Martin Schulz bläst in Bamberg zur Attacke auf die Kanzlerin

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Die SPD verliert in den Umfragen weiter, aber ihr Spitzenkandidat gibt nicht auf. Am Freitagabend schaltete Martin Schulz in Bamberg auf Angriff um. Foto: Matthias Hoch
Die SPD verliert in den Umfragen weiter, aber ihr Spitzenkandidat gibt nicht auf. Am Freitagabend schaltete Martin Schulz in Bamberg auf Angriff um. Foto: Matthias Hoch

Die SPD verliert in den Umfragen weiter, aber ihr Spitzenkandidat gibt nicht auf. Am Freitagabend schaltete Martin Schulz in Bamberg auf Angriff um.

Er macht alles richtig: Schulz kämpft und scherzt, er ackert und schwitzt. Der Kampf gegen einen übermächtigen Gegner namens Merkel hat Spuren hinterlassen. Am Freitagabend stemmte sich der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz in Bamberg gegen den Fluch der Zahlen: Nicht nur die 22 Prozent für die SPD in den jüngsten Wahlumfragen hängen ihm wie ein Klotz am Bein; auch die 100 Prozent bei seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden im März wirken wie Ballast.


Merkel im Visier

Den versucht der Kandidat loszuwerden, er schaltet auf Angriff, sucht - aus der Ferne - die Konfrontation mit Merkel. Offenbar hat der 61 Jahre alte gelernte Buchhändler aus Würselen beim TV-Duell am Sonntagabend Blut geleckt. Lange war sein Wahlkampf eher programmatisch bis pragmatisch, bei seiner Rede am Freitagabend auf dem Maxplatz in Bamberg nannte er Angela Merkel vor rund 2000 Zuhörern gleich 15 Mal beim Namen. Er ging die Kanzlerin und die Union direkt an, warf ihr vor, wichtige Entscheidungen für die Zukunft zu blockieren, etwa eine echte Mietpreisbremse oder Lohngerechtigkeit für alle, vor allem für Mann und Frau. Schulz sprach vom "konservativen Block", der die Vergangenheit verwalte und einer Auseinandersetzung mit der SPD um die richtigen Konzepte aus dem Weg gehe.


Noch ein Duell?

Schulz erwähnte das Duell mehrmals, setzte den Begriff aber hörbar in Anführungszeichen und forderte die Kanzlerin auf, sich noch einmal "am besten gleich morgen", einem echten Duell zu stellen und über das zu diskutieren, was am Sonntag ausgeklammert worden war.
 


Das ist, allen voran, der Begriff, der am Freitagabend in Bamberg fast so oft fällt wie "Merkel": Ein gutes dutzend Mal nennt Martin Schulz die Richtschnur seiner Politik, die "Gerechtigkeit im Land", und er fährt noch schwereres Geschütz auf, um die Politik der SPD von der der Union und anderer Parteien abzugrenzen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", zitiert der Kanzlerkandidat mehrfach den ersten Artikel des Grundgesetzes, beschwört eine solidarische Gesellschaft mit "gleichen Chancen für alle" und kündigt an, dass eine von der SPD geführte Regierung massiv in die Bildung und den Ausbau der modernen Infrastruktur investieren werde. "Und nicht in die Aufrüstung der Bundeswehr", wie sie von Frau Merkel betrieben werde.

 


Der richtige Ton

Obwohl sie meisten Zuhörer im Publikum das, was Schulz in Bamberg sagte, so oder so ähnlich schon von ihm gehört hatten, brandet immer wieder Beifall auf. Schulz trifft den richtigen Ton, er sprach die Menschen vor ihm an, die Krankenschwester, den Busfahrer, die Väter und Mütter, die Studenten. Das kommt an, und wenn am 24. September Schulz zur Wahl stünde, wäre der Ausgang sicher weniger leicht vorhersehbar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Kurz-Interview: Drei Fragen an Martin Schulz

Martin Schulz ist am Freitag in Franken in den Endspurt des Wahlkampfs gestartet. Gegen die Hypothek der weiter schlechten Umfragewerte schaltete der SPD-Vorsitzende in Würzburg und Bamberg in den kämpferischen Modus. Das Bemühen, deutlich zu machen, wo sich SPD und Schulz von Union und Merkel unterscheiden, ist im Exklusivinterview erkennbar, das Infranken am Rande des Beuchs in Bamberg mit Schulz führte.

Frage: Am Sonntag standen Sie im TV-Duell mit Kanzlerin Merkel vor einem Millionenpublikum; am Freitag in Bamberg war die Kulisse kleiner. Wo fühlt sich der gelernte Kommunalpolitiker Martin Schulz wohler?
Martin Schulz: Ich glaube, man kann ganz gut sehen, dass ich beides kann. Ich habe mich sehr gefreut, in Bamberg zu sein. Ich erlebe überall volle Veranstaltungen und ein enormes Interesse an den Themen der SPD. Fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler ist unentschlossen. Ich kämpfe bis zum 24. September um 18 Uhr.

Frage: Das TV-Duell vermittelte den Eindruck, dass sich Amtsinhaberin und Herausforderer sehr nahe sind. Wo liegen die Unterschiede zwischen SPD und Union?
Antwort: Ich nehme mal nur zwei Beispiele: Frau Merkel sagt: Wir müssen nichts tun bei der Rente. Das bedeutet sinkendes Rentenniveau und steigende Beiträge. Und dann sagen sie in der CDU noch, dass halt alle bis 70 arbeiten müssen. Das wird es mit mir nicht geben. Wir stabilisieren das Rentenniveau und die Beiträge und lehnen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters klar ab. Und Angela Merkel hat sich diese Woche im Bundestag klar zum 2%-Ziel der NATO bekannt. Das bedeutet massive Aufrüstung der Bundeswehr und fast eine Verdopplung des Wehretats bis 2024. Eine solche widersinnige Aufrüstung wird es mit der SPD nicht geben. Wir investieren in Bildung, schnelles Internet und Pflege.

Frage: Sehen Sie Korrekturbedarf bei der Agenda 2010 - mit Blick auf den Schwerpunkt des Wahlkampfes, soziale Gerechtigkeit?
Antwort: Deutschland kann mehr. Deshalb müssen wir vor allem erheblich mehr investieren. Es reicht nicht, die Vergangenheit zu verwalten. Ich will die Zukunft gestalten. Wer sich heute zurücklehnt und nichts tut, spielt morgen schon nicht mehr ganz vorne mit. Ich aber will, dass Deutschland auch in Zukunft wirtschaftlich stark und sozial gerecht ist.