Reitlehrer missbrauchte Kinder im Kreis Bamberg

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Das Symbolfoto zeigt einen Angeklagten mit Fußfessel. Foto: Ronald Rinklef/Archiv
Das Symbolfoto zeigt einen Angeklagten mit Fußfessel. Foto: Ronald Rinklef/Archiv

Zu zwei Jahren und vier Monaten wurde ein 46-Jähriger verurteilt, der sich in seinem Betrieb im Landkreis Bamberg über längere Zeit an die Schülerinnen heranmachte.

Auffallend viele Teenager und deren Mütter füllen die Zuhörerreihen im Sitzungssaal 24. Aber statt der für junge Mädchen typischen, heiter betriebsamen Geräuschkulisse hat sich eher ein Mantel aus betroffener Stille über sie gelegt.

Durchbrochen vom einen oder anderen hörbaren Schnäuzen. "Das Schwein", ein Begriff, der immer wieder leise, aber scharf, durch die Reihen zischt. Bestimmt für den Mann, der augenscheinlich gezielt den Blickkontakt mit dem Zuhörerbereich meidet.

Claude M. (Name von der Redaktion geändert), 46, Reitlehrer, angeklagt wegen sexuellen Missbrauchs in zehn Fällen. Schütteres Haar, rot-weiß kariertes Hemd unterm grauen Woll-Pullover, Polizeifesseln an den Füßen. Am Ende der dreistündigen Verhandlung trägt er sie weiter, dann als Verurteilter, den eine Strafe von 2 Jahren und 4 Monaten erwartet. Ohne Bewährung, Job und Partnerin in Dubai müssen warten. Es sei denn, sein Anwalt Christian Barthelmes legt Berufung oder Revision ein. Eine Woche hat er dazu Gelegenheit.

Traurige Spannung macht sich während der von Richter Konrad Breunig geleiteten Hauptverhandlung am Amtsgericht in den Zuhörerreihen breit.

Dem Reitlehrer wird zur Last gelegt, Kinder, konkret zwei Mädchen unter 14 Jahren sexuell missbraucht zu haben. Tatzeitraum: bei einem der Mädchen über etwa drei Monate hinweg im Jahr 2010. Claude M., Franzose, hat einen Stall in einem Strullendorfer Gemeindeteil gepachtet, ist zum damaligen Zeitpunkt zum zweiten Mal verheiratet.

Zehn Fälle aufgelistet


Die Anklageschrift listet insgesamt zehn verschiedene Fälle von sexuellem Missbrauch auf. Dazu zählen die Zungenküsse (auch die gelten nach deutschem Recht bei Kindern als sexueller Missbrauch), zu denen der Franzose die Kinder nötigt, in Pferdeboxen, Stallgang, Werkstatt, Wohnung. Wiederholt und ungewollt.

Claude schiebt T-Shirts hoch, streichelt Bauch und Rücken, legt die Hand der 13-Jährigen auf die Hose über seinem Penis. Irgendwann kriegen Eltern das mit, zeigen den Reitlehrer an. Claude M. wird verhaftet. Beim Ermittlungsrichter räumt er einige Fälle ein, kommt in Untersuchungshaft und nach knapp einem Monat wieder raus, unter Auflagen.

Ein in der Verhandlung immer wieder bemühtes Gutachten besagt, dass M. keine pädophilen Neigungen hat. Zumindest zum Zeitpunkt der Taten war er alkoholkrank. Das ist entscheidend für einen besonders schwerwiegenden Fall, Fall Nummer 9. Hier waren gleich zwei Kinder beteiligt, eigentlich drei. Aber das dritte Mädchen war schon 14 und damit juristisch kein Kind mehr.

Die Kinder hatten ihren ehemaligen Reitlehrer, das heißt eigentlich mehr die Pferde, in Göggingen besucht. Man grillt zusammen. Der damaligen Frau des Angeklagten, sie hatte erst entbunden, ist so übel, dass sie sich zurückziehen muss. M. hat, wie immer abends, reichlich Alkohol konsumiert. Das tat er nach eigenen Angaben, um schlafen zu können. Aber an diesem Abend geht er nicht ins Bett, sondern in den Schlafraum der Mädchen und bedrängt die massiv. Die Mädchen wehren sich und fliehen.

