Nach dem Terroranschlag in Kabul organisierten Bamberger Initiativen eine Spontan-Demo mit 300 Teilnehmern.
Es ist ein Dreiklang an Ereignissen, die diesen Mittwoch prägen. Auch in Franken. Und letztlich, spontan, auch in Bamberg. Am Morgen explodiert in Kabul ein Tanklaster, mindestens 90 Menschen sterben. In Nürnberg wollen Schüler die Abschiebung eines Flüchtlings verhindern, es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) veranlasst den Stopp der für den Abend geplanten Sammelabschiebung nach Afghanistan.
Auch ein junger Afghane aus Bamberg hätte mit dem Flugzeug von Frankfurt aus Deutschland verlassen sollen. Er möchte nicht, dass sein Name in der Zeitung steht. Am Morgen weckt ihn die Polizei und nimmt ihn für Stunden in Gewahrsam. Ehrenamtliche Unterstützer stehen mit seinem Anwalt in Kontakt, können aber nicht persönlich mit ihm sprechen. Gegen Mittag erreicht sie die Nachricht, dass der Afghane freigelassen wird. Nicht, weil sein Asylantrag wieder aufgenommen, sondern weil an diesem Abend eben keine Abschiebung stattfinden wird.
Die Initiativen Freund statt Fremd, das Netzwerk Bildung und Asyl sowie die Interreligiöse Fraueninitiative positionieren sich seit Monaten gegen Abschiebungen ins Krisengebiet Afghanistan. Am Nachmittag veranlassen sie eine spontane Demonstration. Die Nachricht verbreitet sich über Facebook, Whatsapp, E-Mail und Mundpropaganda. Um 20 Uhr versammeln sich tatsächlich rund 300 Bamberger am Gabelmann. Ein Lautsprecher steht bereits, Transparente werden entrollt.
Mirjam Elsel, Pfarrerin in Hirschaid-Buttenheim, sagt: "Wir sind entsetzt über das, was heute passiert ist." Einmal mehr habe sich bestätigt, dass Afghanistan kein sicheres Herkunftsland sei. Applaus brandet auf, als sie die Nürnberger Schüler lobt, die heute Großes geleistet hätten. "Wir brauchen mehr Zivilcourage dieser Art in Deutschland."
Dann stößt Ricardo Schreck von Freund statt Fremd zur Veranstaltung. Seit zwei Jahren kümmert er sich um Flüchtlinge, momentan betreut er mehrere Schulklassen. Heute Morgen weckte ihn der Anruf einer Kollegin, die soeben erfahren hatte, dass ein junger Mann aus einer Bamberger Sammelunterkunft von der Polizei abgeholt worden war. Wegen eines verpassten Interviewtermins galt sein Asylverfahren als beendet. Niemand habe mit einer plötzlichen Abschiebung gerechnet.
Schreck betont, dass die geplante Abschiebung nicht etwa wegen der prekären Sicherheitslage in Afghanistan ausgesetzt worden sei. Sondern wegen der Belastungssituation der deutschen Mitarbeiter in der dortigen Botschaft, die ebenfalls beschädigt wurde. "Man stelle sich vor, der Anschlag hätte 500 Meter weiter weg stattgefunden."
Die Botschaft der organisierenden Vereine bleibt simpel: "Afghanistan ist einfach nicht sicher. Ist es einfach nicht." Zum Ende seiner emotionalen Rede appelliert Ricardo Schreck an die deutschen Politiker: "Macht eure Herzen auf und seht euch an, welches Leid ihr über diese Menschen bringt." Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Die Bamberger Polizei hat es den Demonstranten gerade noch genehmigt, sich durch die Innenstadt und bis zur Elisabethenkirche zu bewegen.
Während die einen biertrinkend auf der Unteren Brücke und vorm Schlenkerla die Restwärme des Tages genießen, wirken die anderen, die Teilnehmer des Zuges, kollektiv bedrückt. In Kabul hat eine Erschütterung stattgefunden, die bis hier her spürbar ist. Und auch das ist sicherlich pervers: "Allein in der Woche davor sind bei Anschlägen zusammen genommen genauso viele Menschen gestorben", sagt Janosch Freuding. Aber darüber werde gar nicht mehr berichtet. Vor der Elisabethenkirche entzünden Flüchtlinge Kerzen.
Für den kommenden Montag kündigt Mirjam Elsel die nächste Mahnwache an. Seit Februar treffen sich engagierte Bamberger wöchentlich, um gegen die Abschiebungen nach Afghanistan zu demonstrieren. "Wir waren die erste Mahnwache in Bayern", sagt Freuding, "und sind mittlerweile auch die größte." Er hofft, dass nicht noch mehr Menschen sterben müssen, dass in der Politik Einsicht einkehrt. Zumindest bis zu den Bundestagswahlen soll weiter demonstriert werden.
Man kann über Abschiebungen nach Afghanistan denken was man will, aber wenn öffentlich geäußet wird, die Schüler der Nürnberger Schüler hätten Großes geleistet, indem sie eine rechtmäßige Polizeiaktion behindern, sogar Gewalt anwenden und dies noch als Zivilcourage betitelt wird, besteht hier wohl offensichtlich ein grundsätzliches Problem mit dem Verständnis des Rechtsstaates. Bislang war Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach meiner Kenntnis immer noch strafbar.
Die Polizei hat hier lediglich auftragsgemäß eine Anordnung vollzogen und muß sich nun auch noch bei 10 verletzten Beamten Vorwürfe gefallen lassen?! Für mich unverständlich!
Dann müssen Sie sich besser informieren, es gibt ein sogenanntes Widerstandsrecht für jeden Bürger.
Paragraph 20, Absatz 4 des deutschen Grundgesetzes:
"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."
Somit wurde die Bürgerpflicht erfüllt und Zivilcourage bewiesen und der Vollzug eines Todesurteils mit dem Flug nach Afghanistan versucht zu verhindern.
Wird Zeit, daß solch ein Paragraph abgeschafft wird, sonst kann man sich die Polizei sparen.
Mein Kommentar fiel der Netiquette zum Opfer, obwohl mein Einwand, daß sich diese jungen Männer auch als Soldaten verdingen können und ihr Land selbst verteidigen, anstatt dies der Bundeswehr zu überlassen, durchaus ernst gemeint ist.
Schülerinnen in Sommerkleidchen, Schüler mit kurzen Hosen und T-Shirt auf der einen. Polizei mit Hunden, Schlagstöcken und Tränengas auf der anderen Seite. Da kann man sich ja vorstellen, von wem die größere Gefährdung ausging. Anstelle der Polizeioberen würde ich einfach mal eingestehen, dass ihre Taktik in die Hose gegangen ist, anstatt die jungen Menschen, die sich für ihren Mitschüler eingesetzt haben, nachträglich zu kriminalisieren.
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