Verbotene Liebe: Geschiedener Religionslehrer lebt in Angst

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Grafik: Michael Karg
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Ulrich-Arthur BirkFoto: Ronald Rinklef
Ulrich-Arthur BirkFoto: Ronald Rinklef
 

Herr L. begeht jeden Tag Ehebruch. Das sieht zumindest die katholische Kirche so, denn seine Scheidung erkennt sie nicht an. L. ist Religionslehrer. Er will seine Stelle nicht verlieren. Dass in Freiburg nun erstmals eine deutsche Diözese auf Geschiedene und Wiederverheiratete zugeht, hat für Kirchen-Mitarbeiter wie L. existenzielle Bedeutung.

Herr L. hat Angst vor der Erzdiözese. Deshalb will er seinen Namen nicht sagen. Und deshalb bekennt er sich nicht zu der Frau, die er liebt. Herr L. ist katholischer Religionslehrer, seine Ehe wurde vor über zehn Jahren geschieden, doch das gilt nur vor dem Gesetz. Aus Sicht der katholischen Kirche ist er immer noch mit seiner Ex verheiratet und darf keine neue Beziehung eingehen. Für Katholiken gilt: "Bis dass der Tod euch scheidet".

Dass nun in Freiburg erstmals ein deutscher Bischof auf Geschiedene und Wiederverheiratete zugeht, hat nicht nur eine rein moralische Bedeutung, sondern für geschiedene Kirchenmitarbeiter wie L. eine ganz existenzielle: Ein Religionslehrer mit einer Lebensführung, die der christlichen Sittenlehre widerspricht, kann die Missio, also die Lehrbevollmächtigung für Religion, verlieren. Dabei spielt es keine Rolle, dass Herr L. an einer staatlichen Schule unterrichtet. "Für die Missio ist das Ordinariat zuständig", erklärt Ines Held vom Bayerischen Kultusministerium.

Von Problemen erfahre das Ministerium erst, wenn die Missio nicht mehr vorhanden ist. Ob sie freiwillig zurückgegeben oder entzogen wird, werde nicht erfasst, allerdings weiß Held von "Einzelfällen", in denen ein Reli-Lehrer sein Fach nicht mehr unterrichten durfte. "Das bedeutet nicht, dass er Angst um seinen Job haben muss. Er muss dann eben mehr Stunden in seinem zweiten Fach geben, eventuell auch zusätzlich an einer anderen Schule." Außerdem bestehe die Möglichkeit, sich an der Lehrerakademie für ein neues Zweitfach zu qualifizieren.

Versteckspiel und Glück im Geheimen

Herr L. ist aber gerne Religionslehrer. Und er ist überzeugter Katholik. "Ich finde Werte wichtig. Die Kirche bewahrt Werte, das vermittle ich auch meinen Schülern." Aber was Scheidung und Wiederverheiratung betrifft, müsse erlaubt sein zu fragen, wie verknöchert die Institution sei. "Ich finde, dass man das, was man tut, mit seinem Gewissen und dann mit dem da oben vereinbaren muss. Ich habe es nicht willentlich gemacht. Es ist halt passiert".

Er vertrete nach wie vor die Lehre der Kirche, nach der die Ehe auf Dauer angelegt ist. "Aber es funktioniert eben nicht immer", sagt er traurig. Als Herr L. Anfang 20 war, dachte er anders. Er erinnert sich an den Moment, als er nach der Trauung mit seiner Frau die Kirchentreppen herunterschritt, die Braut in Weiß, 100 Gäste, die Glück wünschten. Und Herr L. war glücklich. Etwa 15 Jahre später beichtete seine Frau ihm ihr Verhältnis mit einem Arbeitskollegen. Die Ehe war da schon lange nicht mehr gut. "Das Übliche: immer mal Streit, immer weniger Gemeinsamkeiten." Ein dreiviertel Jahr versuchte das Paar, sich zusammenzuraufen, bis es erkannte, dass es nicht geht. Herr L. zog aus, drei Monate später zog der neue Mann ein. Die Ex hat längst wieder geheiratet. Auch L. lernte eine andere Frau kennen. Damit begann das Versteckspiel.

Konkubinat besser als amtlich bescheinigter Ehebruch

"Ich wollte nicht für immer alleine bleiben", sagt der Mittvierziger, dem Familie sehr wichtig ist. "Und sie wusste, worauf sie sich einlässt: dass ich nicht mehr heiraten kann." Ein "Konkubinat" ist aus Sicht der Kirche leichter zu tolerieren als eine standesamtliche Wiederheirat: Obwohl letztere kirchenrechtlich ungültig ist, bescheinigt sie amtlich eine neue Lebenspartnerschaft - und somit den Ehebruch. "Die katholische Kirche macht Unterschiede im Grad der Loyalität, der verlangt wird", erklärt Ulrich-Arthur Birk. Der Sozialrechtler an der Universität Bamberg sagt, nur in der 1. Stufe sei vorgeschrieben, dass die Mitarbeiter Katholiken sein und das Kirchenrecht beachten müssen. "Das gilt für Leitungsfunktionen und Mitarbeiter mit erzieherischen Aufgaben." Also außer für Religionslehrer beispielsweise auch für Erzieher in einer katholischen Kindertagesstätte. L. erzählt von katholischen Religionslehrern aus seinem Bekanntenkreis: eine Lehrerin mit unehelichem Kind, zwei Geschiedene - keiner von ihnen hat eine Lebensführung, die dem Anspruch der Kirche genügt.

Angst vor Erpressung

"Es ist eine Gefahr, in der man lebt. Und ich kann mit der Situation leben. So lange nichts passiert" - so lange die Diözese nicht weiß, dass er mit seiner Freundin zusammenlebt. Den Schulleiter hat er aber informiert. Der warnte: "Passen Sie auf, was Sie im Unterricht sagen. Sie machen sich erpressbar."

L. wohnt mit seiner Partnerin weit genug weg, um in der Freizeit keinen Schülern über den Weg zu laufen. Wenn doch, gehen die Kinder ganz selbstverständlich davon aus, dass die Frau an seiner Seite seine Ehefrau ist: "Guten Tag, Frau L.", sagen sie. Die Frau würde nie sagen, dass sie einen anderen Namen hat.

Verzicht und Risiko

L. sieht das nicht als Lebenslüge. Er ist mit seinem Gewissen im Reinen. "Aber es geht auch um die Partnerin. Ich liebe diese Frau!" Auch sie ist sehr christlich, die Ehe bedeutet ihr viel. L. weiß, dass sie ihm zuliebe darauf verzichtet. Und er geht das Risiko ein, wegen ihr die Missio zu verlieren. Manchmal reden sie darüber, wie es wäre, zu heiraten. "Aber nicht oft. Es ist halt so. Bis zur Pensionierung könnte ich sie nicht heiraten." Das Paar hat dadurch auch finanzielle Nachteile: "Uns stünde ein Verheiratetenzuschlag zu, den ich die nächsten 20 Jahre nicht bekomme. Und es geht auch um die finanzielle Absicherung meiner Partnerin."