Intendant Bodo Busse bringt den Zyklus "Die Winterreise" in der Fassung von Hans Zender auf die Bühne des Landestheaters. Wie sich Lieder in einem Musiktheaterabend neu entfalten können, verrät er im Gespräch.
Mit Franz Schuberts Liederzyklus "Die Winterreise" präsentiert Intendant Bodo Busse seine inzwischen vierte Inszenierung am Landestheater. Zuvor brachte er die Uraufführung von Roland Fisters Musical-Oper "Dorian Gray" sowie Salvatore Sciarrinos "Lohengrin" und die Mahler-Vivier-Collage "Der Welt abhanden gekommen" auf die Bühne. Premiere feiert "Die Winterreise" am Samstag im Großen Haus. Beginn: 20 Uhr.
Was hat den Ausschlag gegeben für Schuberts Liederzyklus in der Fassung von Hans Zender?
Bodo Busse: Der Erfolg der letzten Projekte mit den Inszenierungen von Sciarrinos "Lohengrin" und Mahlers Rückert-Liedern hat uns motiviert und Mut gemacht. Mit dieser Form von Musiktheater im Großen Haus wollen wir ganz gezielt Brücken zwischen den Zeiten schlagen. Franz Schuberts originaler Liederzyklus ist schon mehrfach szenisch interpretiert worden.
Zenders Fassung dagegen meines Wissens noch nicht - lediglich eine vertanzte Version hat es bereits gegeben. Das ist eigentlich verwunderlich.
Welche Bedeutung hat für Sie gerade dieser Liederzyklus von Schubert?
Schuberts "Winterreise" begleitet mich schon viele Jahre. Bereits in Studienzeiten haben wir im Kreis von Kommilitonen Aufnahmen der "Winterreise" angehört und intensive Interpretationsvergleiche angestellt.
Was verlockt Sie dazu, Schubert-Lieder auf die Bühne zu bringen?
Ich finde grundsätzlich, dass sehr viele Schubert-Lieder dramatisches Potenzial in sich tragen. Und in der "Winterreise" ist die Musik sehr gestisch, Naturphänomene werden nachgezeichnet. Da geht Schubert deutlich weiter als in der "Schönen Müllerin". In der "Winterreise" dominiert das Fragmentarische, Skizzenhafte.
Das ist eindeutig szenische Musik, diese Lieder sind implodierende Dramen.
Wie sieht Ihr Regie-Konzept für diesen Abend aus?
Ich gehe zunächst natürlich von Schuberts Musik und den Texten Wilhelm Müllers aus und verstehe die "Winterreise" als die Reise eines vereinsamten Wanderers, der sich durch die Eiswüste seines Lebens bewegt. In der Vergangenheit hat man diese Geschichte auch schon politisch gedeutet. Für mich aber ist das die Geschichte einer tiefen Depressionen mit ihren verschiedenen Stadien - Euphorie und Verzweiflung, Wut und Hoffnung, Wahnvorstellungen und schizophrene Aufspaltung der Persönlichkeit. Die Lieder der "Winterreise" sind für mich Stationen eines Kreuzweges, eines Passionswegs durch eine Depression. Der Ausgangspunkt ist der in die Welt geworfene Mensch.
Das Faszinierende ist: Fast in jedem Lied ist ein gesamte Lebensbogen auszumachen.
Was ist der Ausgangspunkt Ihrer szenischen Umsetzung?
Die entscheidende Frage ist: Wie kann man das auf der Bühne verdeutlichen? Mein Ausgangspunkt war die Frage: Wo entstehen Traumata? In der Kindheit? In der Familie? Durch enttäuschte Liebe? Das hat dann auch zu der Idee geführt, den Wanderer bei der Reise durch sein Leben von Mitspielern begleiten zu lassen.
Wann ist Ihnen Hans Zenders Fassung zum ersten Mal begegnet?
Das was bei einem Konzert in Stuttgart. Damals war ich zunächst ein bisschen irritiert. Denn als Schubert-Purist braucht man eigentlich keine Zutaten, um diese Musik zu hören. In Zenders Fassung klingt die "Winterreise" vertraut und doch fremd. Das ist das Faszinierende.
Dabei ist diese Version eigentlich keine Überschreibung von Schuberts Musik - trotz mancher Verwischungen und Zerdehnungen. Denn Zender ist bei seiner Fassung mit großer Behutsamkeit und Achtung vorgegangen. Zender bringt Schuberts Klangbilder und Assoziationen ganz unmissverständlich in der Instrumentierung zum Klingen. Vielleicht bringt gerade das manchem ungeübten Schubert-Hörer dieses Werk sogar näher als im Original.
Sie bringen "Die Winterreise" auf die Bühne
Premieren-Tipp "Die Winterreise" - Eine komponierte Interpretation von Hans Zender nach Franz Schubert, 16. Januar, 20 Uhr, Landestheater
CoburgWeitere Termine Sonntag, 24. Januar, 18 Uhr, Samstag, 20.
Februar, 20 Uhr
Produktionsteam Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Inszenierung: Bodo Busse
Bühnenbild und Kostüme: Karlheinz Beer
BesetzungEin Mann: David Zimmer
Ein älterer Mann: Manfred Völk
Eine ältere Frau: Christa Fedder
Ein Anderer: Dominik Tippelt
Das Werk Franz Schuberts Liederzyklus "Die Winterreise" nach Texten von Wilhelm Müller entstand 1827 - im Todesjahr des Komponisten. 1993 bearbeitete der Komponist Hans Zender die "Winterreise" für Tenorstimme und ein kleines Orchester.
Hans Zender, 1936 in Wiesbaden geboren, studierte Klavier, Dirigieren und Komposition in Frankfurt und Freiburg. Als musikalischer Leiter nahm er führende Positionen in Bonn, Kiel und beim Saarländischen Rundfunk ein.
Er war Generalmusikdirektor in Hamburg (1984 bis 1987), Chefdirigent bei Radio Hilversum (ab 1987) und Professor für Komposition an der Musikhochschule Frankfurt (ab 1988).
David Zimmer Der junge Tenor David Zimmer stammt aus einer deutsch-tschechischen Familie. In Frankfurt am Main geboren, wuchs er in Berlin auf. Nach dem Abitur studierte er zunächst von 2005 bis 2009 Kontrabass an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. Seine Gesangsausbildung verfolgte er jedoch in der ganzen Zeit intensiv weiter, seit 2007 ist Jacek Pazola sein Lehrer. Seit der Spielzeit 2012/2013 ist David Zimmer Ensemblemitglied des Landestheaters Coburg.