Im Rahmen der Internationalen Wochen versuchen sich vier Politikwissenschaftlerinnen im Landratsamt Bamberg an Analysen zur Bundestagswahl.
In den Fernsehstudios wie auf dem Podium im Bamberger Landratsamt: Eigentlich sind sich die Experten in diesen Tagen nach der Bundestagswahl einig, dass man nun so langsam genug über die AfD geredet hat. Man tut es trotzdem.
"In Polen gibt es ganz klar die Sorge, dass sie sich zu einer Mehrheitspartei entwickeln könnte." Das sagt Weronika Priesmeyer-Tkocz, Politikwissenschaftlerin an der Europäischen Akademie in Berlin. In Polen liege die Angst vor der AfD in der deutschen Vergangenheit begründet. Im Nachbarland zieht eine Partei in den Bundestag ein, die findet, man könne
jetzt auch mal wieder stolz auf die Leistungen der Wehrmacht sein. Polen hatte im Zweiten Weltkrieg rund sechs Millionen Tote zu beklagen.
Gerade in der polnischen Haltung zeigt sich ein interessantes Paradox, eine Bruchstelle der europäischen Parteienlandschaft 2017. Das Land wird von der rechtspopulistischen PiS-Partei regiert. Bei vielen Menschen gebe es das Gefühl, sagt Priesmeyer-Tkocz: "Wir dürfen nationalistische Parteien haben, aber die Deutschen nicht."
Auch die anderen vier Wissenschaftlerinnen, die am Montag ins Landratsamt geladen worden waren, kennen Auseinandersetzungen mit Populisten aus ihren Heimatländern: Die Französin Catherine Iffly, Claudia Stamini aus Rom
und Prof. Bahri Yilmaz aus der Türkei. Angesichts dieser Konstellation fragt Moderator Ulrich Brückner, Stanford University Berlin: "Haben wir uns normalisiert?"
Die vier Politikwissenschaftlerinnen waren im Rahmen der Internationalen Woche nach Bamberg gekommen, um die Bundestagswahl am direkten Folgetag zu reflektieren. Die Frage des Abends lautet: "Was denken unsere politischen
Nachbarn?" Leider verengen sich die Beiträge der vier Wissenschaftlerin zu sehr auf: "Was schreiben die Medien?" anstatt eigene Analysen anzubieten. Der beobachtende Fokus auf die öffentliche Meinung ist ein interessanter Ansatz, um die Ausgangsfrage zu beantworten - aber eben nur einer.
Klar wird: In allen vier Ländern wird die deutsche Bundestagswahl als richtungsweisend wahrgenommen, vor allem hinsichtlich der Frage, wie es mit der Europäischen Union weitergehen soll. In Frankreich stand zuletzt Marine LePen in der Stichwahl, mit ihr an der Spitze spräche man nun womöglich über den Frexit. In Italien verzweifelt man an der eigenen Rolle angesichts der Flüchtlingsströme. Und in der Türkei gehört Anti-Europa- und Anti-Deutschland-Propaganda mittlerweile zum Handwerkszeug der Regierung.
Da Präsident Erdogan sowohl SPD und CDU als auch die Grünen als "türkeifeindlich" einstuft, habe er die türkischstämmigen Deutschen sogar zu einem Wahlboykott aufgerufen, so Prof. Yilmaz. "Eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung fand nicht statt." Nun im Nachgang der Wahl seien sich regierungsnahe und nicht regierungsnahe Medien in einer Sache
einig: "Die Nazis sind im Parlament, Deutschland ist für Türken nicht mehr sicher."
Der Blick auf Kanzlerin Angela Merkel aus dem Ausland schwankt dabei zwischen Anerkennung und Unverständnis. In Italien, so Stamini, sei man neidisch auf die deutsche Stabilität. Eine große Koalition sei dort nicht möglich. Gleichzeitig sei die flache Rhetorik kritisiert worden: "Merkels Kampagne wurde eine ,Ungefähr-Kampagne´ genannt."
Ähnlich die französische Perspektive: Das strategische Geschick Merkels, zum Beispiel in der Causa "Ehe für alle" sei bewundert worden. Andererseits: "Sie hat die politische Debatte verkleinert. Warum war zum Beispiel die Energiewende kein Thema mehr?", sagt Catherine Iffly. Gerade für den französischen Präsidenten Macron sei es nun wichtig, in Deutschland
einen starken Partner für seine Reformen der EU zu finden. Die wahrscheinliche Teilhabe der FDP an der Regierung könnte seine Pläne gefährden.
Zudem haben die Liberalen vorgeschlagen, die russische Annexion der Krim als "dauerhaftes Provisorium" anzuerkennen, was der französische Regierungschef absolut vermeiden möchte. Für Iffly ein wichtiges Thema: "Es herrscht Krieg vor den Toren der EU und man spricht nicht darüber. Das ist eine Vogel-Strauß-Politik."
So spannt sich das Gespräch, in das am Ende auch das diskussionsfreudige Publikum mit einbezogen wird, letztlich doch von der Protestpartei bis zur großen Real- bzw. Außenpolitik. Der 13-Prozent-Schock bleibt dabei aber der Rote Faden. Ulrich Brückner bemüht sich zuletzt die Einordnungen einzuordnen, indem er, angesichts ihrer Bedrohung, den Wert der EU noch
einmal herausstellt: "Keines der großen Problem des 21. Jahrhunderts", sagt er, "wird mit winzigen kleinen Ländern, die auf der Karte kaum zu sehen sind, zu lösen sein."