Coburger Klinikum hält Hygienestandards ein

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Professor Klaus-Dieter Zastrow
Professor Klaus-Dieter Zastrow

Resistente Keime gibt es trotzdem, sagt Hygiene-Chef, Professor Klaus-Dieter Zastrow. Bei den Intensivstationen ist besondere Vorsicht geboten.

Wie steht es um die Hygiene in deutschen Krankenhäusern? Hunderttausende Patienten infizieren sich jährlich mit gefährlichen Keimen, tausende sterben daran. Mehr als jedes vierte Krankenhaus erfüllt die Hygienevorschriften des Robert-Koch-Institutes nicht. Das Reportagemagazin "Plusminus" führte in seiner letzten Sendung auch das Klinikum Coburg auf, das angeblich die Mindeststandards im Hygienebereich nicht erfülle.

Professor Klaus-Dieter Zastrow, was sagen Sie als Leiter des Hygiene-Instituts der Regiomed-Kliniken, dazu?
Professor Zastrow: Das Klinikum Coburg wird vom Hygiene-Institut der Regiomed-Kliniken betreut. Das Institut wurde im April 2016 gegründet. Das Klinikum wurde allerdings auch schon vor April 2016 von einem externen Krankenhaushygieniker in Zusammenarbeit mit einem weitergebildeten Krankenhaushygieniker betreut.
Diese Konstruktion entspricht in vollem Umfang der Hygieneverordnung des Landes Bayern. Dies gilt auch für die geforderte Anzahl von Hygienefachkräften, Hygienebeauftragten Ärzten und Hygienebeauftragten in der Pflege.
Das Klinikum Coburg erfüllt die Anforderungen der Hygieneverordnung des Landes Bayern und die der Krinko-Richtlinie in vollem Umfang: vier Ärzte/Krankenhaushygieniker; zwölf Hygienefachkräfte; zwölf Hygienebeauftragte Ärzte; 38 Hygienebeauftragte in der Pflege.
Welche Keime sind im vergangenen Jahr im Klinikum Coburg aufgetreten und wie viele Patienten hatten damit zu kämpfen? Gab es Fälle mit lebensbedrohlichen Auswirkungen?
Im Jahr 2016 wurden im Klinikum Coburg rund 27  600 stationär Patienten behandelt. Am häufigsten wurden nachgewiesen: E.coli, Enterobacter, Pseudomonaden, Klebsiellen und Staphylokokken. Diese Erreger gehören zu den Top 10 der in Krankenhäusern vorkommenden Infektionserreger. Der Schwerpunkt der Erfassung von Krankenhausinfektionen lag auf den Intensivstationen. Bei rund 1800 Patienten traten zwei Pneumonien (Lungenentzündungen) auf, die erfolgreich therapiert werden konnten.

Die Hygiene beginnt bei der richtigen Raumlüftung und Händedesinfektion. Wo aber beginnt die Machtlosigkeit gegenüber Krankenhauskeimen?
Machtlos sind wir überhaupt gar nicht, wenn wir die Regeln der Hygiene konsequent einhalten. Die Betonung liegt bei "konsequent". Es gibt im Übrigen auch keine Krankenhauskeime, denn fast alle Erreger von Krankenhausinfektionen trägt der Mensch in sich. Die wenigen Keime, die über die Luft getragen werden, lassen sich auch außerhalb des Krankenhauses finden, aber dort haben die Menschen keine offenen Wunden, keine Venenkatheter, keine Blasenkatheter und werden auch nicht beatmet. Das sind nämlich die Eintrittspforten für "Krankenhauskeime".

Es gibt speziell ausgebildetes Hygienepersonal. Sollte die Hygiene nicht bei allen Mitarbeitern oberste Priorität haben?
Absolut richtig! Die beste Behandlung ist wertlos, wenn der Patient auf Grund einer Infektion sein Bein verliert, einen bleibenden Schaden erleidet oder gar stirbt. Deshalb schult das speziell ausgebildete Hygienepersonal alle anderen Mitarbeiter, also das gesamte Personal, zweimal pro Jahr.

