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Was ist passiert in Königsfeld vor 7000 Jahren?


Autor: Sabine Christofzik

Königsfeld, Montag, 14. Sept. 2015

Wieviel Angst muss eine Dorfgemeinschaft gehabt haben, um so etwas zu machen? Mit Holzspaten über 1000 Kubikmeter Erde ausheben! Archäologen der Universität Bamberg haben bei Königfeld eine Siedlung aus der frühen Jungsteinzeit nachgewiesen. Dieser Fund ist auf seine Art einmalig in Mitteleuropa.
Die Grabungsschnitte auf dem Feld in Sichtweite des Königsfelder Sportplatzes sind seit Ende vergangener Woche wieder verfüllt. Fotos: Sabine Christofzik


Wenn man es nur etwas genauer wüsste. "Wieviel Angst muss eine Dorfgemeinschaft gehabt haben, um so etwas zu machen?" Dr. Timo Seregély, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bamberg und sein archäologisches Grabungsteam stehen vor vielen Rätseln.

Mit einfachsten Werkzeugen mehr als 1000 Kubikmeter ausheben, um wenigstens theoretisch gegen Angriffe geschützt zu sein - welchen Gefahren sahen sich die Menschen vor rund 7000 Jahren ausgesetzt? Es muss eine unglaubliche Kraftanstrengung für die ganze Siedlung (die Erwachsenen und wahrscheinlich auch die Kinder) gewesen sein. "Wir haben diese Erde kennengelernt, in den letzten vier Wochen. Diesen fürchterlichen Tonboden. Und damals wurde mit Holzspaten gearbeitet..."


Bisher nur in tieferen Lagen gefunden

Was die Archäologen bei Königsfeld ans Tageslicht gebracht haben, in seiner Art einmalig: ein ursprünglich mindestens zwei Meter tiefes Grabenwerk, das eine ausgedehnte Siedlung aus der frühen Jungsteinzeit (etwa 5000 Jahre vor Christus) umschlossen haben muss. Graben werke aus dieser Zeit sind in Mitteleuropa durchaus bekannt, bislang allerdings nicht in Höhenlagen über 400 Meter in den Mittelgebirgen nachgewiesen.

In Oberfranken (bei Coburg)gibt es noch eines. Doch es befindet sich nicht in dieser Höhenlage und ist auch nicht so gut erforscht.


Begehrtes Exkursionsziel

Über 100 Teilnehmer einer vom Colloquium Historicum Wirsbergense angebotenen Exkursion haben in die Grabungsschnitte auf einem Feld südlich des Sportplatzes hineinschauen können. Seit Ende vergangener Woche ist alles wieder zugeschüttet.

Dass es sich um eine Befestigungs- und Verteidigungsanlage gehandelt haben muss, ist für die Wissenschaftler sehr wahrscheinlich. Ob es sich aber um einen durchgehenden Graben handelt oder (stellenweise) um eine Aneinandereihung einzelner Längsgräben, darüber können sie beim aktuellen Forschungsstand nichts Genaues sagen. Auch über die tatsächliche Ausdehnung nicht. "Es ist durchaus möglich, dass der Graben ein Areal von etwa 100 mal 150 Meter umschlossen hat", erklärt Timo Seregély.


Nicht einen Knochen gefunden

Um mehr zu erfahren, hätten sie auch auf einem angrenzenden Feld forschen müssen. Allerdings erhielten sie dazu keine Erlaubnis.

Wie es den Anschein hat, könnten die Mühen der "ersten Königsfelder" sogar vergeblich gewesen sein. Die Archäologen haben, im Vergleich zu anderen Grabungsstätten aus dieser Zeit, nur sehr wenig gefunden, was auf eine längere Besiedelung dieses Ortes hindeutet. "Normalerweise sind solche Gräben voll von Unrat, der dort hinein gekippt wurde. Manchmal wurden auch Tote hineingelegt. Wir haben aber nicht einen einzigen Knochen gefunden."

