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Russen-Spione in Bamberg? Verein macht seltsame Beobachtungen


Autor: Ralf Welz

Bamberg, Montag, 29. April 2024

Steht ein Bamberger Ukraine-Hilfsverein im Visier von Putin-Unterstützern? Ein Ehrenamtlicher schildert inFranken.de gleich mehrere befremdliche Vorkommnisse. Sind in der Domstadt russische Spione tätig?
Den Verein "Bamberg:UA" gibt es seit 2017. "Seit dem 24. Februar 2022 zielt unsere Tätigkeit ausschließlich darauf ab, so viele Menschenleben wie möglich zu retten", betont der Verein mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine.


Die Festnahme mutmaßlicher russischer Spione in Oberfranken hat bundesweit Aufsehen erregt. Im Raum Bayreuth waren in der vergangenen Woche zwei deutsch-russische Staatsbürger verhaftet worden. Sie stehen im Verdacht, für Moskau Ziele für potenzielle Sabotageakte in Deutschland ausgekundschaftet zu haben. Spionage, Desinformation, Sabotage - Politik und Behörden sehen in der Bundesrepublik vielfältige Maßnahmen vonseiten prorussischer Personen und Gruppen. 

"Meiner Meinung nach haben wir in Deutschland zu viele Putin-Unterstützer", sagt Dennis Dechnik, stellvertretender Vorsitzender des ukrainischen Hilfsvereins "Bamberg:UA", im Gespräch mit inFranken.de. Ziel des Bündnisses ist es laut Eigenaussage, die ukrainisch-deutschen Beziehungen zu fördern und der Ukraine zu helfen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben die Verantwortlichen den Verdacht, ausgekundschaftet zu werden. "Im Prinzip werden wir ständig ausspioniert." Steht der Bamberger Verein unter russischer Überwachung?

Bamberger Ukraine-Hilfe im Visier von Putin-Unterstützern? Ehrenamtlicher berichtet von dubiosen Vorfällen

"Bamberg:UA" wurde 2017 von ukrainischen Studierenden der Universität Bamberg gegründet. "Seit dem 24. Februar 2022 zielt unsere Tätigkeit ausschließlich darauf ab, so viele Menschenleben wie möglich zu retten", hält der Verein mit Blick auf den Kriegsbeginn auf seiner Webseite fest. Die humanitäre Hilfe in der Ukraine erfolgt auf Basis von Spenden von Bürgern oder Organisationen. Die Bevölkerung in der Ukraine wird von Bamberg und Nürnberg aus unter anderem mit medizinischer Ausrüstung, Arzneimitteln und Nutzfahrzeugen - etwa für Evakuierungsmaßnahmen im Kriegsgebiet - versorgt. Mit den Sportfreunden Stiller brachten die Ehrenamtlichen einst einen Rettungswagen in die Ukraine.

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"Das steht auch alles auf unserer Webseite. Damit haben wir wahrscheinlich das Interesse russischer Dienste geweckt", vermutet Dennis Dechnik. Seit März/April 2022 sieht sich die Bamberger Ukraine-Hilfe etlichen Störfeuern ausgesetzt. "Wir bekommen zum Beispiel viele Anfragen über Facebook. Darin wird gefragt: 'Wie können wir helfen? Wie können wir mit Ihnen in Kontakt kommen?'", berichtet Dechnik. Laut seiner Schilderung äußern die vermeintlichen Unterstützer anschließend teils den Wunsch, sich vor Ort einmal persönlich in der Lagerhalle des Vereins umzusehen. Dort verweilen Medikamente, Krankenbetten, technisches Gerät und zahlreiche weiteren Hilfsgüter für die Krisenregion. 

"Vor allem unsere weiblichen Mitglieder werden angeschrieben", erzählt der 42-Jährige. "Da heißt es dann zum Beispiel: 'Wir wollen vielleicht 10.000 Euro spenden. Aber zuerst würden wir gern mal einen Kaffee mit dir trinken gehen.'" Aus Sicht der Ukraine-Helfer ein offensichtlich alles andere als seriöses Vorgehen. "Wir haben deshalb Bedenken." Dechnik zufolge äußern manche Männer immer wieder, nur den jungen Frauen im Team Geld zu spenden, nicht aber dem Verein. "Da schrillt bei uns sofort der Alarm". 