In Nizza verhaftet


Jedenfalls kommen im Zuge der Ermittlungen immer weitere, neben den zugegebenen Fällen ans Tageslicht. Im August 2011 wird Klage erhoben. Die Staatsanwaltschaft erfährt kurz danach von einem Ticket für M. nach Kroatien, der Haftbefehl wird wieder in Kraft gesetzt. Ab da ist M. offenbar auf der Flucht. Am 12. August 2012 wird der französische Staatsbürger in Nizza verhaftet, auf dem Weg nach Dubai. Er wird der deutschen Justiz überstellt.

Die Verteidigung will nicht so recht von einer Flucht sprechen. In der U-Haft war M. selbst Opfer der Mitgefangenen (nach Bekanntwerden seines Deliktes) geworden. Er erlitt Platzwunden, musste von Bamberg nach Kronach verlegt werden. M. habe Angst gehabt, wieder ins Gefängnis zu müssen, erklärt dessen Anwalt. Und dann sei da die schwierige persönliche Situation - die Frau hat sich nach Anklageerhebung von ihm scheiden lassen. Claude M. spricht von Burnout und Depression.

Im Detail ungeklärt bleiben die Umstände, wie er der Firma, für die er als Sattelvertreter unterwegs war, deren Auto zurückgibt.

Der Reitlehrer gesteht alle ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe, erspart den Kindern Aussagen, entschuldigt sich im Gerichtssaal bei den Opfern und lässt über seinen Anwalt wissen, dass er 3000 Euro (geliehen von seiner Schwester) als Täter-Op fer-Ausgleich bereitgestellt hat.

Geld gegen geringere Strafe und auch eine Art Schmerzensgeld - das Gesetz sieht Derartiges vor. Richter Konrad Breunig will wissen, was der Missbrauch in dem einen Mädchen bewirkt hat. Die Mutter, auch Nebenklägerin, sagt aus: Man hat mehrmals professionelle Hilfe in Anspruch genommen, das Kind hatte lange Einschlafstörungen, wurde in der Schule schlechter. Dann ging es ein Jahr (das Jahr der Flucht) besser. Das änderte sich, als das Kind vom Prozess erfuhr und nun nur noch wollte, "dass alles vorbei ist".

Bis zu seiner erneuten Verhaftung will Claude M. in Dubai als Pferdetrainer, also nur mit Pferden gearbeitet haben, legt einen in Englisch (und Arabisch) gefassten Arbeitsvertrag vor, der bis 2013 gilt. Auch eine Partnerin hat er Dubai, in adäquatem Alter. Alkohol trinkt er keinen mehr, lässt M. wissen.Doch die günstige Sozialprognose allein hilft ihm nicht.

Staatsanwalt Dieter Brunner und Thomas Drehsen (Vertreter der Nebenkläger), lassen beide die Frage anklingen, "ob das wohl alles war", was an diesem Tag verhandelt wurde.

Vertrauen missbraucht


Richter Breunig begründet sein Urteil, die 2 Jahre und 4 Monate ohne Bewährung damit, dass Claude M. das Vertrauen der Eltern und der Kinder missbrauchte. Er habe seine Möglichkeiten hier in erheblichem Maße ausgenutzt, "die Mädels waren ihm über Nacht ausgelifert".

Dabei sei ihm von den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übertragen worden. Die psychischen Folgen für die Mädchen gingen weit über die Erinnerung an das Geschehen hinaus, so Breunig. Der alkoholisierte Zustand von M. in Fall Nummer 9 und das Geständnis sowie der Täter-Opferausgleich brachten eine gewisse Strafmilderung. Die Geschehnisse stellten indes eine erhebliche Belastung für die Schülerin dar.

Nach der Urteilsverkündung sichtlich Entspannung bei den Zuhörern. Aber "kein Grund zum Jubel", wie eine Mutter bitter anmerkt.