Die Auszubildenden der Bundespolizei trainieren Einsätze in Zügen unter realen Bedingungen. Unsere Reporterin schlüpfte in die Verbrecherrolle.
Vom hinteren Teil des Waggons nähern sich zwei Polizeibeamte. Ich werde von den Uniformierten streng ins Visier genommen. Ein unangenehmes Gefühl. Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz in der Regionalbahn herum. "Wir haben eine Personenbeschreibung erhalten, die genau auf Sie passt", werde ich direkt angesprochen. "Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden", erwidere ich betont gelassen. Die beiden Beamten bauen sich vor mir auf und erklären, es habe einen Diebstahl gegeben. "Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann haben Sie doch nichts dagegen, wenn wir ihren Rucksack durchsuchen?" Und ob ich etwas dagegen habe. Ich fühle mich in die Enge getrieben. Denn die Polizisten werden den gestohlenen Schmuck in meinem Rucksack sofort finden.
Üben unter Realbedingungen
Zum Glück ist das hier alles nur eine Übung. Ich habe keinen Schmuck gestohlen und die beiden Beamten sind noch in der Ausbildung. Damit die Bundespolizeianwärter unter realen Bedingungen Einsatzszenarien üben können, steht seit August 2017 auf dem Ausbildungszentrum
Bamberg ein Doppelstockwagen der Deutschen Bahn. "Wir haben rund um den Wagen einen kleinen Bahnhof gebaut", erklärt Marcus Büchner, Pressesprecher der Bundespolizei. Bahnsteig, Fahrkartenautomat, Beschilderung - alles da. Doch bevor ich mich auf dem Ausbildungsgelände genauer umsehen darf, muss ich erst noch meine Verbrecherrolle überzeugend zu Ende spielen:
"Frechheit. Die Rucksäcke der anderen Fahrgäste werden ja auch nicht durchsucht", ereifere ich mich im Zug. Ruhig, aber sehr bestimmt, machen die Beamten mir deutlich, dass ich den Rucksack freiwillig zur Durchsuchung herausgeben könne, ansonsten würden sie weitere Maßnahmen ergreifen. Ich gebe klein bei. Wenig später hält die Beamtin das Diebesgut in der Hand. "Das gehört mir", improvisiere ich panisch. Weshalb ich so viel Schmuck bei mir tragen würde? "Ich verreise für längere Zeit." Eine schwache Ausrede. "Wir steigen jetzt an der nächsten Station aus und nehmen ihre Personalien auf", sagt der junge Beamte zu mir. Jetzt fühle ich mich richtig unwohl.
Bockig und lautstark motzend folge ich den Kollegen trotzdem auf den Bahnsteig. "Nehmen Sie die Hand aus der Hosentasche", werde ich angewiesen. Gut beobachtet, ich habe selber nicht einmal gemerkt, was ich instinktiv mit meiner Hand gemacht habe. Es folgt eine Belehrung über meine Rechte als Tatverdächtige, dann stehe ich auch schon mit ausgestreckten Armen und Beinen an einer Wand und werde durchsucht.
Situationstraining wird diese Art des Trainings genannt. Ein intensives Erlebnis für mich, ein wichtiges Werkzeug bei der Ausbildung junger Polizisten. Die beiden Beamten, die mich im Zug hochgenommen haben, sind in ihrem zweiten Ausbildungsjahr. "Solche Situationen trainieren wir regelmäßig", erklärt mir Sebastian Kroll (19). Von der 18-jährigen Laura Luft will ich wissen, wie ich mich als Verbrecherin geschlagen habe. "Das war von der Gegenwehr relativ harmlos", sagt sie. Wichtig sei, dass man ruhig bleibe und zunächst einmal abwartet, wie die Person reagiert. Im ersten Jahr der Ausbildung seien solche Personenkontrollen und Durchsuchungen noch gewöhnungsbedürftig. "Aber man wird schnell routinierter", bestätigt Kroll.
Disziplin ist wichtig
Das Ausbildungszentrum in Bamberg ist das größte der sieben Ausbildungszentren der Bundespolizei. Seit dem 1. September 2016 werden dort Polizeimeisteranwärter trainiert. Das am östlichen Stadtrand gelegene Gelände beheimatete bis 2014 den Militärstützpunkt der US-Armee. Ausbilder Danny Köppen ist zufrieden mit seiner Klasse. "Es ist schön, die Entwicklung vom ersten Ausbildungstag bis zum Abschluss zu sehen", bestätigt er. Wenn man die Kollegen am Ende guten Gewissens in den Berufsalltag entlassen könne, habe man als Ausbilder alles richtig gemacht. Im kommenden März ist es für die ersten 670 Absolventen aus Bamberg so weit. Als Polizeimeister werden Sie bundesweit auf die Dienststellen der Bundespolizei verteilt.
Auffallend ist die Ordnung, die auf dem gesamten Gelände herrscht. "Disziplin ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ausbildung. Die Auszubildenden müssen lernen, dass der Chef das Sagen hat", erläutert Büchner. Um 7 Uhr morgens ist Antritt, um 16:30 Uhr Feierabend. Dazwischen absolvieren die Polizeianwärter einen intensiven Mix aus theoretischen und praktischen Unterrichtseinheiten. Neben regelmäßigem Sport und Situationstrainings stehen auch Psychologie, Schießtraining, Einsatzrecht und politische Bildung auf der Agenda. Ein straffer Zeitplan, an den sich besonders die ganz jungen Auszubildenden erst gewöhnen müssen. "Einige Auszubildende sind erst 16 Jahre alt. Das ist schon eine heftige Umstellung", erklärt Büchner. Die Ausbilder müssten daher auch einen großen Teil an Erziehungsarbeit leisten.
Ich habe meine Lektion gelernt
Wie gut das gelingt, habe ich heute am eigenen Leib erfahren. Die jungen Beamten haben mich selbstbewusst und mit der richtigen Portion Autorität in meine Schranken gewiesen. Mein Fazit: Widerstand zwecklos.
Das sind die aktuellen Zahlen der Bundespolizei:
8100 neue Bundespolizisten werden derzeit bundesweit an sieben Standorten ausgebildet.
2100 Nachwuchspolizisten befinden sich aktuell in Bamberg in der Ausbildung. Ein Viertel davon sind Frauen.
2700 Auszubildende sollen es im September 2018 sein, damit ist dann auch die maximale Kapazität in Bamberg erreicht.
670 Absolventen aus Bamberg werden im März 2019 in den Berufsalltag entlassen.
30 Meter Gleis, 5 Tonnen Kies und 60 Tonnen Schotter wurden für den Übungsbahnsteig im Ausbildungszentrum verbaut.