Coburger Palliativmedizin: Bis zuletzt selbst bestimmen

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Großes Interesse zeigten die Coburger an der Diskussion über eine Vorsorgevollmacht und die Betreuungs- und Patientenverfügung. Foto: Christiane Lehmann
Großes Interesse zeigten die Coburger an der Diskussion über eine Vorsorgevollmacht und die Betreuungs- und Patientenverfügung. Foto: Christiane Lehmann

Wer keinen gesetzlichen bestimmten Betreuer haben möchte, muss selbst an die Vorsorge denken. Der Notar Jürgen Müller und der Palliativmediziner Marco Ritter diskutierten beim Hospizverein über mögliche und "unmögliche" Fälle.

Verfügungen, Vollmachten, gesetzliche Bestimmungen. Das klingt trocken. Selbst die Vorstellung, dass ein Notar Inhalte und Auswirkungen erläutert, garantieren noch keine kurzweilige Veranstaltung. Doch mit Jürgen Müller hat der Hospizverein einen Fachmann gefunden, der die Themen Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung "hautnah" rüberbringt.
Beim Haltestellengespräch am Mittwoch drängten sich die Menschen quer durch die Generationen im ehemaligen Schuhhaus Schönfelder, wo zur Zeit auch die Ausstellung "Mitten im Leben" zu sehen ist.
Der Notar Jürgen Müller und der Palliativmediziner und Hausarzt Marco Ritter - auch Mitglied im Vorstand des Hospizvereins - machten deutlich , wie wichtig es ist, rechtzeitig vorzusorgen.
Alter und Gebrechlichkeit, aber auch ein Verkehrsunfall oder eine schwere Erkrankung können dazuführen, dass man plötzlich auf die Hilfe anderer angewiesen ist.
Wer regelt dann den Alltag, wer die Bankangelegenheiten? Wer entscheidet, ob und wie man im Krankheitsfall behandelt wird?
"Viele glauben zu Unrecht, sie müssten für den Ernstfall nichts regeln. Sie meinen ihr Ehegatte oder ihre Kinder könnten alles Notwendige in ihrem Sinne in die Wege leiten", sagt Müller. Doch das ist keinesfalls selbstverständlich. Der Notar macht deutlich: "Wer keine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung hat, muss damit rechnen, dass ein gesetzlicher Betreuer bestimmt wird!" Und dass müsse keineswegs jemand aus der Familie sein. "Denn weiß ein Richter, ob die Ehe noch gut ist und wie der Lebenspartner zum Patienten steht? Oder die Kinder? Sind sie sich überhaupt einig oder untereinander verstritten?" Jürgen Müller führt den Zuhörern die Überlegungen des Gesetzgebers deutlich vor Augen.
Mit einer ausgefüllten Vorsorgevollmacht (Vordrucke gibt es im Internet oder bei der Krankenkasse) sei jeder zunächst auf der sicheren Seite. Angst braucht man nicht zu haben, dass der Bevollmächtigte seine Rechte schon ausnützt bevor der Ernstfall überhaupt eintritt. Denn erst, wenn das Dokument ausgehändigt ist, tritt es auch in Kraft. "Wer seinen eigenen Bevollmächtigten bestimmt, kann sicher sein, dass er keinen gerichtlichen Betreuer gestellt bekommt."


Für den Notfall

Geht es allerdings auch um Immobilien- und Bankgeschäfte sollte ein Notar hinzugezogen werden. Viele Rechtsgeschäfte des Alltags erfordern eine über die Schriftform hinausgehende notarielle Vollmacht.
Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht, die den Alltag und das Leben im Ernstfall regelt, sei die Patientenverfügung eine "Gebrauchsanweisung für den eigenen Sterbeprozess" machte der Mediziner Marco Ritter deutlich. Will ich beatmet werden und künstlich ernährt? Was macht die Dialyse mit mir? Ist die Operation noch sinnvoll?" - All diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Ritter empfiehlt daher ein Gespräch mit dem Hausarzt.
Dass dazu eine Portion Mut gehört, weiß er aus eigener Erfahrung. "Wer führt schon gerne Gespräche über den Tod und das Sterben?"
Wer sich jedoch nicht darum kümmert, könnte später "fremdbestimmt" sterben. Wer will das schon? Oder wer will die Verantwortung, die schnell zur Bürde werden kann, seinen Partnern oder Kindern auferlegen - ohne vorher mit ihnen über die eigenen Vorstellungen gesprochen zu haben?

