Die Brüche heilen, ärztliche Behandlung ist nicht mehr nötig. Doch die Patientin braucht noch einige Tage Pflege. Die gibt's im Heim - doch wer bezahlt's? Zuständig fühlen sich weder Kranken- noch Pflegekasse.
Ida G.s*
(Name von der Redaktion geändert) Unglückstag war ein Samstag. Sie wollte sich umwenden, aber ihr rechtes Bein gehorchte ihr nicht. Sie stürzte und brach sich den rechten Oberarm, das Handgelenk und den Oberschenkelhals.
Im Klinikum Coburg wurde sie versorgt und operiert. 14 Tage später sollte sie entlassen werden. Doch wohin? Ida G. lebt alleine. Wegen eines Infektes, den sie sich im Krankenhaus zugezogen hatte, musste sie häufig auf Toilette, was ohne Hilfe nicht möglich war. "Der Arzt sagte: Ruhen Sie sich in der Kurzzeitpflege aus", erzählt sie.
Für elf Tage wurde Ida G. in einer Pflegeeinrichtung untergebracht. Danach war ein Platz in der Geriatrischen Reha am Coburger Klinikum frei. Die Behandlung im Krankenhaus und die Rehabilitation übernahm die Krankenkasse. Die elf Tage in der Kurzzeitpflege nicht. Ida G.
erhielt am Ende eine Rechnung über rund 850 Euro, die sie selbst beglich.
"Eine Gesetzeslücke" sei das, hätten ihr die Ärzte in der Geriatrie gesagt, erzählt sie. Die Pflegeversicherung greift erst, wenn jemand mindestens sechs Monate lang pflegebedürftig ist und das auch vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bestätigt ist. Aber Ida G. war nur krank. Dabei hätte sie laut der Homepage des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) doch zu Hause versorgt werden können: Versicherte haben Anspruch auf häusliche Krankenpflege, "wenn die Krankenpflege das Ziel der ärztlichen Behandlung sichern soll", heißt es da.
Zur häuslichen Krankenpflege gehören demnach Grundpflege, Behandlungspflege und die hauswirtschaftliche Versorgung, wenn niemand da ist, der das übernehmen kann.
Behandlungspflege ist Pflicht
Als Matthias Kempf das alles liest, stutzt er kurz. Der Jurist der Regiomedkliniken GmbH in Coburg kennt die Kassen nicht so großzügig: Übernommen werde in der Regel nur die Behandlungspflege, sagt er. Zusätzliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung gibt es nur dann, wenn dadurch ein teurerer Krankenhausaufenthalt vermieden werden kann. Diese Voraussetzung sei aber bei Ida G. nicht gegeben gewesen. Hier habe es sich um "Sicherungspflege" gehandelt, und da dürfe der Kassenarzt oder das Krankenhaus lediglich "Behandlungspflege" verordnen.
Was aber tun, wenn der Patient, die Patientin auch Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Waschen oder dem Toilettengang braucht? Wer allein lebt, hat in diesem Moment ein Problem, unabhängig vom Alter. "Brechen Sie sich mal beide Unterarme - dann gehören Sie der Katz'", formuliert es eine Mitarbeiterin des Coburger Pflegestützpunkts.
Für den Sozialdienst des Klinikums sei eine vorübergehende Unterbringung in der Kurzzeitpflege die einzige Möglichkeit gewesen, die Patientin gut zu versorgen, sagt Kempf. Man habe Ida G. auch über die auf sie zukommenden Kosten informiert. Zumindest steht das so in der Dokumentation des Falls. Außerdem habe man beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen einen Antrag auf "Überleitungspflege" gestellt. Damit ist eine kurze Pflegebedürftigkeit gemeint, und damit könne dann bei der Krankenkasse ein Antrag auf Zuschüsse gestellt werden, sagt Kempf.
Was aber aus dem Antrag wurde, weiß er nicht - "wir erfahren von den Kassen nicht, ob er genehmigt wird".
Auch der GKV räumt ein, dass nicht alle Krankenkassen, die bei der häuslichen Krankenpflege auch die Grundpflege und Hauswirtschaft übernehmen. Vom Gesetz her sind sie nicht dazu verpflichtet. In der Satzung der Barmer-GEK steht jedoch, dass sie die häusliche Krankenpflege in vollem Umfang übernimmt, auch wenn es sich um Sicherungspflege handelt.
