Verliebter Romeo zahlte und zahlte

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Nicht leicht machte es sich das Amtsgericht bei der Entscheidung, wem mehr zu glauben sei - dem Steuerberater oder der Prostituierten. Schließlich wurde die Prostituierte verurteilt.Christopher Schulz/Archiv
Nicht leicht machte es sich das Amtsgericht bei der Entscheidung, wem mehr zu glauben sei - dem Steuerberater oder der Prostituierten. Schließlich wurde die  Prostituierte verurteilt.Christopher Schulz/Archiv

Eine rumänische Prostituierte wurde zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Ein Steuerberater hatte ihr insgesamt 63 000 Euro geliehen.

Es ist ein klassischer Fall von Aussage gegen Aussage. Wem glaubt man seine Geschichte? Dem angesehenen Steuerberater aus dem Landkreis Bamberg oder der zwielichtigen Prostituierten aus Augsburg? Hat er ihr 63 300 Euro geliehen und sie ihn betrogen, weil sie ihm falsche Hoffnungen auf eine Heirat gemacht hat. Oder war die Summe "hart" erarbeitet und er möchte sich so nun aus der Affäre stehlen?.

Strafrichterin Magdalena Becker ist an diesem Tag nicht zu beneiden. Fast neun Stunden muss sie sich die Argumente der beiden Seiten anhören. Dabei klingen beide Versionen gleichermaßen unglaublich. Es geht immerhin um 63 300 Euro, die zwischen Oktober 2016 und September 2017 geflossen sind. Nur diese Summe ist unstreitig. Um alles andere wird heftig gerungen.

Angeblich schlimme Verhältnisse

Wenn man Staatsanwalt Andreas Uhlstein zuneigt, dann hat der Steuerberater das Geld nur verliehen. Freilich ohne sich als Finanzfachmann dafür Quittungen geben zu lassen. Die 28-jährige Frau, die er im August 2016 im Bordell in Bamberg als "Julia" kennengelernt habe, habe ihm von einer arbeitslosen Mutter, einem alkoholkranken Vater und einem schwerbehinderten Bruder berichtet. Sie habe Schwierigkeiten, müsse sie doch nicht nur 300 Euro Miete in der Woche an ihren Chef aus dem Rotlichtmilieu abgeben, sondern auch noch die Hälfte des Umsatzes. Sie brauche mehr Geld. Denn in der Heimat drohte das Elternhaus versteigert zu werden.

"Ich fand sie ganz sympathisch. Sie tat mir leid. Ich wollte ihr helfen." Aus Sicht des Geschädigten habe sich schon bald eine Liebesbeziehung entwickelt. Sie habe mehrfach bei ihm zu Hause übernachtet - ohne Geld zu nehmen. Dann habe sie ihm gesagt, tagsüber arbeite sie in der mobilen Altenpflege. Was wohl irgendwie auch stimmte. Staatsanwalt Uhlstein sah gewerbsmäßigen Betrug und forderte ein Jahr und neun Monate mit Bewährung.

"Die Frau meines Lebens"

"Ich liebe Dich so unendlich. Du machst mich so glücklich. Du bist die Frau meines Lebens", lautete es auf den Grußkarten, die die generösen Blumengeschenke des deutlich älteren "Romeo" begleiteten. "Als ich sie nach einigen Monaten fragte, ob wir zusammen seien, sagte sie "Ja"." Da hatte er bereits immer wieder Geldumschläge mit 2000 oder 7000 Euro augehändigt.

Dafür plünderte der Steuerberater nicht nur seine Altersvorsorge, sondern nahm auch ein Bankdarlehen auf. Zuletzt war er so verzweifelt, dass er sogar seine 75-jährige Mutter anpumpte. "Ich bin einfach zu gutmütig," so der Nebenkläger. Die Mama gab ihm nach längerem Widerstreben einen Teil ihrer Haushaltskasse: 15 000 Euro. "Als Mutter lässt man sich beknien." Sein Mandant habe"Julia" heiraten wollen. Man habe nicht nur Putzpläne für das Eigenheim entwickelt, und sich auf Kindernamen geeinigt, sondern sogar schon den Bamberger Dom für die Feierlichkeiten reserviert, erklärte Rechtsanwalt Rainer Werthmann (Bamberg). Und das Testament zu ihren Gunsten geändert. "Vielleicht war das blauäugig." Immerhin hätte die junge Dame versichert, das Geld zurückzuzahlen, auch wenn man einmal nicht mehr zusammen sei. "Sie sagte noch: Ich liebe Dich. Darauf hatte ich so lange gewartet. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe," so der Geschädigte. Bis zur Gerichtsverhandlung.

Rumänien statt Italien

Wenn man der Angeklagten glauben möchte, dann hat der damals noch verheiratete Mann sich mit der Hostess vergnügt. Bei "Honoraren" von 1000 bis 2000 Euro pro Nacht für drei Stunden im Restaurant, zwei Stunden im Bett, drei Stunden im Gespräch und wieder einer Stunde ohne Worte. Dazu reiste er der "Dienstleisterin" durch ganz Bayern hinterher. Von Bamberg über Ingolstadt, von Augsburg bis Rosenheim, von Landshut bis Plauen. Sogar nach Mailand fuhr er dem Escort-Girl hinterher. Denn angeblich stammte sie aus Italien.

In Wirklichkeit kam die schlanke Schönheit jedoch aus Rumänien. "Der Geschädigte war in Sachen Prostitution nicht unerfahren. Er musste doch wissen, dass in dieser Szene der Name und die Herkunft anders angegeben werden," so Rechtsanwalt Markus Gerhardt (Nürnberg), der betont, dass es weder einen Täuschungsversuch noch einen Betrug gegeben habe und seine Mandantin deshalb freizusprechen sei. Er weist zudem darauf hin, dass die Angeklagte beim Jugendamt, bei der Arbeitsagentur und beim Finanzamt angezeigt worden sei. "Das war ich. Der Frust musste raus," räumt der Steuerberater freimütig ein. Er sei enttäuscht und verletzt.

Gericht glaubt Geschädigtem

Am Ende einer langen Verhandlung wird Strafrichterin Becker die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Bewährung verurteilen. Sie glaubt einer unfassbar detaillierten Zeugenaussage des Geschädigten, der über zwei Stunden haarklein erzählt. In den nächsten drei Jahren darf "Julia" nicht mehr straffällig werden, muss jeden Wohnsitzwechsel melden und 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit beim Verein Lifeline Bamberg ableisten.