Theater auf der Altenburg - Ritterschlag fürs ganze Ensemble

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In passenden bunten Kostümen tummeln sich die Schauspieler auf der Bühne im Burggraben. Fotos: Dieter Grams
In passenden bunten Kostümen tummeln sich die Schauspieler auf der Bühne im Burggraben. Fotos: Dieter Grams
 
 
 
 

Chapeau Claque auf der Altenburg: "Der kleine dicke Ritter" zieht das Publikum mit vielen schönen Ideen in seinen Bann.

Der kleine dicke Ritter, Sir Oblong-Fitz-Oblong, ist eine Kopfgeburt des britischen Dramatikers und Drehbuchautoren Robert Bolt. Ein Oscar prämierter Autor. Doktor Schiwago, Lawrence von Arabien, Mission, Ein Mann für alle Jahreszeiten - ohne Ausnahme mit dem Academy Award ausgezeichnete Filme. Und wenn nicht, so doch wenigstens nominiert, was ja allein schon einem Ritterschlag gleichkommt.Bolt war als Drehbuchautor stets beteiligt.

Einen Ritterschlag hat auch Sir Oblong erhalten, der kleine dicke, so ungewöhnlich tier- und menschenfreundliche Ritter, und den hat sich nun auch Chapeau Claque verdient. Der Verein für kreative Medien und Kulturpädagogik als Ganzes, und die Protagonisten auf und hinter der Bühne als Teile des Ganzen.
Sie haben die Altenburg in ihren Besitz gebracht.

Gewaltige Mauern und mächtige Brückenpfeiler - der Burggraben ist die ideale Kulisse für die dramatischen Ereignisse, die sich da im Rahmen des Sommer-Theaterfestivals abspielen. Eine absolut kindgerechte Dramatik, trotz der von der Regie, Nina Lorenz, flankiert von Diana Banzhaf und Svenja Trunk, verordneten erbitterten Zweikämpfe. Schließlich haben wir es ja mit Rittern zu tun, und dass im Mittelalter der Ritter der Inbegriff des Kriegers war, weiß jedes Kind.

Dass jeder Ritter auch einen Eid abzulegen hatte, nämlich die Schwachen zu verteidigen, immer gegen Ungerechtigkeit und für das Recht zu kämpfen und allen gegenüber freimütig und großherzig zu sein, vermutlich auch. Nicht jeder der durch den Ritterschlag geadelten Männer hielt sich auch daran. Sir Oblong, gespielt von Benjamin Mangelsdorf, tut das. Er benimmt sich derart ritterlich, dass sein Herzog und seine Berater zu dem Schluss kommen, einen so vollkommenen Ritter eigentlich gar nicht zu brauchen.

Ein-Mann-Expedition

Der mit den Tieren spricht, besonders mit der zu kleinen Gaunereien aufgelegten Dohle Dolfus, Sir Oblong, lässt sich als Königlich-Fahrender Ritter zu einer Ein-Mann-Expedition überreden. Nach einer stürmischen Überfahrt erreicht er ein Eiland, wo noch das Böse regiert - die Bolligru-Insel, wo auf der einen Seite Baron Bolligru (Thomas Paulmann) die Bauern schindet, quält und betrügt, und dabei von dem üblen Wüstling Schwarzherz (Benjamin Bochmann), Ritter zwar, aber kein Edelmann, nach Kräften unterstützt wird, und auf der anderen Seite ein bösartiger Drache mit unstillbarem Hunger das Land verwüstet und ausplündert.

Eine Achse des Bösen, zu der sich dann auch noch die durch und durch böse Zauberin Malachia (Victoria Heinz) gesellt. Sie gibt Bolligru auch den Tipp, dass so gute Menschen wie Oblong ein wahrer Gaumenschmaus für Drachen sind: "Sie haben so ein gutes Aroma." Der von den überheblichen Machthabern belächelte "Fettmops" vom Festland nimmt unverzüglich den Kampf auf, selbstverständlich unter Beachtung der festgeschriebenen, ritterlichen Regeln. Bolligru und Schwarzherz auch. Aber die nehmen das nicht so genau mit den Regeln.
Nach dem fulminanten Finale des Geschehens gab die "Academy of Motion Theater Arts and Sciences" die Nominierungen für die Oscars bekannt, und das Publikum auf der voll besetzten Tribüne hielt in allen Fällen die Laudatio, lautstark und begeistert.