Sind die Siedler nicht fertig geworden? Mussten sie fliehen? Oder haben sie ihr Werk vollendet und es hat trotzdem ein Überfall stattgefunden? "Wir haben viel Holzkohle entdeckt. Vielleicht wurde die Siedlung niedergebrannt - oder einfach nur aufgegeben", berichtet der Grabungsleiter.

"Wir haben es mit der Spätphase dieser Kultur zu tun. Das muss eine merkwürdige Zeit gewesen sein. Es ist davon aus zugehen, dass es starke Krisensituationen gab. Andernorts sind anhand von Massengräber-Funden Massaker nachweisbar, bei denen die Bevölkerung ganzer Dörfer niedergemetzelt wurden. Meistens fehlen dort die Skelette junger Frauen, was darauf hindeutet, dass sie von den Angreifern verschleppt wurden. Das ist ein Gewaltpotenzial, das wir von den Epochen vorher nicht kennen. Die Bandkeramik-Kultur war im Niedergang begriffen. Es muss Handelskrisen gegeben haben, Netzwerke sind zusammengebrochen."


Erste Oberfranken aus Syrien/Anatolien?

Die "Bandkeramiker" (benannt nach den Mustern, mit denen sie ihre Tongefäße verzierten) waren die erste wirklich bäuerliche Kultur. Sie jagten nicht mehr viel, sondern decken ihren Fleischbedarf hauptsächlich durch das Schlachten von Haustieren. "Diese ersten Bauern Oberfranken waren genetisch nicht unbedingt mit uns verwandt. Ihr Vorfahren stammten größtenteils aus dem Südosten, beispielsweise aus Anatolien oder Syrien".

Was also hat diese Siedler bewogen, sich nahe dem heutigen Königsfeld niederzulassen? Es wird der fruchtbare Boden gewesen sein. Und das Vorhandensein von Wasser in der Nähe. "Wir gehen davon aus, dass die Aufsessquelle damals nicht dort war, wo sie heute ist, sondern unweit der Siedlung."

Königsfeld wird nächstes Jahr 1275 alt und will dieses "krumme" Jubiläum nicht groß feiern. Aber vielleicht 7000 Jahre? Wenn man es nur etwas genauer wüsste...


Wer hat's entdeckt?

Aufmerksam geworden auf den Fundplatz sind zwei ehrenamtliche Mitarbeiter. Bei ihrer systematischen Begehung des Feldes haben sie Steinartefakte und Keramikscherben entdeckt.

Das Areal wurde zunächst per Magnetikprospektion untersucht. Sie ermöglicht es, unterirdische Strukturen zu untersuchen, ohne den Spaten anzusetzen. Es war, das freut Timo Seregély besonders, keine Notgrabung, bedingt dadurch, dass irgendwas gebaut wird, sondern eine, die ausschließlich zu Forschungszwecken betrieben wurde.

Gefördert wird das aktuelle Projekt von der Oberfrankenstiftung, der Universität Bamberg, der Sparkasse Coburg-Lichtenfels und dem Landkreis Bamberg und der Gemeinde Königsfeld.. Die Archäologiestudenten sind jetzt mit der Auswertung und Dokumentation der Funde beschäftigt.


Wie geht es weiter?

In die Reihe der Forschungen zu "Erdwerken und Siedlungen der späten Linearbandkeramik auf der Nördlichen Frankenalb" gehört auch eine (abgeschlossene) Grabung am "Hohlen Stein" bei Schwabthal.

Vorgesehen ist noch eine Untersuchung in der Nähe der "Alten Wüstung" bei Hohenellern. Dort soll unter anderem erforscht werden, ob die Menschen, die in der Jungfernhöhle gefunden wurden, dort siedelten. Es ist allerdings noch nicht klar, wann dieses Projekt in Angriff genommen werden kann, weil voraussichtlich ein anderes - zur Siedlungs- und Landschaftsgeschichte in den Metallzeiten - vorgezogen wird.