Die Messe war bereits gelesen, als Joker Fabian Schleusener den 1. FC Nürnberg doch noch vor dem Abstieg in die Dritte Liga bewahrt.
Günther Koch spricht von Dankbarkeit. Und von Fügung. "Anders kann man das nicht erklären. Ich habe alles erlebt. Ich dachte zumindest, ich hätte alles erlebt", sagte der Kult-Reporter vom Hörfunk, der schon immer mit seinem Club gefiebert und wohl noch mehr gelitten hat. Auch an diesem sonnigen Tag, der für den ruhmreichen 1. FCN so bitter hätte enden können. "Der Abstieg wäre eine Katastrophe gewesen. Und ich wäre mitverantwortlich gewesen. Dazu stehe ich auch. Aber ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, dass wir absteigen", sagt der 78-Jährige, der seit 2011 im Aufsichtsrat sitzt.
Auch dessen Vorsitzender ist vollkommen geschafft. "Ich dachte, ich überlebe das nicht. Jetzt bin ich unendlich erleichtert. Die Ingolstädter tun mir leid, aber uns hätte ein Abstieg extreme Probleme gebracht. Jetzt muss ich erst mal runterkommen", sagte Thomas Grethlein, der mit jedem Ingolstadter Tor mehr verstummte auf seinem einsamen Tribünenplatz.
Tradition verpflichtet beim 1. FC Nürnberg, der den Pathos in sich trägt. Die Vereins-Hymne "Die Legende lebt" darf in der neuen Saison weiter in der 2. Bundesliga mit Inbrunst gesungen werden. Doch es fehlten nur Sekunden und der unvergessene Heiner Stuhlfauth hätte sich wohl im Grab rumgedreht. Jener sagenhafte Torwart der 20er Jahre, der den stolzen Satz prägte: "Es ist eine Ehre, für diese Stadt, diesen Verein und die Bewohner Nürnbergs zu spielen. Möge all dies immer bewahrt werden und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen."
Der zweite Abstieg in Liga drei wäre solch ein Untergang gewesen. "Der Club is a Depp", heißt es von den eigenen Fans in unschlagbarer Selbstironie. Bringt ja nicht jeder Verein fertig, als Deutscher Meister im Folgejahr abzusteigen, wie dies 1969 der Fall war. Und in dieser Spielzeit wollte der 1. FCN eigentlich den Wiederaufstieg in Angriff nehmen - um sich selbstverschuldet ins Schlamassel zu manövrieren.
Nicht einmal ein überzeugender und hochverdienter 2:0-Erfolg im Relegations-Hinspiel und eine torlose erste Halbzeit im Schanzer-Stadion zu Ingolstadt sollten als Ruhekissen zum unaufgeregten Klassenerhalt dienen. Selbst von Ingolstadts Coach Thomas Oral waren vor dem Rückspiel nicht die gewohnten forschen Töne gekommen. Hatte sich der Club einlullen lassen?
Eine mickrige Viertelstunde dauerte es, und die Norisstädter hatten ihren Vorsprung verspielt. Erst stocherte FCI-Torjäger Stefan Kutschke den Ball nach einer missratenen Abwehraktion ins Tor (53.), dann trafen Tobias Schröck (62.) und Robin Krauße (66.) jeweils per Kopf. Allen Treffern waren Standards von Marcel Gaus vorausgegangen.
Am finalen Drittliga-Spieltag hatten die Oberbayern im Fernduell drastisch den direkten Aufstieg verpasst, weil die Würzburger Kickers in der Nachspielzeit einen höchst umstrittenen Handelfmeter gegen den Halleschen FC zum 2:2-Endstand verwandelten, damit die Schanzer in die Relegation schickten. Jetzt der nächste brutale Tiefschlag: Die fünfminütige Nachspielzeit war abgelaufen, als Fabian Schleusener seinen Nürnbergern den Allerwertesten rettete. In der Luft stehend, war der in der 70. Minute eingewechselte Joker ans Leder gekommen, das an Keeper Marco Knaller vorbei lässig ins Ingolstadter Tor trudelte. Augenblicke nach dem Anstoß pfiff Schiedsrichter Christian Dingert die Partie ab.