"Wie Computersex, aber ohne Sex"

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Leo (Gerald Leiß)
Emmi (Iris Hochberger) Fotos: Iris Rose
 

Der E-Mail-Roman"Gut gegen Nordwind" hatte am Sonntagabend im Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater Premiere.

Was passiert, wenn sich eine Frau beim Schreiben einer E-Mail vertippt - das ist im Grunde die Geschichte, die hinter dem Überraschungserfolg des Romans "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer steckt. Eine Geschichte, die schon allein aufgrund ihrer Handlung eigentlich unspielbar ist. Unspielbar, weil es keine echte Aktion zwischen den beiden Figuren Emma Rothner und Leo Leike gibt. Alle Dialoge, alle Handlungen sind virtuell, werden nur zum Leben erweckt durch das Tippen der Mails auf dem Computer.

Dieses Kopftheater wird durch die beiden Schauspieler Iris Hochberger und Gerald Leiß allerdings sehr real und sehr nah. Sie schaffen es, Emmi und Leo zum Leben zu erwecken, indem sie die E-Mails mit viel Liebe zum Detail und zu den unterschiedlichen Stimmungslagen spielen, besser vortragen, ja vorlesen. Dabei blicken sie von ihrem jeweiligen Podest an einem Tisch mit Notebook (auf die sie aber nur ganz sporadisch tippen) stur gerade aus. Ihre Gefühle, vielmehr die Gefühle der Figuren, werden lediglich durch kleine, aber umso ausdrucksstarke Gesten und durch das Vor- und Zurückrutschen auf dem Stuhl unterstrichen. Die Zeit zwischen Lesen und Beantworten der einzelnen E-Mails wird durch Lichteffekte und Günther Blahuschek am Fagott verdeutlicht.

Und so schwankt das Stück und mit ihm die Zuschauer im vollbesetzten und deswegen sehr intimen Theatertreff zwischen Frotzeleien und intimen Liebesgeflüster. Denn dass aus dem Tippfehler - Emmi hat schlicht einen Buchstabendreher in der E-Mail-Adresse und erwischt zufällig die von Leo - eine moderne Brieffreundschaft und schließlich eine Art Liebesbeziehung werden könnte, das wollen sich die beiden erst nach und nach zugestehen. Ihre Verbindung sei "Wie Computersex, aber ohne Sex", meint denn auch Emmi und Leo bestätigt: "Schreiben ist Küssen mit dem Kopf". Dass sie neugierig sind aufeinander, sich kennenlernen möchten, glaubt man als Zuschauer mit den Händen greifen zu können, denn es gibt Anläufe von beiden Seiten. Annäherungsversuche, die immer von der Angst begleitet sind, dass die Vorstellung, die sich die beiden vom jeweiligen Mailempfänger gemacht haben, der Realität nicht standhalten könnten.

Ob sich Emmi und Leo treffen, sei an dieser Stelle nicht verraten, wer es selbst herausfinden will, wird mit einem kurzweiligen, gelegentlich bewegenden, Abend belohnt.


Zum Stück

Mit der Vorlage, die als Taschenbuch bei Goldmann erschienen ist, schaffte Daniel Glattauer einen Überraschungserfolg. "Alle sieben Wellen" ist die Fortsetzung.

Inszenierung: Rainer Lewandowski, Musikalische Untermalung: Günter Blahuschek.

Weitere Vorstellungen: 8.-12., 15.-19. Dezember, jeweils 20 Uhr, Theatertreff