Vorsorgevollmacht - Betreungsverfügung - Patientenverfügung

Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt nach deutschem Recht eine Person eine andere Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte zum Vertreter im Willen, d. h., er entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Deshalb setzt eine Vorsorgevollmacht unbedingtes und uneingeschränktes persönliches Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus und sollte nicht leichtfertig erteilt werden.
Eine rechtliche Betreuung kann durch eine Vorsorgevollmacht weitgehend vermieden werden. In einer solchen Erklärung gibt die betroffene Person in gesunden Tagen für den Fall einer später eintretenden Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit (z. B. durch altersbedingten Abbau von geistigen Fähigkeiten) einem anderen die Vollmacht, im Namen der betroffenen Person zu handeln. Die Vorsorgevollmacht darf nicht mit einer Patientenverfügung verwechselt werden, in der nicht verfügt wird, wer handeln soll, sondern was der Bevollmächtigte im Fall unheilbarer Krankheit anordnen soll.
Betreuungsverfügung Die Betreuungsverfügung ist eine Möglichkeit der persönlichen und selbstbestimmten Vorsorge für den Fall, dass jemand selbst nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu erledigen. Ihr Vorteil ist, dass sie nur dann Wirkungen entfaltet, wenn es tatsächlich erforderlich wird. Mittels der Betreuungsverfügung kann man bestimmen wer zum Betreuer bestellt werden soll und wer nicht, wo der Wohnsitz des Betreuten sein soll, was inhaltlich auch Bestandteil einer Patientenverfügung sein könnte in eingeschränktem Maße auch Umgang mit Finanzen, Geschenke an Kinder usw.
Die Betreuungsverfügung baut in erster Linie nicht auf Vertrauen. Ihr Inhalt dient vielmehr zu gegebener Zeit dem Gericht zur Kontrolle. Das Gericht überwacht zum Beispiel Zahlungsvorgänge auf dem Konto des Betroffenen und kontrolliert auch die Einhaltung der Vorgaben der Betreuungsverfügung.
Die Einholung von Rat und Aufklärung bei Dritten, beispielsweise Notaren oder Rechtsanwälten, kann sich empfehlen. Unterschriften unter diese Dokumente können auch von der örtlichen Betreuungsbehörde beglaubigt werden.
Patientenverfügung Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Vorausverfügung einer Person für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr (wirksam) erklären kann. Sie bezieht sich auf medizinische Maßnahmen wie ärztliche Heileingriffe und steht meist im Zusammenhang mit der Verweigerung lebensverlängernder Maßnahmen. Was genau unter einer Patientenverfügung zu verstehen ist, richtet sich nach der jeweiligen (nationalen) Rechtsordnung. Der Patientenwille ist nach § 630d BGB auch für den Arzt maßgeblich. Liegt eine Patientenverfügung vor, hat der behandelnde Arzt zunächst zu prüfen, welche ärztlichen Maßnahmen in Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten angezeigt sind. Sodann haben er und der Betreuer oder der Bevollmächtigte diese Maßnahmen unter Berücksichtigung des Patientenwillens zu erörtern. Der Betreuer bzw. Bevollmächtigte allein hat auf der Grundlage dieses Gespräches zu entscheiden, ob mit diesen mit dem Arzt besprochenen Maßnahmen dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen Geltung verschafft würde oder ob ein entgegenstehender Patientenwille sicher festgestellt werden kann.