Er soll einen Mann auf offener Straße in Bamberg mit einem Messer bedroht und 30 Euro erpresst haben. Dem Angeklagten drohen fünf Jahre Haft. Dann kippt der Zeuge um. Das Landgericht Bamberg fällt schließlich ein Urteil wegen Drogengeschäften.
Zu Prozessbeginn um kurz nach neun Uhr, als Staatsanwalt Christian Lang die Anklage verlas, hatte es so ausgesehen, als ob der Angeklagte weiter im Gefängnis bleiben müsste. Seit knapp drei Monaten sitzt der 33-Jährige schon in Untersuchungshaft. Mit Fußfesseln wird er deshalb in den Gerichtssaal geführt.
Der Vorwurf gegen ihn wiegt schwer: Der Bamberger musste sich am Dienstag wegen schwerer räuberischer Erpressung vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichts verantworten. Er soll gemeinsam mit einer weiteren Person einen Mann, der im vergangenen Jahr wenige Tage nach Weihnachten nachts seinen Hund Gassi führte, bedroht und so 30 Euro erpresst haben. Das auf offener Straße in Bamberg.
Der Mann, der da dem Gericht mit Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt gegenübersitzt, hat sich schon einiges geleistet. Elf Einträge im Bundeszentralregister belegen, dass er bereits wegen Körperverletzung und Drogenbesitz verurteilt worden war. Eine Karriere in die falsche Richtung.
Der arbeitslose Mann saß im Gefängnis, dann in einer Entziehungsanstalt, hatte schon zwei Entzüge hinter sich. War clean. Dann wurde er wieder rückfällig. Nahm Amphetamin, etwas Heroin und dann Crystal Meth, erzählt er dem Gericht. Doch die Geschichte mit der Drohung auf offener Straße stimmt nicht, sagt er. Sein Anwalt Joachim Voigt hatte bis zum Beginn des Prozesses eine Einlassung zurückgehalten, in der sein Mandant die Tat anders darstellt, als der Mann, der ihn belastet.
Nicht mit dem Messer bedroht? "Ich hab' auf der Straße nie irgendwas gemacht, schon gar nicht mit dem Messer", sagt der Angeklagte zum Tatvorwurf der räuberischen Erpressung. Die Tat unterscheidet sich von Raub dadurch, dass der Täter sein Opfer dazu zwingt, ihm die Beute auszuhändigen - während sich der Täter bei einem Raub die Beute nimmt. Das vermeintliche Opfer des 33 Jahre alten Angeklagten gab in einer Polizeiaussage an, dass der Mann ihn bedroht hatte - mit vorgehaltenem Messer und der Hand an der Kehle. Er habe ihm gesagt, dass er ihn absticht, wenn er zur Polizei geht.
Doch all das hat laut dem Angeklagten so nie stattgefunden. Vielmehr belastete er vor Gericht das vermeintliche Opfer. Die beiden hätten ein Drogengeschäft abgewickelt - vor Weihnachten. Der Angeklagte will dem 30-Jährigen einen "Fuffy" Crystal Meth, also 0,5 Gramm, besorgt haben. Später am Tag habe er selbst Drogen benötigt. Also sei er auf das Angebot des 30-Jährigen eingegangen und hat dort bei ihm wieder etwas Crystal holen wollen. Dann habe in dessen Wohnung gezielt ein Drogengeschäft stattgefunden. Doch da der Stoff gestreckt war, wie der Angeklagte festgestellt haben will, habe er das Crystal einfach mitgenommen, ohne zu bezahlen. Also: keine räuberische Erpressung auf der Straße.
"Das sind jetzt viele verschiedene Storys", befand am Dienstag Vorsitzender Richter Manfred Schmidt. Und es sollte noch eine Story dazukommen. Denn der 30 Jahre alte Zeuge - das vermeintliche Opfer - packte zur Überraschung aller Beteiligten eine neue Version der Geschichte aus.
Er müsse eingestehen, dass er bei der Polizei nicht ganz die Wahrheit gesagt habe, schließlich wollte er sich nicht selbst belasten, sagte er. Es soll sich tatsächlich um ein Drogengeschäft gehandelt haben, das bei ihm zu Hause stattgefunden hatte. Doch blieb er bei der Version, dass der Angeklagte und ein weiterer Mann ihn bedroht hatten, dabei ein Messer gezückt worden war. Auch einem Polizeibeamten, zu dem er ein Vertrauensverhältnis pflegt, hatte er nichts von dem Drogengeschäft verraten. Er sei seit eineinhalb Jahren clean, sagte er vielmehr zu diesem. Das war er wohl nicht.
Vorwurf nicht haltbar Am Ende wandelte das Gericht die Anklage um. Der Zeuge war zu unglaubwürdig. Der Vorwurf der räuberischen Erpressung konnte nicht aufrechterhalten werden. Dafür wurde der Angeklagte wegen des Drogengeschäfts und des Rauschgiftdiebstahls zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Monaten verurteilt.
Der 33-Jährige konnte das Gerichtsgebäude als freier Mann verlassen: Er hatte knapp drei Monate in Untersuchungshaft verbracht, was mit der Strafe verrechnet wurde.