Dramatische Rettung auf dem Pottensteiner "Hexenbesen"

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Vier Passagiere müssen von der Bergwacht gerettet werden. Das Fahrgeschäft war einen Tag zuvor in Betrieb genommen worden.

Auch am Tag danach sucht Susanne Möller noch nach Worten für ein Ereignis, das es in ihrer Vorstellungswelt erst gar nicht hätte geben dürfen. "Wir sind sprachlos und verstehen nicht, wie es zu dem Unfall kommen konnte", sagte die Geschäftsführerin der Wiegand Erlebnisberge GmbH.

Das im osthessischen Rasdorf beheimatete Unternehmen betreibt jene Pottensteiner Sommerrodelbahn, in der am Sonntagnachmittag zwei mit jeweils zwei Passagieren besetzte Gondeln kollidierten. Beide Gondeln waren nicht mehr manövrierfähig und blieben mitten im 360 Metern langen Kurs des "Hexensbesens" stehen.

Alle vier Passagiere mussten von der Bergwacht Pottenstein und der örtlichen Feuerwehr mit Seilen und Leitern befreit werden. Zwei der Geretteten brachte ein Rettungsdienst anschließend in ein Krankenhaus.


"Durchnässt und unterkühlt"

Bei den Befreiten handelte es um zwei Väter und ihre Kinder. Alle sind zwischen neun und 44 Jahre alt. "Das neunjährige Kind erlitt eine Prellung am Schienbein. Alle vier waren durchnässt und unterkühlt", sagte ein Sprecher der Polizei Pegnitz.

Denn während die vier Passagiere ihrer Rettung harrten, gingen starker Regen und ein Gewitter über sie nieder. "Mein Mann und mein Kind saßen da drin, ich wurde hysterisch", schilderte eine Augenzeugin. Den Betreibern warf sie vor, die Situation verharmlost und schlecht gemanagt zu haben. "Es hat fast eine Stunde gedauert, bis die Rettungskräfte da waren", sagte sie.

Mit Fakten untermauern lassen sich die Vorwürfe allerdings nicht. "Nach unseren Erkenntnissen hat sich der Unfall zwischen 17 und 17.15 Uhr ereignet", sagte ein Pegnitzer Polizeisprecher. Die Pottensteiner Bergwacht selbst wurde um 17.24 Uhr alarmiert. "Zehn Minuten später, um 17.34 Uhr waren wir vor Ort", sagte gestern auf Anfrage Bereitschaftsleiter René Brendel. Der Einsatz selbst habe rund eine halb Stunde gedauert.

Die Betreiber der Sommerrodelbahn hatten den "Hexenbesen" erst am Samstag für Besucher freigegeben. Er ist nach dem "Frankenrodel" und dem dem "Frankenbob" das dritte Fahrgeschäft in Pottenstein. "Wie auf einem Hexenbesen fliegen die sich nebeneinander sitzenden Passagiere dank Schwerkraft durch Kurven und Jumps und erreichen auf ihren Sitzen seitliche Auspendelungen bis zu 58 Grad", charakterisiert die Wiegand Erlebnisberge GmbH selbst ihr Fahrgeschäft.


Technische Lösung greift nicht

Vier Gondeln mit je zwei Passagieren dürfen laut Möller gleichzeitig unterwegs sein. Zum Zeitpunkt des Unfalls am Sonntag befanden sich drei Gondeln im Kurs des "Hexenbesens". Laut Möller fuhr dabei die mittlere Gondel auf die vordere Gondel auf: "Die Insassen der ebenfalls nicht mehr fahrbereiten dritten Gondel konnten wir mit einer Leiter selbst befreien."

Das sich in der Unfallzeit über Pottenstein entladene Gewitter steht im Mittelpunkt der ersten von von drei polizeilichen Ermittlungshypothesen. "Vielleicht hat ein Blitz in die Steuerungsanlage eingeschlagen", mutmaßt auch Möller. Grundsätzlich verhindere eine Abstandseinrichtung die Kollision von Gondeln. Warum diese technische Lösung am Sonntag nicht griff, sei nun Gegenstand der Ermittlungen. Die Gondel gebaut hat die Josef Wiegand GmbH & Co. KG. Sie ist eine Tochterfirma der Erlebnisberge GmbH und bezeichnet sich selbst als Weltmarktführer im Bau von Sommerrodelbahnen.

Weitere Hypothesen der Ermittler sind ein technischer Defekt sowie ein Bedienfehler der Betreiber: "Im Fall eines Bedienfehlers müssten wir wegen fahrlässiger Körperverletzung ermitteln", sagte ein Sprecher der Pegnitzer Polizei.

Im Zusammenhang mit einem möglichen technischen Defekt verweist Möller die Abnahme durch den TÜV sowie auf einen mehrwöchigen Testlauf. "Auch bei anderen ,Hexenbesen'-Fahrgeschäften hat es bislang keine Probleme gegeben." Unter anderem fährt der "Hexenbesen" seit rund zwei Jahren im Harz. Der Scheßlitzer Christian Schmidt allerdings will in Pottenstein bereits am Samstag technische Probleme bei dem an diesem Tag frisch in Betrieb genommenen Fahrgeschäft festgestellt haben. "Die Gondeln haben regelmäßig an derselben Stelle gestockt." Beunruhigt habe dieser Umstand jedoch weder Gäste noch Betreiber.


400 000 Fahrten pro Jahr

Der Unfall kommt für die Wiegand Erlebnisberge GmbH zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In wenigen Wochen beginnen die Sommerferien, in denen die Besucherzahlen traditionell hoch sind. Insgesamt 400 000 Einzelfahrten hat der Betreiber 2017 in Pottenstein verkauft.
Am Montag haben sich Wiegand-Mitarbeiter auf den Weg nach Pottenstein gemacht. Sie sollen herausfinden, was die Gondeln kollidieren ließ. Bis dahin bleibt der "Hexenbesen" gesperrt.