgang Weiß, Klaus Klumpers (ÖDP) sowie Monika Ufken und Dominik Sauerteig von der SPD.
Offen ist noch, ob die Vertreter des Bürgerbegehrens Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth einlegen. Das werde geprüft, kündigte Wolf-Rüdiger Benzel an.
Zitate aus der Debatte
"Bürgerbegehren sind eine Errungenschaft der Demokratie, und ich möchte, dass die Bürger hier gefragt werden."
Monika Ufken, SPD
"Eine Satzungsänderung ist jetzt noch nicht nötig. Wir haben noch nicht einmal Baurecht! Das ist eine Grabesstunde für die Demokratie in dieser Stadt."
Klaus Klumpers, ÖDP
"Das Verfahren für den neuen Verkehrslandeplatz läuft seit Jahren. Klumpers, Grüne und andere Aktivisten haben abgewartet, wie es im Landkreis läuft. Wenn Sie von Anfang an auf ein Bürgerbegehren gedrängt hätten, würde ich Ihnen das abnehmen."
Hans-Herbert Hartan, CSU.
"Ein OB handelt sicher demokratisch einwandfrei und zum Wohl der Stadt, wenn er das Wohl der Wirtschaft im Auge hat und über eine Mehrheit verfügt."
Friedrich Herdan, CSU
"Es wird viel mit dem Wort ,Anstand‘ Stimmung gemacht von den Gegnern. Ich halte es für unanständig, wenn ein Stadtratsmitglied nichtöffentliche Unterlagen veröffentlicht, und ich halte es für unanständig, wenn man mit Unwahrheiten arbeitet. Es ist kein Niedergang der Demokratie, wenn wir uns hier erlauben, Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese den Leuten vielleicht nicht gefallen."
Bettina Lesch-Lasaridis, SPD
"Erkennen Sie, dass der Flugplatz Brandensteinsebene nicht zukunftsfähig ist. Wir würden einen Riesenfehler machen, wenn wir nicht für den Bau eines neuen Verkehrslandeplatzes sind."
Gerhard Amend (CSB)
"Viele verstehen nicht, warum man für 30 Millionen Euro einen Flugplatz mit Ausnahmegenehmigung gegen einen neuen Flugplatz mit Ausnahmegenehmigung tauscht."
Wolfgang Weiß, Grüne
"Die Wirtschaft zahlt einen hohen Anteil der Kosten, aber sie profitiert auch davon. Für die Bürger geht es um Arbeitsplätze - und da hängen eine Menge am Flugplatz."
Andreas Gehring, SPD
"Sie nehmen für sich in Anspruch, aus edleren Motiven zu handeln als der Rest des Stadtrats. Sie sprechen der Mehrheit des Hauses die Lauterkeit ihres Handelns ab."
"Man wird mit Dreck beworfen in der Hoffnung, dass was hängen bleibt."
"Sie maßen sich an, den Mehrheitswillen zu repräsentieren. Ich weiß nicht, woher Sie diese Gewissheit haben." Oberbürgermeister Norbert Tessmer, SPD
Vor dem Hintergrund eines im Raum stehenden Bürgerbegehrens kann das Verhalten der befürwortenden Stadträte und des Oberbürgermeisters nur noch als erbärmlich angesehen werden.
Das Bürgerbegehren würde so oder so ins Leere laufen, da die Entscheidung zwecks der Projektgesellschaft schon im Feriensenat (im August!) getroffen wurde!
Die Anti-Flugplatzpropagandisten sind doch selbst schuld! Seit etlichen Jahren sind die Planungen zum Neubau bekannt - und jetzt, wenn ein Großteil der Entscheidungen längst gefallen ist (!), fällt ihnen urplötzlich (!) ein, dass man ja ein Bürgerbegehren starten könnte. Und wundert sich dann, wenn es auf einmal zu spät ist.
Aber Verstand und Weitsicht sucht man bei diesen Leuten ja eh vergeblich!