Waren die Corona-Razzien in Bamberger Arztpraxen verhältnismäßig?

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Der Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft für die Praxis des Bamberger Allgemeinarztes und Homöopathen Dr. Ernst Trebin wegen "Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse" erlaubt den Ermittlern ausdrücklich das Sichern von Krankenunterlagen. Matthias Hoch
Der Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft für die Praxis des Bamberger Allgemeinarztes und Homöopathen Dr. Ernst Trebin wegen "Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse" erlaubt den Ermittlern ausdrücklich das Sichern von Krankenunterlagen. Matthias Hoch

Mit Durchsuchungen von Arztpraxen in Stadt und Landkreis Bamberg geht die Polizei gegen mutmaßlich falsche Maskenbefreiungen vor. Die Aktion gegen Mediziner wird kontrovers diskutiert. Wir haken nach.

Mitten im Corona-Winter haben Razzien in mehreren Arztpraxen und Wohnungen im Raum Bamberg für fiebrige Diskussionen gesorgt. Wie berichtet, verdächtigen die Bamberger Ermittler mehrere Mediziner, Patienten ohne hinreichenden Grund von der Maskenpflicht befreit zu haben. Von "offensichtlichen Gefälligkeitsattesten" ist im Durchsuchungsbeschluss die Rede. Mindestens eine Demonstrantin gegen die Corona-Regeln hatte eine entsprechende Bescheinigung demnach auf Kundgebungen vorgezeigt, obwohl sie schon öfter mit Maske gesehen wurde. Im Teilnehmermilieu hatte es ebenfalls Wohnungsdurchsuchungen gegeben. Überprüft wurde auch ein Bamberger Hotel, in dem ein Großteil der Angestellten ärztlich vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit war.

Das Vorgehen der Ermittler wird kontrovers diskutiert. Die einen wünschen sich ein hartes Vorgehen gegen mutmaßlich falsche Atteste. Andere kritisieren die Maßnahme als unverhältnismäßig. Wir haben nachgehakt.

"Die Durchsuchungen sind jeweils aufgrund eines richterlichen Beschlusses nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt", betont die Staatsanwaltschaft Bamberg auf Nachfrage. Pressesprecher Alexander Baum erklärt: "Die vorläufig sichergestellten Computer wurden den betroffenen Ärzten zeitnah zurückgegeben. Selbstverständlich werden seitens der Staatsanwaltschaft Bamberg und den ermittelnden Polizeibeamten ausschließlich Patientendaten geprüft und sichergestellt, die im Zusammenhang mit den Tatvorwürfen stehen."

Wer ist der mutmaßlich Böse?

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, sieht die Untersuchung durch die richterliche Anordnung legitimiert. Konkrete Fälle beurteilt er erst nach Abschluss eines Strafverfahrens.

Allgemein erklärt Petri: Patientendaten seien grundsätzlich sensible Daten, die auch entsprechend mehr geschützt seien. "Man muss da schon triftige Gründe haben, um die verarbeiten zu dürfen. Die Staatsanwaltschaft darf das nach einer Einzelfallprüfung und nach richterlicher Anordnung."

Für das Verständnis der rechtlichen Hintergründe trifft der Professor und promovierte Jurist eine wichtige Unterscheidung: Es komme darauf an, wer der mutmaßlich Böse sei - also der Patient oder der Mediziner? "Der Arzt als Behandler hat besondere Rechte wie das Zeugnisverweigerungsrecht über die Daten seiner Patienten. Aber wenn der Arzt selber verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben, ist das etwas anderes." Wenn der Mediziner also selbst der mutmaßliche Täter sei, müssten Ermittler auch auf die entsprechenden Unterlagen zugreifen können. Zwar seien die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit streng. Wenn aber versuchte Körperverletzungen durch Infektionen oder andere Straftatbestände im Raum stünden, könne das "bei einem konkreten Tatverdacht eine Durchsuchung rechtfertigen".

Weil die Corona-Pandemie und die entsprechenden Schutzregeln ein neues Phänomen in der deutschen Rechtsgeschichte sind, finden sich dazu noch kaum Urteile hoher Instanzen. Ein ähnlicher Fall wurde 2001 am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin behandelt: Hier war eine Ärztin angeklagt, Asylbewerbern Atteste ausgestellt zu haben, damit diese nicht abgeschoben werden. Der Verfassungsgerichtshof sah damals die Durchsuchung der Praxis im Nachhinein als erforderlich an. "Zur Aufklärung des Verdachts" habe es "kein milderes Mittel" der Beweissicherung gegeben.

Gefährdung steht im Raum

In den Bamberger Fällen steht außerdem eine Virus-Gefährdung im Raum: Durch die mutmaßlich falschen Atteste könnten nicht nur die Patienten in Lebensgefahr geraten, sondern auch ihr soziales Umfeld.

Dr. Georg Knoblach vom Ärztlichen Kreisverband Bamberg fragte dazu: "Wenn jemand so schwer krank ist, dass er keine Maske tragen kann, darf der dann überhaupt noch auf die Straße, ohne sich selbst zu gefährden?"

Sozialverband warnt vor Pranger

Udja Holschuh, Kreisgeschäftsführerin des Sozialverbandes VdK Bamberg, antwortet mit Ja: "Ein Spaziergang im Freien mit großen Sicherheitsabständen zu anderen Menschen ist wohl eher kein infektionstechnisches Problem. Somit würde ich die Frage von Herrn Dr. Knoblach mit einem klaren Ja beantworten, vorausgesetzt Abstandsregeln und verantwortungsvolles Handeln für sich und andere bleiben dabei gewährleistet." Holschuh mahnt: "Eine Versachlichung der Diskussion halte ich für dringend notwendig, damit nicht Menschen, die aus gutem Grund von der Maskenpflicht befreit sind, grundsätzlich als Verweigerer betrachtet werden."

Der Sozialverband Bayern betont: "Manche Menschen sind ausdrücklich vom Tragen befreit. Das ist keine Aushebelung der Maskenpflicht, sondern es handelt sich um gesundheitlich notwendige Ausnahmen." Diese beträfen Menschen, die wegen einer Atemwegserkrankung oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung schlecht Luft bekämen oder aufgrund einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung keine Maske aufsetzen könnten.

Ob die Patienten der Bamberger Ärzte diese Voraussetzungen wirklich erfüllen? Diese Frage sollen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bamberg beantworten.