Noch nicht einmal in der Marktgemeindeverwaltung weiß man von dem Großeinsatz. Das Polizeipräsidium in Bayreuth ist nicht involviert. Dann automatisch auch die Polizeiinspektion Bamberg-Land nicht. Von der Presseabteilung am Landeskriminalamt in München heißt es, "Hirschaid, ja, da war was." Da habe man unterstützt. Aber verantwortlich und damit zuständig sei die Task Force Cybercrime Göttingen, also Niedersachsen. Die Nachfrage hier ergibt dann, dass ein deutschlandweiter, ja internationaler Einsatz läuft. Es geht um Kriegswaffen, Sprengstoff und Betäubungsmittel. Für den Nachmittag ist eine Pressekonferenz anberaumt, heißt es in der Göttinger Pressestelle.
Aus alllen Wolken
Der im Urlaub gestörte Bürgermeister fällt buchstäblich aus allen Wolken, als er erfährt, dass auch sein Gemeindeteil von einer internationalen Razzia betroffen sein könnte. "Ich wäre geschockt, wenn es uns erwischt hätte." Die Familie, deren Haus untersucht wird, kennt er nicht persönlich.
Wie am Nachmittag bei der Pressekonferenz in Göttingen verkündet, erfolgte in neun Bundesländern, darunter auch Bayern, sowie in Litauen und Kroatien die Großrazzia. Fragen zu Juliushof beantwortet die Pressestelle nicht. Von all dem ahnen die Bewohner des beschaulichen 2003 entstandenen Ortsteils nichts. Wie auch. Die vom Einsatz betroffene Familie gilt als unauffällig und ordentlich. Dazu mag es so gar nicht passen, dass bei dem Einsatz wohl auch Glas zu Bruch gegangen ist, worauf man durch den Werkstattwagen einer Fensterbaufirma schließen, die sich zu den unauffälligen Spezialeinsatzfahrzeugen gesellt hat.
Zur Großrazzia:
Der Hirschaider Gemeindeteil Juliushof gehörte möglicherweis auch dazu: Die Zentralstelle Internet- und Computerkriminalität (Cybercrime) der Staatsanwaltschaft Göttingen und die Zentrale Kriminalinspektion der Polizeidirektion Göttingen hat am Dienstag in neun Bundesländern sowie in Litauen und Kroatien umfangreiche Razzien durchgeführt. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren, das seit September 2018 gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen im Zusammenhang mit der Internetplattform "xplosives.net" geführt wird, so die Pressemitteilung.
Es waren über 1000 Polizeikräfte verschiedener Sicherheitsbehörden beteiligt.
Dabei gelang es, den künftigen Zugriff auf die Website zu unterbinden. Die Aktion galt illegalen virtuellen Marktplätzen. "Die Einrichtung der drei niedersächsischen Zentralstellen zur Cybercrime-Bekämpfung bei den Staatsanwaltschaften in Verden, Osnabrück und Göttingen hat sich national und international bewährt", erklärte die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza.
Durch das Zusammenwirken von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden in neun Bundesländern sowie vier Nationalstaaten gelang es, gegen Betreiber und Nutzer der Website vorzugehen und so den Handel von Sprengstoffen, Waffen und Betäubungsmitteln zu unterbinden. Ein wesentlicher Teil des Erfolgs lag darin, den Zugriff auf das Board dauerhaft zu unterbinden.
Die Domain gehörte zu einem Online-Forum, auf dem umfangreich und detailliert die Herstellung von Sprengstoffen und synthetischen Betäubungsmitteln dargestellt wurde. Zudem wurde das Board, das im Internet für jedermann abrufbar war, für den Handel mit Betäubungsmitteln und chemischen Grundstoffen genutzt. Zuletzt waren dort circa 3000 Mitglieder registriert, von denen sich 2018 etwa 360 Nutzer aktiv beteiligt haben.
Darüber hinaus liegen Hinweise auf wiederkehrende "Spreng Conventions" in der realen Welt vor, die durch zahlreiche im Internet hochgeladene Videos dokumentiert werden. Ferner fand die Plattform auf einschlägigen Seiten auch in Verbindung mit dem G20-Gipfel im Jahr 2017 in Hamburg Erwähnung.
Grundlage des Ermittlungserfolgs waren eine intensive und ausdauernde Ermittlungsarbeit sowie die enge Zusammenarbeit einer Vielzahl von Beteiligten. Die auf der Plattform angegebenen Inhalte begründen den Verdacht, dass Straftaten gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz und das Betäubungsmittelgesetz begangen wurden.
Im Rahmen bundesweiter und internationaler Polizeimaßnahmen wurden nun gegen die Betreiber der Plattform sowie Nutzer, gegen die ein konkreter Anfangsverdacht für die Begehung entsprechender Straftaten besteht, Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Göttingen vollstreckt. Dabei wurden insgesamt 21 Personen im Alter von 17 bis 55 Jahren überprüft.
Eine erste Auswertung der Durchsuchungsergebnisse hat den Fund von Grundstoffen in erheblicher Menge zur Herstellung von Spreng- und Betäubungsmitteln, Sprengstoffe, Betäubungsmittel und Waffen sowie Speichermedien ergeben.Es wurden insgesamt 34 Objekte bei 22 Tatverdächtigen durchsucht. Während des Einsatzes ergaben Erkenntnisse einen weiteren Tatverdächtigen und weitere Tatobjekte. Alle Tatverdächtigen werden nach Abschluss der Maßnahmen wieder entlassen.