Souveräne Darsteller

In der Kategorie beste Hauptdarsteller gab es vier Nominierungen, und - die Spannung steigt - the Oscar goes to - der Oscar geht an ein kluges, attraktives, gut kochen könnendes, wandlungsfähiges, enorm gelenkiges Burgfräulein, gleichzeitig als Gauklerin, tieftraurige, verzagte Eiermalerin Obidia Hoppelpopp und durchtrieben-hinterhältige, geldgierige Zauberin Malachia auf der Bühne - die wunderbare Victoria Heinz; außerdem an den "Spezialisten für Zwangsräumungen und Bürger-erschrecken", den "Eiertöter", auch Gaukler und Drachen, den kraftvoll aufspielenden, halsbrecherisch kletternden und gewaltigen Schwertkämpfer, der dann doch irgendwann arg zerhauen als taumelnde "halb geöffnete Sardinenbüchse" auf den Boden knallt und seine Liebe für die entzückende Obidia entdeckt - den sportlichen Vollblutrecken Benjamin Bochmann; nächstens an den wahrhaftigen Gaukler Thomas Paulmann, für seine herausragend herrliche, komödiantische Darstellung des durchtriebenen Leuteschinders und begnadeten Jägers Bolligru, der vor keiner Gemeinheit zurückschreckt und auch schon mal mit Falschgeld bezahlt; und ohne Frage an Benjamin Mangelsdorf, der als Gaukler und Sir Oblong über die Bühne huscht und wieselt, turnt, tanzt, kugelt und schreitet, die Dohle Dolfus rappen lässt und der Rolle des Königlich-Fahrenden Ritters, einem Mann, der glaubt, dass es regnet, wenn man ihm ins Gesicht spuckt, überzeugend Gesicht, Stimme und Gestalt verleiht. Ein hervorragender Schwertkämpfer ist er natürlich auch, was Schwarzherz schmerzlich erfahren muss.

And the Oscar goes to - Nina Lorenz, für die beste Regie. Für die geniale Idee eine Truppe von Gauklern die Geschichte erzählen zu lassen, für atemberaubende Stunts und geradezu akrobatisch-artistische Elemente, die das Ensemble mühelos meistert. Ebenso wie die Gesangseinlagen. Singen können sie auch. Da wurde ein witziges, temporeiches Feuerwerk voller Situationskomik abgebrannt, an dem nicht nur die kleinen Besucher ihre helle Freude hatten, und einmal raucht es dann auch wirklich. Aus der Drachenhöhle quellen unvermittelt schweflig stinkende, giftig-gelbe Schwaden.

Premierengeschenke

In der Kategorie "beste Kostüme" gewinnt einmal mehr Nicola Voit die begehrte Trophäe. Bunt, farbenprächtig, vielfältig und Rüstungen aus Putzschwämmen - darauf muss man auch erst einmal kommen.

Für das Bühnenbild sorgt nicht allein die Altenburg, sondern auch die Ausstattung von Sebastian Stahl. Taue, Seile und Stricke, zu denen neben vielen anderen auch die Feuerwehren aus Erlau und Walsdorf beisteuerten, vervollständigen das Bild. Für die Musik sorgte Rolf Böhm, und dafür, dass auch alles am richtigen Platz und ordentlich befestigt war, Martin Klerner und Niko Katsios.

Von der Produktionsleiterin Heidi Lehnert gab es für jeden vor der Aufführung ein kleines, dickes, behelmtes Überraschungsei als Premierengeschenk, und von Chef Markus Hörner danach eine Rose.

"Der kleine dicke Ritter" ist vom 29. Juni bis zum 14. September zu sehen, jeweils Sonntags um 15 Uhr, in den Sommerferien auch Samstags um 17 Uhr. Die Termine für Schulen und Kindergärten, jeweils um 9 und um 10.30 Uhr, enden am 29. Juli. Im Lauf der Zeit werden auch noch Harald Rink und Susanna Bauernfein in die Riege der Darsteller einsteigen.