Kasse nicht informiert
Dafür aber hätte eine Verordnung nach § 37 (2) des Sozialgesetzbuches V erfolgen müssen, entweder durch das Klinikum oder durch den Hausarzt. Doch die Kasse sei nicht informiert worden, wie Stefani Meyer-Maricevic sagt, die Landessprecherin der Barmer-GEK.
"Es wäre sicherlich möglich gewesen, eine Unterstützung zu veranlassen von der Krankenkasse."
Bei Ute Wallentin liegt der Fall anders: Die Migrationsberaterin der Caritas hat sich nach einem Beckenbruch im Pflegeheim angemeldet. Ihre Kasse zahlt nur, was vom Gesetz her vorgesehen ist. Ute Wallentin will sich damit nicht abfinden: "Ich werde gegen diese Gesetzeslücke vorgehen!"
Auf der politischen Ebene ist das Problem bekannt, betont Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete, Gesundheitspolitikerin und selbst Ärztin: "Wir versuchen, das beim Krankenhausstrukturgesetz einzubringen. Es gibt Fälle, die lassen sich über Grundpflege und Haushaltshilfe nicht auffangen." Diese Patienten seien in einer Pflegeeinrichtung besser untergebracht, und dafür soll laut Dittmar eine entsprechende Regelung im Sozialgesetzbuch V geschaffen werden.
Anwalt rät: Vorher mit der Kasse sprechen!
Was kann der Patient tun, um zu verhindern, dass er zur Kasse gebeten wird? Wir sprachen mit dem Coburger Rechtsanwalt Martin Jensch, Fachanwalt für Medizinrecht.
Das Klinikum will einen entlassen, zuhause ist niemand, der einen versorgt - was kann man als Patient in einer solchen Situation tun?
Martin Jensch: Der Patient sollte baldmöglichst vor Beendigung des Krankenhausaufenthaltes mit dem Arzt absprechen, ob die Voraussetzungen einer Anschlussheilbehandlung, einer Rehamaßnahme oder eine Kurzzeitpflege in Betracht kommt. Gleichzeitig sollte mit dem Sozialdienst des Klinikums baldmöglichst die praktische Umsetzung der Anschlussmaßnahme (Beantragung der Kostenübernahme bei der Krankenkasse, Abklärung der Platzkapazität) vorgenommen werden.
Sobald bekannt ist, dass der Krankenhausaufenthalt enden soll, muss die Übernahme der Kosten der Anschlussmaßnahme durch die Krankenkasse beantragt werden. Wird der Antrag zu spät gestellt, kann die Krankenkasse die Kostenübernahme unter Umständen verweigern. Grundsätzlich ist das Krankenhaus verpflichtet, die Frage der Anschlussmaßnahme abzuklären und hier den Patienten entsprechend zu beraten und bei notwendigen Antragstellungen zu helfen. Diese Aufgabe übernimmt innerhalb eines Klinikums der Sozialdienst. Ein Unterlassen dieser Verpflichtung kann zu Ansprüchen des Patienten gegen das Klinikum führen.
Würden Sie raten, dass man sich als Patient selbst mit seiner Kasse in Verbindung setzen sollte?
Ja, es ist sinnvoll, dass der Patient, um die Angelegenheit zu beschleunigen und um sicher zu gehen, dass die Kasse die jeweilige Maßnahme auch tatsächlich bezahlt, sich
mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzt.
Wenn die Kasse nicht zahlt - was bleibt einem dann noch?
Dann sollte ein spezialisierter Anwalt zwecks Überprüfung der Entscheidung der Krankenkasse aufgesucht werden. Hier kann dann mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes (Eilentscheidung des Gerichts) zum Beispiel die Krankenkasse zur Kostenübernahme veranlasst werden. Alternativ ist in einem solchen Fall zu prüfen, ob Leistungen von einem Sozialhilfeträger für die beabsichtigte Maßnahme in Anspruch genommen werden können. Entscheidend ist auch in diesem Fall eine schnelle Reaktion, um einen möglichen Rechtsverlust zu verhindern.