Die Zeit vor den Übertrittszeugnissen ist für manche Familien stressig. Schulpsychologin Helga Geheeb gibt Antworten auf häufige Fragen.
Es gibt Kinder, die wissen in der dritten Klasse schon ganz genau, an welches Gymnasium sie nach der vierten wechseln. Selbst Schulpsychologin Helga Geheeb staunt, wenn sie das ein oder andere Schulhofgespräch der Achtjährigen mit bekommt. Dabei muss es sich gar nicht um eine bewusste Vorgabe der Eltern handeln, "es gibt Kinder, die wollen das von sich aus."
Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich: Der eine mag auf die gleiche Schule wie seine Freunde gehen, der andere kennt das Gymnasium von der großen Schwester, die dritte spürt die Enttäuschung der Mutter, wenn es doch wieder "nur" eine Drei in Mathe war. Denn: Natürlich gebe es Eltern, die ohne Wenn und Aber den Schulweg für ihr Kind vorgezeichnet haben und dies lautstark formulieren.
Durchlässigkeit
Die Mittelschulen kommen da nur selten bis gar nicht vor. Selbst die Realschulen seien für viele keine Option. Leider, wie Helga Geheeb sagt. Denn das bayerische Schulsystem ist so durchlässig, dass der Weg in eine Hochschule von mittlerweile allen Schularten aus möglich ist. "Warum soll das Kind erst eine verkorkste Schulkarriere hinlegen?", fragt die Schulpsychologin, die um den Frust und Stress von Schülern weiß, die letztlich auf der falschen Schule gelandet sind.
Welche Voraussetzungen braucht es denn fürs Gymnasium - außer einem Notendurchschnitt von 2,33? Zunächst stellt die erfahrene Pädagogin fest, dass Kinder, die nur deswegen aufs Gymnasium wollen, weil die beste Freundin dahin geht, die Tragweite dieser Entscheidung überhaupt nicht erfassen können. Eltern sei gesagt, dass Kinder sehr schnell neue Freundschaften schließen und an ihren Herausforderungen wachsen. "Kinder können sich wunderbar anpassen, " weiß die Schulpsychologin. Zu den Noten sagt Helga Geheeb nur kurz: "Es wäre schon gut, wenn in Mathematik und Deutsch eine Zwei im Zeugnis steht."
Nicht nur wollen, auch tun
Daneben sei es jedoch wichtig, dass die Kinder nicht nur anstrengungsbereit wären, sondern dem Wollen auch ein Tun folge. Sie bräuchten schon eine gewisse Begabung und müssten sich klar darüber sein, dass die Nachmittage künftig anders aussehen. Auch eine Frustrationbereitschaft sollte erkennbar sein. Im Klartext: "Wenn mal etwas nicht gelingt, nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, sondern nochmal von vorne anfangen."
Kinder, die aufs Gymnasium gehen wollen, sollten gezielt lernen können und eine gewisse Struktur mitbringen. Die Hausaufgaben machen diese Kinder meist selbstständig, sie trödeln nicht herum, sind konzentriert bei der Arbeit.
"Die Schule ist eine Form der Zwangsgemeinschaft", formuliert es Helga Geheeb ganz emotionslos. Da werde gemacht, was der Lehrer sagt und vorgibt - nicht alles ständig hinterfragt. "Wir sind hier nicht bei Wünsch-Dir-was, sondern bei So-ist-es!" Die Schulpsychologin nennt die Dinge beim Namen. Schließlich ist die Schule Vorbereitung aufs Leben. Und Intelligenz allein sage gar nichts aus. Hochbegabt, sagt die Psychologin, sei der, der seine Intelligenz lebenspraktisch umsetzen könne.
Um die richtige Entscheidung zu treffen, sollten Eltern auf jeden Fall das Gespräch in der dritten Klasse suchen. Bei der Informationsveranstaltung zum Thema Übertritt geben die Lehrer eine genaue Einschätzung ab und beraten die Eltern, für welchen Schultyp das Kind geeignet sei. "Wer da gut zuhört und sich Rat holt, tut sich leichter", meint Helga Geheeb. "Die Kinder wollen es den Eltern recht machen. Sie wollen sie nicht enttäuschen," weiß die Lehrerin aus Erfahrung. Wenn dann aber die Noten nicht dazu passen, sind die Kinder einem großen inneren Druck ausgesetzt. Den gilt es zu vermeiden. "Denn, wenn die Kinder während der Probearbeit nur daran denken, dass sie es unbedingt schaffen wollen, bleibt keine freie Denkkapazität mehr für die Aufgaben."
"Das kannst Du besser!"
Die Eltern können ihre Kinder unterstützen, in dem sie Interesse zeigen. Die Hausaufgaben kontrollieren und miteinander verbessern. Auch hilft es, mal den aufmunternden Satz "Komm, das kannst Du besser!" sagen, statt stundenlang daneben zu sitzen und nur mit dem Radierer oder Tintenkiller herumzufuchteln.
Die Psychologin hält nichts davon, dass sich Mütter und Kinder bei den Hausaufgaben bekriegen. Es sind die Lehrer, die mit den Kindern Tacheles reden sollten, wenn die Hausaufgaben eben nicht gut gemacht wurden.
Eine saubere Heftführung sei eine Wertschätzung der eigenen Arbeit, meint Helga Geheeb. Was oft von Eltern nicht so ernst genommen oder als zu streng beurteilt werde, weil das eigene Kind doch so "pfiffig und kreativ" sei, und nicht zur Schönschrift verdammt werden dürfe, ist für die Pädagogin eine wichtige Tugend, die in der Schule vermittelt wird. So wie Eltern erwarten, dass die Kinder in der Grundschule ordentlich und flüssig Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, so gehört ein Stück weit Ordnung und Struktur eben auch dazu.
Die Schulpsychologin beklagt viel zu viele Projekte, Ausflüge und Sonderangebote, die den Grundschullehrern auf den Tisch flattern und dann auch wahrgenommen werden. "Die individuelle Förderung bleibt dadurch manchmal auf der Strecke. Das sollte nicht sein." Sich auf das Wesentliche konzentrieren, das wünscht sich Helga Geheeb.