Was können Patienten und Angehörige tun, um sich zu schützen?
Der Patient sollte sich, bevor er sich ins Krankenhaus begibt, versichern, dass das Krankenhaus eine Hygieneabteilung hat. Diese Information sollte er über die Internetseite des Krankenhauses erhalten. Er könnte noch darauf achten, dass sich das Personal vor jeder Handlung Patienten die Hände lange genug (30 Sekunden) desinfiziert. Häufig wird dies zu kurz gemacht.
Aber eigentlich ist das nicht die Aufgabe des Patienten, denn meistens ist er nicht in der Verfassung Ärzte und Pflegepersonal zu kontrollieren. Ich habe schon des Öfteren von Politikern gehört, dass der Patient ja auch selbst etwas zur Hygiene beitragen könnte.
Aber nun stellen Sie sich vor, dass der Patient mit starken Schmerzen, blutend oder fast bewusstlos in die Klinik kommt und nun noch die Hygiene kontrollieren soll ?! Das wünsche ich dem, der sowas vorschlägt!
Angehörige könnten beobachten, ob die Isoliermaßnahmen und die Händedesinfektion richtig durchgeführt werden, aber bei den entscheidenden Maßnahmen sind sie sowieso nicht zugegen (OP, Verbandwechsel, Legen von Kathetern usw.). Aber mehr geht nicht.

Welche rechtlichen Möglichkeit haben Patienten, die sich mit Krankenhauskeimen infiziert haben?
Dann sollten sie sich an einen Anwalt für Medizinrecht/Patientenanwalt wenden und beraten lassen. Im Allgemeinen ist das ein Fall für jede Rechtsschutzversicherung. Es ist also keine Frage des Geldes.

Die Fragen stellte Christiane Lehmann.


Hygienebewusstsein und Kontrolle fehlen


So kühl und ungemütlich Mundschutz, Handschuhe, Desinfektionsspray und Chirurgenkittel auch sind, all diese Dinge sind überlebenswichtig für Patienten. Winzige Bakterien lauern überall. Sobald sie den Weg in den Körper schaffen, können sie schwere Infektionen auslösen.
Wenn jemand am Tropf hängt, einen Katheter hat oder beatmet wird, ist der Weg in den Körper besonders leicht. Ist der Patient geschwächt oder liegt schwer krank auf der Intensivstation, haben es Keime besonders leicht, sich im Körper auszubreiten. Mancher Erreger, der einem Gesunden nichts anhaben kann, hat dann plötzlich das Zeug zu töten. Besonders schwierig: Gegen manche dieser Keime helfen nicht einmal mehr Antibiotika - sie sind resistent oder sogar multiresistent.


Geschätzt eine Million

In Deutschland infizieren sich jedes Jahr 400 000 bis 600 000 Menschen mit Krankenhauskeimen. Das ist die offizielle Zahl des Bundesministeriums für Gesundheit. Hygieneexperte Professor Klaus-Dieter Zastrow hält das für viel zu niedrig. "Die Zahl dürfte bei einer Millionen liegen", sagte der Leiter des Hygiene-Instituts der Regionmed-Kliniken und Chefarzt des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes GmbH Berlin beim Hygieneforum in Bad Kissingen im vergangenen Jahr.


Schlampige Arbeit

Laut Zastrow sterben jährlich rund 40 000 Menschen an den Folgen von Infektionen, die sie sich bei Behandlungen in Gesundheitseinrichtungen zugezogen haben.
Todesursachen sind Lungenentzündungen und Blutvergiftungen. Viele Infektionen seien auf schlampige Hygiene zurückzuführen. Oft handele es sich um Kleinigkeiten, die beispielsweise dafür sorgen, dass sich nach einer Operation die Wunde entzündet. "Es fehlt in Deutschland häufig noch an Hygienebewusstsein", kritisiert Zastrow.
Immer wieder werden im deutschen Gesundheitswesen Hygieneskandale bekannt. Hygieneexperte Zastrow findet die Veröffentlichungen wichtig, weil die Menschen dadurch für das Thema sensibilisiert werden. Die mit den Berichten einhergehende Rufe nach schärferen Gesetzen lehnt er allerdings ab. Das Infektionsschutzgesetz sei hervorragend, die Überwachung hingegen nicht.
"Es fehlt die Kontrolle durch die örtlichen Gesundheitsämter", bemängelt er. Es bringe nichts, wenn kommunale Gesundheitsämter dafür zuständig seien, kommunale Kliniken zu kontrollieren.
Dass Begehungen wie in Bayern nur nach Ankündigung stattfinden, lehnt Zastrow ab. "Wir fordern unangekündigte Kontrollen durch die Gesundheitsämter", sagte er. nel