Unser Redakteur Oliver Schmidt lässt die vergangene Woche noch einmal Revue passieren. Es geht um sportliche Ziele und zu späte Einsichten.
Balkon, Krankenhaus und - natürlich, weiterhin - Landestheater. Diese drei Begriffe stehen für eine aufreibende Woche, die wir in
Coburg hinter uns haben.
Zunächst zum Balkon: Der tragische Unfall, bei dem am Mittwoch ein 55 Jahre alter Bauarbeiter im Gustav-Hirschfeld-Ring sterben musste, ist grausam und macht fassungslos. Und er wirft Fragen auf: Wie kann es sein, dass ein Balkon plötzlich abbricht? Die städtische Wohnbau als Eigentümerin des betroffenen Hauses (und von vielen baugleichen Nachbarhäusern) tut gut daran, jetzt - wie bereits angekündigt - eine genaue Analyse vorzunehmen.
Auch wenige Meter von der Unglücksstelle entfernt, am Klinikum, gibt es dieser Tage Redebedarf. Die vermeintlich harmlose Nachfrage des Tageblatts, wann das seit zwei Monaten defekte Therapiebecken repariert wird, brachte nämlich Erstaunliches hervor. Krankenhausdirektorin Dagmar-Astrid Wagner sagte ganz unverblümt, dass in den "alten Kasten" (gemeint ist das in den vergangenen Jahren für zig Millionen Euro auf Vordermann gebrachte Klinikum am Gustav-Hirschfeld-Ring) eigentlich gar nichts mehr investiert werden sollte. Stattdessen solle bereits in fünf Jahren ein Klinik-Neubau auf dem ehemaligen BGS Gelände stehen. Dagmar-Astrid Wagner räumt selbst ein, dass das ein "sportliches Ziel" ist. Ehrlich gesagt ist das aber noch reichlich untertrieben: Denn es handelt sich um ein
sehr sehr sportliches Ziel. In Zeiten, in denen auf allen Ebenen die Kassen leer sind und noch dazu die Entscheidungsfreudigkeit vieler Verantwortlichen eher gering ist, darf man gespannt sein, ob sich diese mutige Vision tatsächlich auf absehbare Zeit realisieren lässt. Aber, immerhin: Dagmar-Astrid Wagner hat eine Vision.
Und damit zum Thema Landestheater und dem kaum mehr zu ertragenden Hin und Her um die Interimsspielstätte. Dass ein Ersatzbau dem Coburger und auch dem bayerischen Steuerzahler sehr viele Millionen Euros kosten wird, nach Ende seiner Nutzung aber wieder abgerissen werden muss, ist schon seit Jahren bekannt. Ob es da am Ende um sechs, acht oder zwölf Millionen Euro geht, ist fast schon egal - es ist und bleibt eine groteske Regelung, die niemand versteht. Dass sich aber erst jetzt, quasi unmittelbar vor Baubeginn, Protest gegen diese Regelung erhebt, zeugt nicht von sehr viel Weitblick.
Dass Hans Michelbach (CSU) kurz vor Toreschluss auch noch die Idee aufbringt, statt einer vorübergehenden Interimsspielstätte lieber gleich eine dauerhaft nutzbare Mehrzweckhalle auf den Anger zu stellen, ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Aber die Idee (oder sollte man es Einsicht nennen?) kommt leider viel zu spät - davon abgesehen, dass es ähnliche Überlegungen mit dem "Neuen Innenstadtkonzept" sowieso schon einmal gab. Aber mit Visionen in Coburg ist das eben manchmal so eine Sache. Wenn es sie mal gibt, werden sie gerne zerredet, und am Ende will es keiner gewesen sein. Deshalb erinnert die Theaterdiskussion auch ein bisschen an den Poker um den ICE-Halt. Ab Dezember wird der schnelle Zug drei Mal täglich (jeweils in beide Richtungen) in Coburg halten. Dass nicht mehr drin war, hat auch damit zu tun, dass es in den 1990er Jahren an etwas Weitblick sowie einer Vision fehlte. Erst Jahre später, nachdem bereits zig Millionen für die Einschleifung zum Coburger Bahnhof verplant und verbaut waren, fragten sich viele: Warum wurde eigentlich nicht lieber gleich ein komplett neuer ICE-Bahnhof bei Dörfles-Esbach gebaut? Dort, vor den Toren Coburgs und direkt an der Hauptstrecke München-Berlin gelegen, hätte der schnelle Zug deutlich häufiger anhalten können, weil der Zeitverlust viel geringer gewesen wäre. Parkplätze hätten auch leichter geschaffen werden können, und unterm Strich hätte wahrscheinlich auch alles weniger gekostet.
Aber diese Einsicht kommt jetzt auch zu spät.
In Zeiten, in denen die Kassen leer sind??? Ernsthaft? Wird uns nicht an allen Ecken und Enden und zu jeder Gelegenheit erzählt, dass es Deutschland und seinen Bewohnern sehr gut geht? Oder ist damit gemeint, dass die Kassen nur für die per sind, die dort einzahlen? Wo gehen den die Rekordeinnahmen von statt und Krankenkassen hin?