Sachverständige überraschen die Erkenntnisse aus der ersten Schadstoff-Erkundung wenig. Dennoch verstummen die Abbruchspekulationen in Bamberg nicht. Auch deshalb drängt die CSU auf "schnelle Erfolge". Unterdessen fordert die Bamberger Linke Liste den "Erhalt aller Wohnungen" und eine Vermarktung deutlich unter Marktpreis.
Wer sich mit Wohnungen im Bestand auskennt, den haben die am Wochenende veröffentlichten Ergebnisse eines Gutachtens der Landesgewerbeanstalt über die Pines-Siedlung wenig überrascht.
Belastete Parkettböden und Wandputze gab es auch schon in anderen US-Wohnungen in Deutschland. Und solche als gefährlich eingestuften Stoffe schlummern auch in vielen deutschen Bestandswohnungen, möglicherweise deutlich häufiger als bekannt.
Dennoch haben die Untersuchungsergebnisse in Bamberg die ohnedies heftige Debatte noch einmal verschärft. Auf infranken.de und Facebook wird unter anderem der Vorwurf gegenüber der Stadt erhoben, bei den Aussagen handele sich um ein schlichtes Gefälligkeitsgutachten. Viele Bürger fragen sich zudem, ob die benannten Schadstoffe in den Böden und Putzen wirklich so ernst zu nehmen sind, wie die Stadt mit Berufung auf fünf Probebohrungen darlegt. Und gar nicht so selten verleihen die Bürger ihrer Befürchtung Ausdruck, dass es jetzt doch zu dem umstrittenen Abriss von US-Wohnungen kommen könnte.
Fragt man die Stadt, dann sind diese Spekulationen völlig unbegründet. Wie Sprecherin Ulrike Siebenhaar sagt, sei das Gutachten nicht von der Stadt, sondern von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Eigentümerin in Auftrag gegeben worden. Auch zu den Befürchtungen, es komme zum Abriss, nimmt sie noch einmal Stellung: "Es gibt keinen Abrissbeschluss. Was es gibt, ist eine Zweckerklärung für die 104 Pines-Wohnungen. Sie sollen möglichst bald dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden."
Unterdessen kann man aus den Erkenntnissen des Gutachtens, das im Konversionsamt der Stadt öffentlich einzusehen ist, durchaus Differenziertes für die Wohnungen ablesen. Zum einen: Die empfohlene "vollständige Entkernung" ganzer Räume, worunter die Rückführung auf den Rohbau inklusive des Entfernens aller Leitungen zu verstehen ist, bezieht sich nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen eben nicht auf die Wohngeschosse, sondern auf das Keller- und Dachgeschoss sowie den Spitzboden. Hier geht es vor allem um jene Bereiche, die in den Jahren 2000 bis 2005 nicht saniert wurden.
Entfernen oder abdichten Andererseits: Die Entfernung sämtlicher Bodenbeläge wegen der teerhaltigen und stark mit den als krebserregende geltenden PAK-Stoffen versetzten Kleber, wie sie von den Gutachtern ebenfalls empfohlen wird, ist bei 13.000 Quadratmetern Wohnfläche ohne Zweifel ein gewaltiges Vorhaben.
Heinz Brehm, Sachverständiger der Handwerkskammer in Oberfranken für den Bereich Parkettböden, kennt das Dilemma mit den bis 1985 verbauten Klebern aus vielen Wohnungen. Aus seiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten damit umzugehen - den Boden abzudichten oder ihn aufwändig zu entfernen. Brehm empfiehlt bei einem unversehrten Parkett ohne Risse und Wackelstellen seinen Kunden schon aus Kostengründen Ersteres, denn eine Ausdünstung der PAK-Stoffe könne auch konservativ vermieden werden.
Im Falle der Bamberger Wohnungen scheint dieser einfache Weg aber ausgeschlossen, da die Stadt die Wohnungen erklärtermaßen nur schadstofffrei übernehmen will. Folglich wird die Bima um einen Sanierungsplan nicht herumkommen, der die aufwändige Entfernung der Böden unter Umständen samt Estrichs sowie des Baus neuer Böden beziffert. Bei 100 Wohnungen und einem Quadratmeterpreis von 30 bis 40 Euro, den Brehm allein für die Entfernung der Parkettböden nennt, dürften die Kosten schnell in die Hunderttausende gehen.
Dennoch sieht auch die Bima derzeit keinen Grund für die nicht verstummenden Abbruchspekulationen in Bamberg. Ein Rückbau komme nur in Frage, wenn die Sanierungskosten höher als der Verkaufswert lägen. Davon ist nach Einschätzung von Monika Maucher von der Bima Bayern nicht auszugehen.
Für die Stadt könnte im derzeitigen Schadstoffszenario sogar ein Vorteil stecken, mutmaßen die Grünen. "Ich sehe da eine Chance, weil der Finanzierungsaufwand, der bei einem Kau fällig wird, kleiner wird und die Sanierung sukzessive erfolgen kann", sagt Peter Gack von den Grünen. Die Schadstoffe könnten also indirekt über den sinkenden Verkaufspreis dazu beitragen, dass die Wohnungen günstiger würden Auch Helmut Müller von der CSU widerspricht da nicht. Der Fraktionschef möchte in den nächsten Wochen mit seiner Partei erreichen, dass bei der Umwandlung von Wohnraum endlich aufs Tempo gedrückt wird. "Wir brauchen sichtbare Erfolge", sagt Müller mit Blick auf die heftige öffentliche Debatte. Dazu wäre der Fraktionschef sogar bereit, eine der bisherigen Grundbedingungen in Frage zu stellen - dass die Stadt die Konversion im Alleingang ohne Entwicklungsgesellschaft bewältigt.
Das ganze Thema Konversion hat schon viel zu viel öffentlichen Wirbel produziert und - wie sich ja wohl erst jetzt herausgestellt hat - waren gar nicht alle Fakten bekannt. Das bedeutet aber doch letztlich auch, dass alle bisher entwickelten Ideen und Pläne in Unkenntnis der jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse aus dem Gutachten erheblich fehlerbehaftet waren und noch sind.
Das Einzig vernünftige ist doch jetzt in der Tat, mit dem erworbenen Wissen das Konversionsgelände Stück für Stück und mit Ruhe und Sachverstand nutzbar zu machen, also sichtbare Fakten zu schaffen und Erfolge zu zeigen, statt weiter die höchstens nur noch größer werdende Gerüchteküche brodeln zu lassen. Die 104 Wohnungen der Pines-Area für den Wohnungsmarkt vernünftig aufzubereiten und tatsächlich dann auch anzubieten, wäre dafür genau der richtige Schritt in die richtige Richtung.
Sonst kommt doch in das ganze Thema im Leben keine Ruhe mehr rein! Das kocht doch sowieso schon viel zu lange!