Das Literaturfestival beginnt am Samstag mit dem Roman-Marathon. Bei dem bietet Ursula März ihre "Fünf Dates".
Als Journalistin ist sie ihr Leben lang zur Kürze gezwungen. Wenn Ursula März ins Literarische geht, sitzt ihr diese Maxime im Nacken: Der Leser ist ein Flüchtling. Er haut schnell ab, ist immer auf dem Sprung. Alles, was schreibt, ist also aufgerufen, den Flüchtigen zu halten. So schrieb Ursula März (bisher) eher kurze Geschichten. Die es dann umso intensiver in sich haben. "Für eine Nacht oder fürs ganze Leben" heißt ihr zweiter Erzählband, den sie zum Auftakt von "Coburg liest" beim trotzdem auch heuer so genannten Roman-Marathon am morgigen Samstag in der Reithalle vorstellen wird, zusammen mit Matthias Nawrat und Abbas Khider.
Hart am Puls der Zeit zu sein, auch das ist ein Gebot des Journalistischen. Ursula März ist aufgefallen, dass die Leute heutzutage wie wild hintereinander her sind, Männer und Frauen. Mehr als jede dritte Ehe scheitert in Deutschland, aber alle wollen Liebe, koste es, was es wolle.
Und die Gesellschaft schreibt ihnen auch nicht mehr vor, auf welchen Wegen sie zur Liebe kommen. Weshalb das Kuppelwesen ein unglaubliches Geschäft ist. Und es scheint in Zeiten der digitalen Kontaktbörsen so einfach wie nie. Trotzdem laufen so viele alleine herum.
"Fünf Dates" präsentiert die aus Herzogenaurach stammende, in Berlin lebende Autorin, die als Literaturkritikerin, Essayistin, Publizistin vielfach ausgezeichnet wurde. Auf ihren jeweils etwa 50 bis 60 Seiten langen Einblicken stellt sie uns Leute von heute vor, alte und junge, aus der nach wie vor bewusst gehaltenen Interview-Situation heraus, in der aber die Erzählerin selbst mit Einschüben eigene Erfahrung und Entwicklung erkennen lässt. Die zweifache Ebene sorgt für zusätzliche Spannung.
Ursula März kann noch persönlicher werden, hinterfragen, in die Leute hineinschauen: In die Rentnerin Gerlinde Wagner, die ihren Stolz hat, der hier dieses nicht passt und jenes nicht. Und die sich dann auf den per Datingportal kennengelernten, 30 Jahre jüngeren Rudi einlässt. Indem sie zunächst erstaunliche Stadtwanderungen mit ihm unternimmt.
Der kenianische Geliebte
Die Blondinen-Serie des tadellosen Thomas Lüttich, dem zur eigenen Zufriedenheit keineswegs allzu große Nähe fehlt, kommt mit Nina zusammen, was er aber verbambelt. Und diesmal hat er einen echten Fehler begangen. Was ihm dann auch bewusst wird.
Oder diese feurige, fantastische, begehrte Maja Feldkirch, die doch tatsächlich, mit 50 Jahren, über alle Mühen hinweg einen ärmlichen Kubaner zu sich holt.
Die Geschichte "Ohne Gegenleistung" ist Anlass, einen (humorvollen) Blick auf die ebenfalls zunehmenden, Kontinente übergreifenden Amouren zu werfen.
Der kenianische Geliebte einer Schweizer Psychotherapeutin begann wohl aus purer Langeweile, aus der Züricher Wohnung in die Praxis hinunterzugehen, um mit den Patienten zu plaudern, vorzugsweise in langen, bunten Gewändern. Zur "Steigerung kommunikativer Behaglichkeit" bot er gerne auch Zigaretten an, schreibt Ursula März. Als die Schweizerin ihn endlich anschrie, er solle doch wenigstens den Haushalt machen, nagelte er die wertvollen Teppiche aus Familienerbe ans Parkett. Die Gefahr zu stolpern, war jetzt jedenfalls gebannt.
Doch um wieder zum Kern der Sache zu kommen: Ursula März nimmt die Sehnsucht der Menschen sehr wohl ernst.
Doch was bleibt denn angesichts der vielen abstrusen Verstrickungen in sich selbst und all der Einsamkeiten anderes, als zu schmunzeln?
Ursula März: Für eine Nacht oder fürs ganze Leben. Fünf Dates. Hanser Verlag, 232 Seiten, 19,90 Euro.