"Hauptziel ist das Ausspionieren, um unsere Hilfslieferungen behindern zu können"

Die Kontaktaufnahme erfolge in der Regel über die sozialen Medien. Viele der zweifelhaften Mitteilungen und Angebote seien in ukrainischer Sprache verfasst - so solle es zumindest erscheinen. "Sie stellen sich natürlich nicht als Russen vor. Sie schreiben in gebrochenem Ukrainisch." Oft wirke der entsprechende Text aber nicht authentisch oder enthalte allzu viele Fehler, konstatiert Dechnik, der selbst einen ukrainischen Vater und eine deutsche Mutter hat.

Über Telegram erhielten die Helfer aber auch viele "komische Nachrichten" direkt auf Russisch. Der "Halb-Ukrainer", wie er sich selbst bezeichnet, nimmt an, dass es in Deutschland viele Putin-Helfer gibt. "Ich will niemanden beschuldigen. Es kann aber sein, dass sie aus Moskau - oder sonst wo - irgendwelche Befehle und Aufgaben bekommen." Teilweise seien vor den Räumlichkeiten der Bamberger Einrichtung auch Autos vorgefahren, aus den die Tätigkeiten der Mitglieder womöglich ausgekundschaftet werden sollten.

Die Ehrenamtlichen gehen davon aus, dass von russischer Seite unter anderem versucht werde, konkrete Termine und Routen in Erfahrung zu bringen. "Hauptziel ist das Ausspionieren, um später unsere Hilfslieferungen behindern zu können", zeigt sich der 42-Jährige überzeugt. Damit die Konvois des Vereins auf ihrem Weg in die Ukraine nicht aufgehalten werden, berichten die Verantwortlichen von ihren Transporten bewusst erst im Nachhinein. "Das geschieht erst mit zeitlichem Abstand - wenn alle Fahrzeuge schon dort gewesen sind", erklärt Dechnik. 

Spender berichten von Falschnachrichten - Ministerium attestiert Russland "systematische Desinformation" 

Mitunter werde auch mit Gerüchten und Falschinformationen versucht, die Arbeit der Ehrenamtlichen zu torpedieren. So habe ein Spender einmal eine Nachricht erhalten, in der behauptet wurde, dass er gerade an Menschen gespendet habe, die für Russland im Einsatz seien. "Das war lustig, aber natürlich auch total absurd", betont Dechnik.

"In dem Fall haben wir zwei Stunden gebraucht, um alles aufzuklären. Das hindert uns an unserer eigentlichen Arbeit." Das Vorkommnis war offenbar keineswegs ein Einzelfall. "Mehrere Spender und Unterstützer haben uns berichtet, dass im Netz Falschnachrichten über uns verbreitet werden, um unsere Arbeit zu behindern."

Laut Bundesinnenministerium verbreitet Russland im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Angriff "systematisch Desinformation". Überdies nutze die russische Regierung seit Jahren ihre diplomatischen Kanäle, Netzwerke in den sozialen Medien und ihre staatlichen Medien, um Desinformation und Propaganda zu verbreiten - auch in Deutschland. "Die Bundesregierung nimmt diese Bedrohung sehr ernst", heißt es auf der Webseite des Ministeriums.

"Spendenbereitschaft total gesunken" - Bamberger "Halb-Ukrainer" warnt vor Putin-Sieg 

Seit gut zwei Jahren ist die Ukraine von der weitreichenden Invasion Russlands betroffen. Die Aggression begann gleichwohl schon vor zehn Jahren - mit der Krim-Annexion im Februar 2014. Trotz der zahlreichen Erschwernisse wollen die "Bamberg:UA"-Mitglieder an ihrem Engagement für die Menschen in der Ukraine festhalten. "Viele von uns haben dort noch Verwandte und Freunde", berichtet Dechnik. "Die spüren jeden Tag, was es bedeutet." Inzwischen erhalte der Verein gleichwohl deutlich weniger Spenden als unmittelbar nach dem russischen Überfall im Februar vor zwei Jahren.

"Damals hatten wir in einer Nacht 500 Leute auf unserem Gelände. Jetzt ist die Spendenbereitschaft total gesunken", schildert der Vize-Vorsitzende. "Es gibt aber noch Helfer, die die Demokratie und die westlichen Werte unterstützen." Die Unterstützung der Ukraine dürfe nicht aufhören, betont der "Halb-Ukrainer". Ein Sieg Putins, so befürchtet er, könnte letztlich für weitere Länder Folgen haben. "Russland belässt es damit nicht, sondern geht hundertprozentig weiter".

Eine Bande soll indessen in ganz Deutschland Geldautomaten in die Luft gejagt und mehrere Millionen Euro erbeutet haben. 16 Angeklagte stehen in Bamberg vor Gericht. Zum Prozessauftakt in einer Polizei-Turnhalle gab es viel Kritik. Weitere Nachrichten aus Bamberg gibt es in unserem Lokalressort.